Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

DOI Artikel:
Zöllner, Ernst: Frauenhandarbeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0114

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
FRAUENHANDARBEIT

1 A7
1U/

Zahl der Techniken, die neben- und
durcheinander geübt werden, ins Un-
geheuerliche gewachsen. Zum Werte
der Leistungen aber steht diese Masse
der Techniken in einem lächerlichen
Gegensatz. Es ist kaum glaublich, wie
viel Ab- und Unterarten der Handarbeiten
aus den drei Übungen Nähen, Stricken
und Stopfen entstanden sind. Hier eine
kleine Auslese: Sticken, Klöppeln, Kur-
beln, Häkeln, Applikation, Flachstich,
Kreuzstich, Lochstickerei, Festonieren,
Tambourieren, Macrame, Relief Stickerei,
Bildstickerei, Perlstickerei, Frivolitäten(!),
Filieren, Durchbrucharbeit, Knötchen-
arbeit, Bändchenarbeit (Point de lace),
A jour-Arbeit, Smyrnaarbeit, Tülldurch-
zug, Knüpfarbeit, Kelimarbeit, Har-
dangerarbeit, schließlich — Imitation
aller Handarbeitstechniken, die alle halb-
wegs kultivierten Völker der Erde bis
auf den heutigen Tag erfunden haben.
Die Folgen dieses Vielerlei sind recht
übel. Da man die Techniken, soweit
wie irgend angängig, alle nebeneinander
betreibt und in den Handarbeitsschulen
lehrt, so wird keine richtig ausgebildet
und die größte Verwirrung inbezug auf
Materialcharakter und Möglichkeiten des
Dekors angerichtet. Kaum weiß jemand
recht zu sagen, warum man mit irgend
einem bestimmten Material und in irgend
einer bestimmten Technik gerade so
und nicht anders wirken kann und darf,
und warum eine Aufgabe gerade diesen
und nicht irgend einen anderen Dekor
zuläßt. Die Schule, welcher die Pflicht
zufällt, die in der Familie verloren ge-
gangene Tradition zu ersetzen, kann
heute bei der geringen, für Handarbeiten
vorgesehenen Unterrichtszeit nur eine
mangelhafte, unzusammenhängende Un-
terweisung bieten. Auch für die Aus-
bildung der Handarbeitslehrerinnen
selbst ist die Zeit zu kurz bemessen.
Anderseits ist auch das Ausbildungs-
programm, das bis zur vollständigen
Anfertigung von Kleidern geht, viel zu
umfänglich. Für die Schule müßte die
Devise sein: non multa sed multum.
Sie hätte Einfaches und Weniges, dieses
aber vollständig, systematisch und zu-
sammenhängend ihren Schülerinnen
mitzuteilen. Die Techniken, die da ge-
zeigt werden, müssen als die Mittel zur
Erfüllung ganz bestimmter Forderungen
hingestellt und gleichzeitig muß volle
Klarheit über die elementaren räumlichen
Gesetze der Dekoration geschaffen wer-
den. Besonders wichtig ist es ferner,
darauf hinzuweisen, daß nicht vom
Ornament, sondern vom ganzen Stück
ausgegangen werden muß. Es ist
noch der große Fehler der meisten
modernen Handarbeiten, daß sie nicht
gearbeitete, sondern bearbeitete Sachen
sind. Die heute ganz allgemeine Tren-
nung von Stoff und Dekor gab es
 
Annotationen