zugeschickt worden, und alle waren mit einer fertigen
Formulierung dessen, was sie dazu zu sagen hatten, nach
Köln gekommen. Auch Van de Velde hatte nur nach
Kenntnis dieser Leitsätze seine Gegenleitsätze formuliert,
in denen er, ebenso scharf und kantig und mit dem ihm
eigenen feurigen Temperament, die Forderung des abso-
luten, freien, um keine Rücksichten des Exports bekümmerten
künstlerischen Schaffens aufstellte, die anzutasten Muthesius
niemals in den Sinn gekommen war. Bis hierher konnte
man allen Beteiligten den guten Glauben an ihre Worte
zugestehen und ihnen die Verteidigung ihrer vermeintlich
gefährdeten künstlerischen Interessen zugute halten. Anders
wurde es, als ein, den weitesten Kreisen unbekannter Herr
C. A. Reichel aus Salzburg hinter Van de Velde aufstand
und dessen gutgeglaubter Sache einen schlechten Dienst
erwies, indem er später schlankweg von der durch
Muthesius aufgestellten Forderung eines »Kanons« sprach,
obwohl er selbst einleitend gesagt hatte, daß die »Typi-
sierung der Form«, der »Kanon«, »noch nicht dekretiert«
worden sei. Wie sehr das fälschlich in die Debatte ge-
schmuggelte Wort »Kanon« die Künstler aufregte — sehr
mit Recht ist jeder Kanon, das ist nämlich die Bindung
des freien Geistes durch ein Schema, ein rotes Tuch für
schaffende Künstler —, bewies, daß nun andere Redner
sich dadurch verleiten ließen, einen Kanon als durch
Muthesius gefordert zu glauben; immerhin hoben sich ihre
Äußerungen sehr vorteilhaft ab von dem kalten Pathos
ihres unheilvollen Beschützers Reichel.
Im übrigen brachte die Diskussion meines Erachtens
manche unvergänglichen Worte über künstlerisches Schaffen,
die ohne den gehaltvollen Vortrag Muthesius’ ungesprochen
geblieben wären. In der Hitze des Gefechtes blieb der
monumental aufgebaute Schlußvortrag von Friedrich Nau-
mann, der alle volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten wieder
fest und sicher auf die Beine stellte, leider nicht genug
beachtet! Die Anschaffung des für 1 Mark von Eugen
Diederichs in Jena oder vom D. W. B. zu beziehenden
stenographischen Protokolls sei deshalb sehr empfohlen ! Red.)
Köln. Der 24. Delegiertentag des Verbandes deutscher
Kunstgewerbevereine wurde am 2. Juli im Saale der Farben-
schau der Kölner Werkbund-Ausstellung durch den Vor-
sitzenden Geh. Regierungsrat Dr.-ing. Muthesius - Berlin
eröffnet, der die Vertreter der Behörden sowie die Dele-
gierten mit herzlichen Worten begrüßte. Der Vertreter
des preußischen Handelsministers, Geh. Regierungsrat
Dr. Hoffmann, wünschte den Verhandlungen zugleich im
Namen der anderen Herren Regierungsvertreter besten
Verlauf. Beigeordneter Rehorst-Kö\n übermittelte im Namen
des Oberbürgermeisters Wallraf den Willkommengruß der
Stadt Köln, die beso deren Wert auf die Förderung der
Kunstgewerbeschule legt und auf deren Handelshochschule
Vorlesungen über kunstgewerbliche Fragen in Industrie und
Handel eingeführt sind. Präsident Figge, der mit dem Syn-
dikus Sommerhäuser erschienen war, wünschte als Vertreter
der Handwerkskammer Köln der Tagung reichen Erfolg.
Zur Leitung des Delegiertentags wurden durch Zuruf
die Herren Geheimrat Muthesius-BerUn, Baumeister Kaaf-
Köln, Prof. Dr. Lehnert und Bibliothekar Wittmann-Kö\n
gewählt. Vertreten waren von 42 dem Verbände ange-
schlossenen Vereinen mit 56 Stimmen volle 4S Stimmen.
Nachdem sodann der Vorsitzende den Bericht des Ver-
bandsvorstandes und Prof. Lehnert den Kassenbericht er-
stattet hatten, folgten die Berichte der Verbandsausschüsse.
