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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Zeitler, Julius: Kunstgewerbe und Buchkunst auf der internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik, Leipzig 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0229

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sogar der Mittelpunkt des Weltbuchhandels genannt
werden. Nahezu 12400 Buchhandlungen haben hier
ihre Vertretung, die Bücherwerte, die 1913 über Leipzig
zum Versand kamen, betrugen über 67 Millionen kg.
Mit über 5000 jährlich erscheinenden Werken steht
Leipzig mit an der Spitze der Verlagsproduktion, dem
Werte nach überhaupt an erster Stelle. Endlich sind
sämtliche buchgewerblichen Organisationen in Leipzig
zentralisiert, vom Buchhändlerhaus über das Buch-
gewerbemuseum bis zur Deutschen Bücherei, welch
letztere, ganz besonders dem deutschen Verlagsbuch-
handel zu verdankende Gründung die Stellung Leipzigs
als Vorort des Buchgewerbes geradezu besiegelt hat.
So konnte keine andere Stadt so gute Vorbedingungen
für die Veranstaltung einer solchen Ausstellung bieten,
wie Leipzig.
Der Plan einer Weltschaii des Buchgewerbes an
diesem Orte reicht weit zurück. Schon in den acht-
ziger Jahren hatte der damalige Centralverein für das
gesamte Buchgewerbe, aus dem sich später der Deutsche
Buchgewerbeverein entwickelte, sie ins Auge gefaßt.
1910 nahm die Absicht greifbarere Gestalt an. Es galt,
das auf 1914 fallende 150 jährige Jubiläum der erst
neuerlich reorganisierten Leipziger Akademie für
graphische Künste und Buchgewerbe würdig zu feiern,
und dieser Gedanke einer Huldigung für das ehr-
würdige, mit den gesamten Interessen des Buchgewerbes
und der graphischen Industrien so eng verflochtene
Institut wurde auch der fruchtbare Ausgangspunkt für
die großartige Weltschau, wie sie sich heute unter
dem Präsidium Volkmanns dem Auge darbietet.
Die Iba des Jahres 1913, die Internationale Baufach-
ausstellung, an der leider so wenig international war,
wird noch in vieler Erinnerung sein. Auf dem
gleichen Gelände, anschließend an die buchindustriellen
Quartiere Leipzigs, erstreckt sich auf historischem blut-
getränkten Boden zu Füßen des wuchtigen ernsten
Völkerschlachtdenkmals die Bugra. Wo vor einem
Säkulum die eisernen W ürfel rollten, wo unter so schweren
Opfern um die nationale Befreiung gerungen wurde,
da breitet sich heute ein imposantes Reich des Geistes,
ein Friedenswerk im höchsten Sinne, eine Schau der
Hochkultur und des Geistes unter Teilnahme aller
Völker aus. Zugleich ist die Bugra eine Fachaus-
stellung allerersten Ranges; das Problem der Sonder-
aussstellungen ist durch sie entschieden; die Ära der
alles umfassen wollenden Weltausstellungen dürfte
durch sie der Vergangenheit angehören. So erheben
sich heute auf dem 400000 Quadratmeter großen
Gelände insgesamt 84 Pavillons, davon sind 16 offi-
zielle ausländische Staatspaläste, 7 geräumige Sonder-
ausstellungen, die Hauptindustriehalle bedeckt 20000
Quadratmeter, ebensoviel die drei Maschinenhallen.
Um einen Begriff von dem Gesamtinhalt der Aus-
stellung zu geben, wird für die Zwecke des Kunst-
gewerblers über einen summarischen Überblick nicht
hinausgegangen werden dürfen. Ein solcher sei also
vorangeschickt. Dagegen muß dann auf das Städfe-
baukiinstterische, auf das Architektonische der Aus-
stellung breiter eingegangen werden, einschließlich der
Gebäude der fremden Staaten, das hauptsächliche

Interesse muß dann doch dem künstlerischen Buch-
gewerbe gelten, wie es in den Hallen gezeigt wird,
mit vielen ausgezeichneten Innenausstattungen kunst-
gewerblicher Kräfte, die für die Buchkunst, die Buch-
binderei, das Schriftgewerbe den künstlerischen Rahmen
bildeten. Endlich sei auch den buchgewerblichen
Leistungen der Fachschulen ein Wort gegönnt. Keine
allgemeine Führung, sondern eine Heraushebung der
speziellen kunstgewerblichen Darbietungen und Er-
zeugnisse, wie es im Interesse einer Kunstgewerbe-
zeitschrift liegt, ist die Aufgabe.
Die glückliche Gesamtanlage der Ausstellung, die
in ihrem Skelett schon von der Iba her bekannt ist.
erweist sich auch heuer. Die regelmäßige Ausdehnung
des Geländes gestattete eine glückliche Verteilung der
Hauptgebäude. Dem südlichen Haupteingang, von
der Russischen Kirche her, sind Pylonen vorgelagert,
die als Auftakt des Empfangs für den Besucher sehr
günstig wirken. Die Straße des 18. Oktobers hinauf
schweift dann der Blick an Zypressenwänden entlang
über ein buntes Blumenparterre zur Freitreppe mit
ihren Säulenhallen, über denen als unvergleichlicher
Blickpunkt das Monument der Völkerschlacht ragt.
Wo auf der Iba »Alt-Leipzig« stand, erstrecken sich
heute die Bauten der Papierindustrie, der Pavillon
»Schule und Buchgewerbe«, der »Palast der Nati-
onen«, sämtlich Bauten von sehr anerkennenswerter
architektonischer Durchbildung, vor allem ist der letzt-
erwähnte Bau durch seine ausgezeichnete Gliederung
und seinen imposanten Dachcharakter bemerkenswert.
Einen ganz neuen Anblick gewährt die »Völkerstraße«.
Hier erheben sich das österreichische und das sächsi-
sche Staatsgebäude, die Bauten Rußlands, Englands,
Frankreichs, Italiens. Während die Ausstellungsbauten
im allgemeinen den reinen Zweckmäßigkeitscharakter
an sich tragen, der ihrer Bestimmung so sehr entspricht,
sind das österreichische und das sächsische Haus von
Stilanklängen nicht frei; ihre einfache sympathische
Schönheit siegt aber gegenüber den rein historischen
Ausstellungsattrappen, die von den fremden Staaten
an diese Straße gestellt worden sind: es macht den
Eindruck, als hätten diese Länder, unter ganz erheb-
lichen Kosten, wie anerkannt sei, auch ihre nationalen
Stile mit zur Ausstellung bringen wollen; die Ge-
legenheit, ein Entstehen neuer Stile zu zeigen, blieb
von ihnen ungenützt; freilich, auch wir glauben, Mün-
chener Biedermeier und preußisches Barock exportieren
zu müssen, wenn wir im Auslande ausstellen. So
stellt Rußland breit und wuchtig eine mit mittelalter-
licher OrnamentiküberladeneNachbildung des Moskauer
Kremls hin. Das Haus überrascht dann wieder durch
die Großräumigkeit der inneren Hallen, die ahnen
läßt, daß der Russe mit einem ganz anderen Raum-
begriff arbeitet, als der Westeuropäer. England er-
richtete sein Staatsgebäude im Tudorstil, mit gotischen
Zinnen und Toren, einem Turm und einem Vorhof,
in dessen großsteinigem Pflaster ebenso wie in dem
nebenanliegenden Garten ein strenger englischer histo-
rischer Stil zum Ausdruck gelangt. Frankreich baute
sich einen vornehmen Palast im Louis seize-Stil, ein
prächtiges Haus, fein abgewogen in den Verhältnissen,

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