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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Behne, Adolf: Das Monument des Eisens von Taut und Hoffmann auf der internationalen Baufachausstellung in Leipzig
DOI Artikel:
Segmiller, Ludwig; Breuer, Robert; Migge, Leberecht: Nachbemerkungen zur Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0095

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Tür ist in buntem Plattenmosaik eine feuerspeiende
Bessemer Birne dargestellt, die eine Arbeit von
Franz Mutzenbecher und eine sehr hochstehende
dekorative Leistung ist. Vom gleichen Künstler
stammt die Ausschmückung zweier Wandbrunnen
zwischen dem Vestibül und den angrenzenden Um-
gangsräumen und die Bemalung der Decken. Diese
ist nur in den ersten Abschnitten des Umganges er-
folgt und zwar unmittelbar auf die nackte Ziegelstein-
fläche, deren weiße Fugen zwischen den leichten
und freien Ranken und Blättern der Schablone stehen
blieben, ln den anderen Abschnitten des Umganges
ist die Bemalung ganz unterblieben; die Decken zeigen
das gesunde Rot und Weiß ihres Mauerwerks mit dem
starken Reiz des Sachlichen. Und vom gleichen Reiz
ist die schlanke, weitgeschwungene und doch knappe
Treppe, die vom Umgang in das Obergeschoß führt.
Das Obergeschoß enthält im Zentrum den aber-
mals achteckigen Kinoraum und einen konzentrischen
Umgang, der nur bis zur halben Höhe des Kino-
raumes emporgeführt ist. Indem nun gleichzeitig das
ganze Obergeschoß gegen das Erdgeschoß rückwärts
versetzt ist, entsteht ein treppenförmiger Aufbau des
Pavillons, der wie eine Stufenpyramide über Achteck-
grundriß erscheint. Es ist dann auf die dritte
Plattform, die, wohl aus Proportionsrücksichten auf
die unteren Geschoßhöhen, etwas tiefer liegt als der
höchste Punkt der Kinodecke, abermals ein kleinerer
achteckiger offener Aufbau gesetzt worden, der in
der Hauptsache als Gestell für eine vergoldete Riesen-
kugel von 9 m Durchmesser dient, die sich wie eine
Kuppel aus dem Gestell heraushebt, mit ihrer unteren,
umgekehrten und etwas abgeplatteten Wölbung aus
unvergoldetem Zinkblech aber den Schlußstein in der
Decke des Kmosaales bildet. Man hat rationalistisch
nach dem Zweck dieser Kugel gefragt. Ein ästhe-
tisches Gebilde wie dieser Kugelabschluß läßt sich
aber nicht vor dem Intellekte, sondern nur vor dem
Gefühl rechtfertigen, und mein Gefühl wenigstens hat
an dieser Kugel niemals Anstoß genommen. Sie
mischt dem Strengen etwas Lustiges bei, dem Kan-
tigen, Graden setzt sie ihre pralle, runde Wölbung
entgegen, und das Element des Überraschenden, das
sie etwa enthält, bedarf für einen Ausstellungsbau
nicht im geringsten einer Entschuldigung.

Der Kinoraum, in dem die Vorführungen bei
Tageslicht stattfinden, ist von einer außerordentlichen
Ruhe, zu der die stark betonte Horizontalteilung ebenso
sehr beiträgt wie die das Violett bevorzugende Farben-
wahl. Die untere fensterlose Zone des Raumes, nur
von drei relativ kleinen Türen durchbrochen, ist mit
violett gestrichenem Tuch bespannt, das in jedem
Felde eine außerordentlich geschmackvolle Rahmen-
ornamentik von Franz Mutzenbecher erhielt. Mutzen-
becher besorgte auch den schönen Vorhang und die
baldachinartige Draperie der Bühne, die wohl für einen
Tageskino im Interesse scharfer Bilder unentbehrlich
ist. Die obere Zone des Raumes besteht lediglich aus
den schlanken, schmalgeteilten Fenstern, deren Vor-
hänge gleichfalls violett sind. Darüber neigt sich
achteckig die Decke aus kassettierten Betonplatten zu-
sammen, in die sich von oben die konvexe Zink-
wölbung der Kugel hineindrückt, was ein ganz merk-
würdiger, ja faszinierender Anblick ist. Getragen
wird die Decke von acht geschwungenen Eisenträgern,
die sich aus den unteren Ecken des Raumes gegen
die Kugel zusammenbiegen. Das Eisen ist hier ge-
schmirgelt worden und hat dadurch einen silbrigen
Glanz erhalten, der mit nichts zu vergleichen ist.
Durchmesser und Höhe dieses Saales betragen 14 m.
Besonders schön und eindrucksvoll ist der 3 m
breite Umgang um den Kinoraum. Seine Schlankheit,
Reinheit und Helligkeit bleibt dem, der Architektur
erleben kann, im Gedächtnis.
Was diesen Ausstellungspavillon, dem Bruno Taut
seine beste Kraft gewidmet hat, aus allem Sonstigen
der Leipziger I. B.-A.-Architektur heraushob, ist die
einzige Liebe und Hingabe, mit der hier alles und
jedes durchgestaltet ist: die goldene Schrift, welche
die eisernen Friese der einzelnen Geschosse umzieht,
die Ornamentik des Hauptportals und des Fußbodens
im Vestibül, die Abmessungen des Treppenlaufes und
die Zusammenstimmung der Farben rot, gelb und
schwarz im Diaphaniensaal. (Leider geben die Photos
von der so wichtigen Farbe keinen Begriff.) Aber
das Schönste bleibt doch die wundervolle Lebendigkeit,
das Leichte und Freie, das diesen Ausstellungspavillon
ebenso sehr auszeichnet wie alle anderen Arbeiten
Bruno Tauts.

NACHBEMERKUNGEN ZUR INTERNATIONALEN BAUFACH-
AUSSTELLUNG IN LEIPZIG

1.
IE Leipziger Baufachausstellung war in ihren an-
gestrebten Zielen von großer Bedeutung für die neu-
zeitliche Entwicklung des architektonischen Schaffens.
Nichts Geringeres sollte sie sein als ein Merkstein in der
Baugeschichte und ein ab wägendes Verhältnis derheimischen
Leistungen auf diesem Gebiet aufzeigen gegenüber jenen
des Auslandes.
Daß diese Schau zu keiner »Internationalen« geworden
ist — denn nur Österreich war vertreten — liegt in der all-

gemeinen Ausstellungsmüdigkeit begründet, die In- und
Ausland erfaßt hat. Keinen Falles kann wegen dieses Um-
standes gegen die Leitung des Unternehmens, deren Be-
strebungen allgemein anerkannt sind, ein Vorwurf erhoben
werden. Eine andere Frage aber ist die, ob in Leipzig
solche Bestrebungen zur Durchführung gelangen konnten?
Es ist eine alte Erfahrung, daß sich Fachausstellungen nur
in jenen Städten einwandfrei durchführen lassen, die mit
dem Fach in organischer Verbindung stehen. Man kann
sich z. B. in Leipzig sehr wohl eine große internationale


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