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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Matthies, Karl: Volkskunst und Volksgunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0095

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MAX STOLZ IN STARNBERG ist ein Bildhauer, wie
man sie jetzt auch in Bayern und Tirol nur noch ganz selten
findet. Er ist von einer rührenden Naivität und tappt in
der blutigsten Geschichte der Freiheitskämpfe Andreas
Hofers herum, als ob’s ein Kasperltheater wäre. Aber
gerade damit trifft er, wenigstens für sich, genau das
Richtige, und der bittere Humor Kasperls vermischt sich
innig mit der seelischen Not der immer und immer
wieder vom österreichischen Kaiserhaus genarrten tiroler
Bauern. Das Schnitzmesser dieses Bildhauers ist mindestens
ebenso »dabei« bei jenen wilden Kämpfen, wie es nur je
die Sensen und Äxte der Bauern gewesen sein können.

Man muß bis ins Mittelalter zurückgehen, um wieder einen
solchen plastischen Ausdruck von Fanatismus und Begei-
sterung zu finden. So einen Kerl, wie den, der seinen ge-
kreuzigten Heiland wild durch alle Schlachten schleppt, ver-
gißt man nicht wieder; das ist ein Zeichen, daß Stolz sein
Thema ausgeschöpft und richtige Kunst gegeben hat. Aber
er trifft auch ebensogut den rechten Bauernhumor und ist
überhaupt mit allen diesen Figuren, deren er viele Hunderte
geschaffen hat, auf engste verwandt. Nach all der gemachten
Naivität der neueren süddeutschen Volkskünstler ist uns
Stolz höchst willkommen. Wem seine Art gefällt, der
kaufe ihm etwas ab, er kann’s gut gebrauchen. f. h.

VOLKSKUNST UND VOLKSGUNST
Von Karl Matthies.

DER Kundige weiß, daß die schönen Erzeugnisse
bäuerlicher Handfertigkeit beinahe aufgekauft sind.
Die Landbewohner entledigten sich mit Freuden des
alten Plunders, um dafür die ihrer Meinung nach
vornehmere städtische Fabrikware in buntestem Durcheinan-
der anzuschaffen. Der Sucht, es den Städtern gleich zu tun,
konnte auch die treueste Anhänglichkeit an wertvolle alte
Erbstücke nicht widerstehen. Und so erleben wir die
merkwürdige Tatsache, bäuerische Dielen mit all den schönen
Gegenständen einfacher Künstlerschaft in städtischen Wohn-
räumen wiederzufinden und die Häuser der Landbewohner
im ödesten Geschmack protziger Kleinstädter ausgestattet
zu sehen. □
□ Alles dreht sich! n
□ Der Vorgang ist ein natürlicher. Seit der Zeit, da es
auf dem Lande als selbstverständlich gilt, jeden zur Ver-
fügung stehenden Raum für gutes Geld an städtische

Sommergäste zu vermieten, mußten schlechter Geschmack
und schlechte Gewohnheiten des Stadtvolkes bei den Land-
bewohnern Wurzel fassen, mußten die alten schönen Er-
zeugnisse bäuerischer Künstler auf Geschmacksmenschen
der Städte einen großen Einfluß ausüben. Daraus ent-
stand die Wechselwirkung. n
□ Gewiß ist es heute noch möglich, hier und dort in
einem verlorenen Winkel eine schöne bemalte Truhe, einen
schweren geschnitzten Schrank, zinnerne Becher, Teller,
Leuchter, ja sogar noch Porzellan zu entdecken, aber wer
wirklich Volkskunst finden will, der wird in die Museen
gehen müssen, die gottlob vor den Spüraugen englischer
Sammler noch vieles gerettet haben. □
□ Wir können ruhig sagen, daß der künstlerische Be-
tätigungsdrang im Volke noch nicht verloren gegangen
ist; aber er ist verwirrt, verstümmelt, verdorben. Die Ge-
schmacksverheerungen der verflossenen Stilrevolutionen
 
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