Der Ausschuß für die Oebiihren-Ordnung beantragte, die
bereits im Vorjahre angenommene Gebühren-Ordnung mit
den inzwischen ausgearbeiteten Beispielen endgültig zu
genehmigen, was mit Einstimmigkeit erfolgte. Bezüglich
der Wettbewerbs-Ordnung wurde auf Antrag des zuständigen
Verbandsausschusses beschlossen, den bereits hierfür aus-
gearbeiteten Entwurf nochmals im Zusammenhang mit den
in jüngster Zeit erschienenen und zum Teil von Behörden
genehmigten Wettbewerbsbestimmungen für die Architekten
und Bildhauer nochmals durchzuarbeiten, so daß der
nächstjährige Vertretertag die Sache endgültig zu erledigen
habe. Gemäß Antrag des Verbandsausschusses für die
Schiedsgerichts-Ordnung wurde beschlossen, dem neuge-
gründeten deutschen Verband für Schiedsgerichtswesen bei-
zutreten.
Auf Antrag des Ausschusses für die Frage der Privat-
schulen wurden die vom Aachener Gewerbeschultag ange-
nommenen Leitsätze unter Streichung der Absätze 3 a und
3 c, sowie der Worte »oder kunstgewerbliche« in Absatz 5b
genehmigt; es wurde herbeigewünscht, daß die deutschen
Gewerbeschuhnänner mit den Kunstgewerbevereinen in
dieser Frage Zusammengehen.
Ferner wurde auf Antrag Weiß-Berlin noch folgender
Antrag des Verbandsausschusses angenommen: »Die Kunst-
gewerbevereine zu ersuchen, die Lehrerschaft und die Be-
ratungsstellen für die Berufswahl zur Aufklärung der
Jugend zu interessieren, sie auf die städtischen und staat-
lichen Schulen für ihre weitere Berufsbildung hinzuweisen
und sie vor der irreführenden Reklame von privaten Schulen
mit unzureichenden Leistungen zu warnen. Eine kurz-
gefaßte Flugschrift soll diesen Akt der Selbsthilfe unter-
stützen.«
Die Frage der Ausbildung weiblicher Lehrlinge wurde
bis zum nächstjährigen Delegiertentag zurückgestellt.
Folgender Antrag des zuständigen Ausschusses ge-
langte noch zur einstimmigen Annahme: »Der Verband
möge seinen Ausschuß ersuchen, die Notwendigkeit einer
erhöhten Allgemeinbildung für kunstgewerbliche Berufe in
nähere Beratung zu ziehen.«
Der Antrag des Verbandsvorstandes auf Beitritt des
Werkbundes zürn Verbände und auf Beitritt des Verbandes
zum Werkbunde gelangte nach längerer Aussprache mit er-
drückender Mehrheit gegen eine Stimme zur Annahme. Der
Antrag des Elsaß-Lothringischen Kunstgewerbevereins zu
Straßburg, der vom Referenten A. Herborth vertreten wurde,
auf Errichtung einer Zentralstelle zur Förderung der Volks-
kunstbestrebungen, wurde demVerbandsausschußzur weiteren
Bearbeitung überwiesen.
Zur Frage der Honorierung künstlerischer Forderungen,
über die Professor Karl Groß berichtete, wurde folgender
Antrag des Dresdener Kunstgewerbevereins gutgeheißen:
»Der Verbandsausschuß möge beauftragt werden, die Frage
zu klären, inwieweit die Verpflichtung der Künstler, für
Veröffentlichungen Honorar zu fordern, die kunstgewerb-
liche Praxis beeinflussen wird.«
Professor Dr. Lehnert erstattete dann das ausführliche
Referat des Vereins für deutsches Kunstgewerbe zu Berlin
über »Praktische Beispiele aus dem Rechtsleben des Kunst-
gewerblers« unter besonderer Hervorhebung der Schwierig-
keiten, welche sich der gesetzlichen Verfolgung von Dieb-
stahl an geistigem Eigentum, von Fälschungen usw. ent-
gegenstellen. Redner kam zu folgenden Schlußsätzen:
1. An sich entsprechen Geschmacksmustergesetz und
Kunstschutzgesetz den Anforderungen, die das Kunst-
gewerbe an den gesetzlichen Schutz des geistigen Eigen-
tums stellen muß. Aber die Kenntnis der Gesetze und
ihrer Anwendungsmöglichkeiten läßt noch zu wünschen
übrig; sie zu fördern, wäre Aufgabe der Kunstgewerbe-
vereine.
2. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bietet
in Verbindung mit dem Bürgerlichen Gesetzbuche jede not-
wendige Handhabe zum Vorgehen gegen unstatthafte Kon-
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Formulierung dessen, was sie dazu zu sagen hatten, nach
Köln gekommen. Auch Van de Velde hatte nur nach
Kenntnis dieser Leitsätze seine Gegenleitsätze formuliert,
in denen er, ebenso scharf und kantig und mit dem ihm
eigenen feurigen Temperament, die Forderung des abso-
luten, freien, um keine Rücksichten des Exports bekümmerten
künstlerischen Schaffens aufstellte, die anzutasten Muthesius
niemals in den Sinn gekommen war. Bis hierher konnte
man allen Beteiligten den guten Glauben an ihre Worte
zugestehen und ihnen die Verteidigung ihrer vermeintlich
gefährdeten künstlerischen Interessen zugute halten. Anders
wurde es, als ein, den weitesten Kreisen unbekannter Herr
C. A. Reichel aus Salzburg hinter Van de Velde aufstand
und dessen gutgeglaubter Sache einen schlechten Dienst
erwies, indem er später schlankweg von der durch
Muthesius aufgestellten Forderung eines »Kanons« sprach,
obwohl er selbst einleitend gesagt hatte, daß die »Typi-
sierung der Form«, der »Kanon«, »noch nicht dekretiert«
worden sei. Wie sehr das fälschlich in die Debatte ge-
schmuggelte Wort »Kanon« die Künstler aufregte — sehr
mit Recht ist jeder Kanon, das ist nämlich die Bindung
des freien Geistes durch ein Schema, ein rotes Tuch für
schaffende Künstler —, bewies, daß nun andere Redner
sich dadurch verleiten ließen, einen Kanon als durch
Muthesius gefordert zu glauben; immerhin hoben sich ihre
Äußerungen sehr vorteilhaft ab von dem kalten Pathos
ihres unheilvollen Beschützers Reichel.
Im übrigen brachte die Diskussion meines Erachtens
manche unvergänglichen Worte über künstlerisches Schaffen,
die ohne den gehaltvollen Vortrag Muthesius’ ungesprochen
geblieben wären. In der Hitze des Gefechtes blieb der
monumental aufgebaute Schlußvortrag von Friedrich Nau-
mann, der alle volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten wieder
fest und sicher auf die Beine stellte, leider nicht genug
beachtet! Die Anschaffung des für 1 Mark von Eugen
Diederichs in Jena oder vom D. W. B. zu beziehenden
stenographischen Protokolls sei deshalb sehr empfohlen ! Red.)
Köln. Der 24. Delegiertentag des Verbandes deutscher
Kunstgewerbevereine wurde am 2. Juli im Saale der Farben-
schau der Kölner Werkbund-Ausstellung durch den Vor-
sitzenden Geh. Regierungsrat Dr.-ing. Muthesius - Berlin
eröffnet, der die Vertreter der Behörden sowie die Dele-
gierten mit herzlichen Worten begrüßte. Der Vertreter
des preußischen Handelsministers, Geh. Regierungsrat
Dr. Hoffmann, wünschte den Verhandlungen zugleich im
Namen der anderen Herren Regierungsvertreter besten
Verlauf. Beigeordneter Rehorst-Kö\n übermittelte im Namen
des Oberbürgermeisters Wallraf den Willkommengruß der
Stadt Köln, die beso deren Wert auf die Förderung der
Kunstgewerbeschule legt und auf deren Handelshochschule
Vorlesungen über kunstgewerbliche Fragen in Industrie und
Handel eingeführt sind. Präsident Figge, der mit dem Syn-
dikus Sommerhäuser erschienen war, wünschte als Vertreter
der Handwerkskammer Köln der Tagung reichen Erfolg.
Zur Leitung des Delegiertentags wurden durch Zuruf
die Herren Geheimrat Muthesius-BerUn, Baumeister Kaaf-
Köln, Prof. Dr. Lehnert und Bibliothekar Wittmann-Kö\n
gewählt. Vertreten waren von 42 dem Verbände ange-
schlossenen Vereinen mit 56 Stimmen volle 4S Stimmen.
Nachdem sodann der Vorsitzende den Bericht des Ver-
bandsvorstandes und Prof. Lehnert den Kassenbericht er-
stattet hatten, folgten die Berichte der Verbandsausschüsse.
