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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Kunstgwerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0087

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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einwandfreien Landhauses. Und nun sollte diesem Archi-
tekten Gelegenheit geboten werden, an einer Sammlung
seiner eigenen Bauten die Möglichkeit, an bestimmten
Beispielen die Ursachen und Gründe klarzulegen, die zu
dieser Lösung der gegebenen Aufgabe führten. Es war
selbstverständlich, daß er dabei nicht nur die Abbildungen
und Pläne — es sind 295 Abbildungen und vier farbige
Beilagen von 22 Landhäusern — zu liefern, sondern auch
den textlichen Teil des Werkes selbst zu übernehmen hatte.
Wir sind mit dieser Neuerung so sehr einverstanden, daß
wir sie zur Nachahmung dringend empfehlen, — vorausgesetzt,
daß es sich um gleich würdige Objekte handelt und daß
der Künstler in seiner Selbstanzeige das Maß der sachlichen
Darstellung in so dezenter Weise innehalte, wie es hier
Muthesius getan hat. Die kritische Nachprüfung des Be-
schauers wird damit an eine spätere Stelle gerückt, gleich-
zeitig wird ihr aber ein wichtiges, Hilfsmittel an die Hand
gegeben, daß zudem ein bedeutsames und von Ästheten
nur zu oft übersehenes Korrelat zu der Tätigkeit eines
Architekten bildet: das Verständnis, »aus welchen Bedin-
gungen und Verhältnissen heraus die Bauten entstanden
sind, welche Eigenschaften des Grundstücks und welche
Forderungen des Bauherrn diesen Grundriß und Aufbau
verlangten, welche Schwierigkeiten es dabei zu überwinden
galt und wie sie beseitigt wurden, welche Vorteile sich
schaffen ließen, welche Erfahrungen gemacht und welche
Verbesserungen erreicht wurden.« Ist man darüber orien-
tiert, und diese Orientierung vermag nur der Erbauer
selbst zu geben, dann mag die Kritik beginnen darüber,
ob der Architekt als Berater des Bauherrn alles aus den
vorhandenen Bedingungen herausgeholt und nicht etwa
fahrlässig, ohne das äußerste versucht zu haben, vor Laien-
wiinschen kapituliert hat, und ferner darüber, was er unter
dieser vielseitig beengten Zwangslage künstlerisch zustande
gebracht hat. n
□ Was nun die Arbeiten von Muthesius betrifft, so dürfen
sie schon deshalb ganz besonderes Interesse beanspruchen,
weil er als weitbekannter Architekt und Spezialist für Land-
hausbau mit Objekten betraut zu werden das Glück hat,
die nicht nur in Bezug auf künstlerische Anforderungen Be-
deutendes verlangen, sondern auch zuweilen in materieller
Hinsicht aus dem Rahmen des Gewöhnlichen heraustreten.
Man glaube aber nicht, daß diese beiden Punkte den Ver-
kehr mit den Bauherrn ohne weiteres erleichtern ; im Gegen-
teil mußte der Künstler seine, ihm zufällig in hohem Maße
zu Gebote stehende Diplomatie wohl sehr oft zu Hilfe
nehmen, um dem Besteller das, was notwendig war, als
eigenen Wunsch zu suggerieren. Sind diese nicht unwich-
tigen Imponderabilien mit Geschick erledigt (doch oft er-
wachsen der Hydra immer neue Köpfe!), dann beginnt die
eigentliche künstlerische Tätigkeit. Sofern es in dieser Buch-

anzeige gestattet ist, möchte ich sagen, daß man an den künstle-
rischen Leistungen durchwegseine reine Freude haben kann.
Aber wichtiger ist es, zu betonen, daß hier für Fachleute und
Bauherren so außerordentlich viel des Nützlichen und Lehr-
reichen in zwangloser Form zusammengetragen ist, daß
dies Buch in der Tat als das Standardwerk über den deut-
schen Landhausbau bezeichnet werden muß. Etwas Ähn-
liches besaßen wir bisher noch nicht. Fritz Hellwag.
AUS DEN VEREINEN
n Berlin. Im Kunstgewerbeverein hielt Robert Breuer
einen Vortrag über »Haus und Möbel der Kleinbürger und
Arbeiter«. Der Ideengang war etwa folgender: Der Arbeit-
nehmer wächst ständig in seiner Zahl gegenüber dem ver-
minderten Stand des Arbeitgebers; der Begriff des Klein-
bürgers verschwindet. Wie steht es mit der Kultur dieser
Masse der Arbeiter? Sie hat keine und kann keine haben;
denn sie bemüht sich noch einstweilen um ihre organi-
satorische Festigkeit. Sie erhält das bißchen Kultur ihres
Lebens (und Wohnens) geschenkt. Diese von den Arbeit-
gebenden zumeist geschenkte Kultur (Krupp z. B.) aber
muß mehr oder weniger unecht sein und enthält eine un-
angenehme Sentimentalität. Die Kultur des Arbeiters muß
auf seinem Boden gewachsen sein, er muß quasi bauen;
wie doch eigentlich nicht der Architekt, sondern das Waren-
haus, die Turbinenhalle (sich) baut. Das Problem ist also
weniger künstlerisch als psychologisch-organisatorisch; wir
müssen uns diktieren lassen. Die Mietskaserne ist am
wenigsten geeignet; die Werkwohnung (Krupp z. B.) hat
leicht den Fehler der Abhängigkeit des Arbeiters vom
Werk. Genossenschaftssiedelungen (Hellerau) sind schwer,
des hohen Bodenpreises wegen, in Stadlnähe zu bauen;
auch schädigt eine Dezentralisation des Arbeiters in ver-
schiedene Gartenstädte das Kollektivbewußtsein. Der beste
Erfolg ist von einer kommunistischen Organisation zu
hoffen (Ulm). Es wurden hierauf Lichtbilder gezeigt, die
Beispiele einer solchen »diktierten« Kultur der Wohnung
und der Möbel brachten, und durch kleine amüsante Gegen-
beispiele des »Kitschmöbels« hier und dort unterbrochen
wurden. Muthesius und Metzendorf boten wohl die er-
freulichsten baulichen Lösungen. Riemerschmied besitzt
leicht einen nicht sehr geeigneten »lyrischen«, »rustikalen«
Einschlag. Tessenow wird mit Interesse zu verfolgen sein.
Unter den Möbeln fielen einige amerikanische sehr über-
zeugend auf. — Eine kleine Ausstellung von Plänen und
Photographien einer Zahl von Architekten, Werkstätten
und Genossenschaften, und sogar einige Möbel der Kom-
mission für vorbildliche Arbeiterwohnungen waren in den
Seitengängen des Künstlerhauses aufgestellt. h.m.

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Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich Fritz Hellwao, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h. in Leipzig
 
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