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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Segmiller, Ludwig; Breuer, Robert; Migge, Leberecht: Nachbemerkungen zur Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0102
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DIE GÄRTEN DER IBA 1913 IN LEIPZIG

niemand anders als der Maler selbst seine Freude hat.
Denn ihn geht es auch an, ob in der Wirklichkeit diese
Dekorationsmalereien auf dem Dorfe auch bezahlt werden
könnten. Weil sie nicht mehr aus dem naiven auf Formen
und Farben gerichteten Spieltrieb entspringen, kann nicht
der erste beste Dorftiincher damit betraut werden; es ge-
hört ein gut ausgebildeter, doch nicht verbildeter Maler
dazu, und dieser muß unter anderen Lohnbedingungen
schaffen, als die sind, in denen jene alten Bauernmalereien
in der Heimarbeit oder beim Dorfschreiner entstanden sind;
in den seltensten Fällen sind ja eigentlicheMaler ihre Urheber
gewesen. Hier im Dörfchen waren die Maler Howard, Kieß-
ling, Michaelis, Stumpf und Florst Schulze tätig gewesen.
Im Dörfchen war eine Kirche in annähernd sächsischem
Typus gebaut, deren Holzplafond nach dem Vorbild
anderer alter sächsischer Kirchen bemalt war, Prof. Horst
Schulze wurde als Urheber genannt. Diese Malereien, wenn
auch archaisierend in der Form und Auffassung, waren als
Dekorationsmalereien vortrefflich; ob nicht auch für eine
Dorfkirche von heute, wenn sie gebaut wird, sich Deko-
rationsmotive finden ließen, die weniger sich an die Richt-
schnur des Kirchlich-Traditionellen halten, das ja weder
im religiösen Inhalt noch im Symbol kaum ernst genommen
wird, bleibe dahingestellt. Leider hatte ein Dekorationsmaler
zwischen die feinen Füllungsbilder Horst Schulzes an den
Emporenwänden sehr böse ornamentale Klexereien gesetzt.
Damit sind wir auch in das Gebiet der Dekorations-
malerei als Ausstellungsgegenstand gekommen. Die Raum-
kunstabteilung freilich ließ uns, wenn wir in ihr nach an-
gewandten Dekorationsmalereien suchen wollten, ganz im
Stich, und ich glaube nicht, daß daran nur der unfertige
Zustand, in dem ich diese Abteilung angetroffen habe,
schuld ist.

Somit scheint es, als ob die Dekorationsmaler diese
Baufachausstellung als Gelegenheit, ihren Beruf zu propa-
gieren, zu wenig benutzt hätten. Es war verhältnismäßig
eine schwache Ausgleichung dieses Fehlers, wenn in der der
Ausstellung benachbarten und teilweise zu ihr gehörenden
Gartenstadt Marienbrunn die Kleinfamilienhäuser ange-
wandte Stubenmalerei zeigten: weiße Decken und farbig
gestrichene Wände, gemustert und mit einer Abschluß-
borde versehen. Manche dieser Zimmer waren gut in
der Farbe, manche dagegen outrierten stark nach architek-
tonischen Sensationen im Kleinen, quadratmetergroße
knallrote Vestibülchen ohne Rücksicht darauf, daß diese
delikate Färbung im Gebrauch schon nach ganz kurzer
Zeit an ihrem Reiz eingebüßt haben wird, und daß die
unvermeidlichen Beschädigungen des Wandverputzes schon
bei der nächsten Erneuerung, die nicht auf sich warten
läßt, zum Ersatz des dekorativen Wandanstrichs durch
Linkrusta, Fliesenbelag usw. führen werden. Aber das
sind Mißgriffe, die sich selbst korrigieren, wenn nur erst
einmal wieder das Interesse an der farbigen Behandlung
der Wohnräume beim Publikum selbst erwacht ist. Und
dazu übt nichts mehr einen nachhaltigeren Reiz aus, als
das eigene Heim. Nichts ist vielleicht mehr an der Deroute
der Dekorationsmalerei schuld, als die Mietskaserne; obwohl
sie in ihren jungen Jahren der Gründerzeit das Maler-
gewerbe großgezogen hat, ist sie ihm doch, wie eine treu-
lose Mutter nicht hold geblieben. Für die Mietswohnung
im Großwohnhause wendet der Besitzer nur bei einem
Wohnungswechsel das Allernotwendigste an Malerarbeiten
an, der Mieter aber in der Regel gar nichts mehr und so
hat die Mietskaserne, in dem Maße, als sie die reguläre
Wohnungsform der Groß- und Mittelstädte wurde, den
Maler wieder hinausgeworfen; die geweißte Decke und

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