Der Ausschuß für die Oebiihren-Ordnung beantragte, die
bereits im Vorjahre angenommene Gebühren-Ordnung mit
den inzwischen ausgearbeiteten Beispielen endgültig zu
genehmigen, was mit Einstimmigkeit erfolgte. Bezüglich
der Wettbewerbs-Ordnung wurde auf Antrag des zuständigen
Verbandsausschusses beschlossen, den bereits hierfür aus-
gearbeiteten Entwurf nochmals im Zusammenhang mit den
in jüngster Zeit erschienenen und zum Teil von Behörden
genehmigten Wettbewerbsbestimmungen für die Architekten
und Bildhauer nochmals durchzuarbeiten, so daß der
nächstjährige Vertretertag die Sache endgültig zu erledigen
habe. Gemäß Antrag des Verbandsausschusses für die
Schiedsgerichts-Ordnung wurde beschlossen, dem neuge-
gründeten deutschen Verband für Schiedsgerichtswesen bei-
zutreten.
Auf Antrag des Ausschusses für die Frage der Privat-
schulen wurden die vom Aachener Gewerbeschultag ange-
nommenen Leitsätze unter Streichung der Absätze 3 a und
3 c, sowie der Worte »oder kunstgewerbliche« in Absatz 5b
genehmigt; es wurde herbeigewünscht, daß die deutschen
Gewerbeschuhnänner mit den Kunstgewerbevereinen in
dieser Frage Zusammengehen.
Ferner wurde auf Antrag Weiß-Berlin noch folgender
Antrag des Verbandsausschusses angenommen: »Die Kunst-
gewerbevereine zu ersuchen, die Lehrerschaft und die Be-
ratungsstellen für die Berufswahl zur Aufklärung der
Jugend zu interessieren, sie auf die städtischen und staat-
lichen Schulen für ihre weitere Berufsbildung hinzuweisen
und sie vor der irreführenden Reklame von privaten Schulen
mit unzureichenden Leistungen zu warnen. Eine kurz-
gefaßte Flugschrift soll diesen Akt der Selbsthilfe unter-
stützen.«
Die Frage der Ausbildung weiblicher Lehrlinge wurde
bis zum nächstjährigen Delegiertentag zurückgestellt.
Folgender Antrag des zuständigen Ausschusses ge-
langte noch zur einstimmigen Annahme: »Der Verband
möge seinen Ausschuß ersuchen, die Notwendigkeit einer
erhöhten Allgemeinbildung für kunstgewerbliche Berufe in
nähere Beratung zu ziehen.«
Der Antrag des Verbandsvorstandes auf Beitritt des
Werkbundes zürn Verbände und auf Beitritt des Verbandes
zum Werkbunde gelangte nach längerer Aussprache mit er-
drückender Mehrheit gegen eine Stimme zur Annahme. Der
Antrag des Elsaß-Lothringischen Kunstgewerbevereins zu
Straßburg, der vom Referenten A. Herborth vertreten wurde,
auf Errichtung einer Zentralstelle zur Förderung der Volks-
kunstbestrebungen, wurde demVerbandsausschußzur weiteren
Bearbeitung überwiesen.
Zur Frage der Honorierung künstlerischer Forderungen,
über die Professor Karl Groß berichtete, wurde folgender
Antrag des Dresdener Kunstgewerbevereins gutgeheißen:
»Der Verbandsausschuß möge beauftragt werden, die Frage
zu klären, inwieweit die Verpflichtung der Künstler, für
Veröffentlichungen Honorar zu fordern, die kunstgewerb-
liche Praxis beeinflussen wird.«
Professor Dr. Lehnert erstattete dann das ausführliche
Referat des Vereins für deutsches Kunstgewerbe zu Berlin
über »Praktische Beispiele aus dem Rechtsleben des Kunst-
gewerblers« unter besonderer Hervorhebung der Schwierig-
keiten, welche sich der gesetzlichen Verfolgung von Dieb-
stahl an geistigem Eigentum, von Fälschungen usw. ent-
gegenstellen. Redner kam zu folgenden Schlußsätzen:
1. An sich entsprechen Geschmacksmustergesetz und
Kunstschutzgesetz den Anforderungen, die das Kunst-
gewerbe an den gesetzlichen Schutz des geistigen Eigen-
tums stellen muß. Aber die Kenntnis der Gesetze und
ihrer Anwendungsmöglichkeiten läßt noch zu wünschen
übrig; sie zu fördern, wäre Aufgabe der Kunstgewerbe-
vereine.
2. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bietet
in Verbindung mit dem Bürgerlichen Gesetzbuche jede not-
wendige Handhabe zum Vorgehen gegen unstatthafte Kon-
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