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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Wallerstein, Victor: Anfänge einer neuen Architektur und Raumkunst in Prag
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0229

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222

NEUE ARCHITEKTUR UND RAUMKUNST IN PRAG


Ausstellungsraum

P. Janäk

wieweit sie das Alte überholen und Neues ankündigen.
n Nehmen wir das Jahr 1900 als den Zeitpunkt an,
wo der Aufschwung unseres Kunstgewerbes ein-
setzte, so müßte nach der früher ausgesprochenen
Hypothese seine Periode jetzt bald um sein. Und
wenn wir uns nicht täuschen, so lassen sich bereits
Anzeichen dafür erkennen. Schon versucht man, die
Theorien, die der Epoche als Grundlage dienten, ad
absurdum zu führen, und nichts liefert mehr Material
hierzu, als die Erzeugnisse selbst, die immer noch
aus ihnen heraus entstehen. Das untrügliche Zeichen
für das Absterben eines Stiles: er trocknet ein an
seinen eigenen zu Tode gehetzten Prinzipien. Es er-
tönt der Ruf nach Genies, man schreibt die Schuld
für den Mangel an solchen den Schulen zu, die durch
ihre glänzende Organisation nivellierend auf alle außer-
ordentliche Begabung wirken und vergißt dabei, daß
wir gar nicht öfter als alle 15 Jahre jene Genies
brauchen können, die »Glut der Hoffnung auf un-
erwartete Möglichkeiten« zum Schaffen treibt, ja daß
es geradezu Verdienst der Schulen war, uns trotz
Mangel an Genies zu guten Durchschnittsleistungen
zu verhelfen, und vor der sogenannt genialen Eigen-
brödelei der Halb- und Viertelstalente zu hüten.
Genie heißt: Richtung geben, so könnte man ein
Wort Nietzsches variieren; die Genies traten auf vor
ungefähr 15 Jahren, dann aber mußte man der Richtung
Zeit lassen, sich zu entwickeln. Sie hat sich ent-
wickelt, es kam die Zeit der Reife, und heute ist sie, fast
könnte man sagen bankerott. (? Red.) Das liegt weder
am Mangel von Genies, noch an der Uniformierung,
die der junge Mensch in einer Schule erfährt, das
liegt aber auch nicht an den Theorien, die die Be-
wegung getragen haben, sondern das liegt einfach in

jeder natürlichen Entwicklung. Die Theorien ver-
lieren ihren Anreiz, und auf dem Prinzip des Gegen-
satzes entwickeln sich aus ihnen jene Neuen, die zur
Basis für die Zukunft ausersehen sind. □
□ Die voraufgegangene Epoche hatte es sehr schwer.
Sie konnte an keine Tradition kontinuierlich anknüpfen,
ja sie besaß nicht einmal einen eigenen Stand, der
sich ihrer hätte annehmen können. Sie lieh sich die
Menschen aus angrenzenden Berufen und sie nahm,
statt einer fertigen Überlieferung künstlerischer Formen,
die Formen aus der realiter vor ihr blühenden Natur.
Das Publikum mußte man erst erinnern, daß es
etwas wie Kunst der eigenen Zeit und der eigenen
Bedürfnisse gab, und den Handwerker erst zu etwas
Rechtem erziehen. °
□ Die Verhältnisse liegen heute um vieles besser.
Heute braucht man nur an Vorhandenes anzuknüpfen,
ohne an den Grundpfeilern seiner Existenz allzu stark
zu rütteln. Die technische Tüchtigkeit ist da, das
Publikum wartet. □
p In der Malerei ist ein Umschwung schon voran-
gegangen. Er erscheint uns heute so durchgreifend
wie niemals zuvor, und wir dürfen uns nicht wundern,
wenn die Revolution in der Malerei auch auf die
Nachbargebiete der Architektur und des Kunstgewerbes
übergreift. Ja gerade dadurch, daß die Veränderungen
aus der Malerei kommen und gleichzeitig an ver-
schiedenen Orten in Erscheinung treten, bekommt die
Bewegung Gewicht. Wir dürfen sie nicht mehr
übersehen. Es tragen sie in der Zeit liegende Pro-
bleme, die aus der Negation der voraufgegangenen
und heute schon erfüllten, entstanden, sowohl die
Verbindung mit dem Vorhandenen hersteilen, als auch
die Grundlagen für Neues schaffen. o
 
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