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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Doenges, Willy: Hugo Erfurth
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0043

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HUGO ERFURTH

VON HOFRAT DOENOES-DRESDEN

ES mag jetzt etwa zwanzig Jahre her sein, daß
die Photographie in Deutschland künstlerische
Bedeutung gewonnen hat. Künstlerische Ab-
sichten hat sie ganz gewiß auch schon vor dieser
Zeit gehabt; es hat schon unter den ältesten Berufs-
photographen Männer gegeben, die bestrebt waren,
das Mechanische einer photographischen Aufnahme
künstlerisch zu korrigieren, vor allem im Positivdruck,
aber auch bereits in der Behandlung des Negativs.
Aber alle Bestrebungen solcher Art konnten zu keinen
vollen, augenfälligen Erfolgen führen, so lange die
Photographie ihren fast rein gewerblichen Charakter
behielt. Wer photographierte denn in den ersten An-
fängen dieser Technik und bis hinauf in die achtziger
Jahre des vorigen Jahrhunderts? Zumeist Berufs-
photographen. Und was photographierte man? In
der Hauptsache, auf Bestellung, Bildnisse, nur ganz
nebenher, zumeist auch nicht aus künstlerischen Im-
pulsen heraus, Landschaften, Interieurmotive und genre-
artige Vorwürfe. So kam es, daß der Photograph,
der Berufsphotograph, nur sich, nicht der photo-
graphischen Kunst, nützte, wenn er seine Form zu
verbessern suchte, wenn er trachtete, seinen photo-
graphischen Aufnahmen, sei es in der Negativbehand-
lung oder beim Druck, soviel wie möglich das
Mechanische zu nehmen und dafür Künstlerisches zu
geben.

Ohne die Mithilfe der Amateure würde dieses
Künstlerische freilich kaum jemals in dem Maße ge-
weckt worden sein, wie es geweckt worden ist. Es
gehörten, um die Photographie aus einer Technik in
eine Kunst zu wandeln, Augen hierher, die den Gegen-
stand, den eine photographische Platte festhalten soll,
anders sahen, als ihn früher die Augen der Berufs-
photographen betrachteten. Die manuellen Fertigkeiten
in der Behandlung einer photographischen Platte bei
der Belichtung und späteren technischen Bearbeitung
sind die kleineren Erfordernisse für den Photographen;
das Entscheidende bleibt die künstlerische Erfassung
des Objekts und die Fähigkeit, die Tonwerte des
Lichts aufzufinden, die der Photograph, wenn er
künstlerische Ergebnisse erzielen will, ebenso not-
wendig zu seinem Besitz machen muß wie der Maler
die Valeurs der Farbe. Denn die Tonwerte des Lichts
sind für ihn die Farbenvaleurs. Diesen und auch
den anderen Besitz, nämlich die künstlerische Erfassung
des Objekts haben ihm die Amateure zugetragen. Zu-
erst sah er deren Arbeiten mit geringschätzigem
Lächeln an. Und er konnte das auch, soweit die
rein technische Fertigkeit in diesen Arbeiten zu be-
urteilen war. Es fehlte mancherlei in ihnen, was er
weit besser zu machen verstand. Aber als dann die
Amateure mit der Zeit ihm ebenbürtig an technischer
Fertigkeit wurden, sah er, daß sie das besaßen, was
den seinen fehlte: der Zug ins Künstlerische, das
Malerische der Erscheinung im Sinne des Farbigen
in der Malerei.

Es war sehr zum Heile der Berufsphotographie,
daß sie selbstkritisch genug war, um den Anschluß
an die Amateurphotographie zu suchen. In Deutsch-
land geschah das im Jahre 1893, und zwar als Folge
der ersten internationalen Ausstellung von Liebhaber-
photographien in der Kunsthalle zu Hamburg.

Aber auch von den Malern lernten die Photo-
graphen. Es mag nun etwa auch zwanzig Jahre her
sein, seit die Malerei sich endlich und endgültig los-
sagte vom Atelierlicht, ihre Staffeleien ins weite Land
hinaustrug und sich nicht scheute, ein Menschen-
bildnis im flimmernden Sonnenlicht zu malen. Die
Photographen hatten sich bis dahin mit derselben
Hartnäckigkeit wie die Maler gegen jeden frischen
Luftzug, gegen alles natürliche Licht abgeschlossen
und Puppengesichter und geposte Figurenbilder in
die Welt hinausgesandt. Nun fingen auch sie an,
ihr Objekt mit künstlerischerem Blicke zu betrachten;
sie verzichteten mehr und mehr auf die Retusche, die
bereit war, aus dem Antlitz eines Sechzigjährigen das
eines Dreißigjährigen zu machen; sie ließen von der
unkünstlerischen Staffage, von der hergebrachten Be-
leuchtung — kurz, von all dem Beiwerk, das bisher
ihre Stärke ausgemacht hatte und ihnen mindestens
ebenso wichtig erschienen war wie der Kopf des
Mannes oder der Frau, die im Bilde festgehalten werden
sollten.

Von den Amateuren freilich, die nun zu Lehr-
meistern der Berufsphotographen wurden, schössen
viele über das Ziel hinaus, das der Photographie er-
reichbar ist. Sie wollten mehr aus ihr machen, als
sie künstlerisch zu geben imstande ist; sie wollten
sie zu einer Vollkunst erheben, die allen Ernstes
mit der Kunst der Malerei in Wettbewerb treten
sollte. Das kann die Photographie nicht, wenn sie
nicht auf ihre besten Eigenschaften verzichten soll,
auf diejenigen Eigenschaften, die sie geradezu vor der
Malerei voraus hat: Exaktheit und Präzision. So ver-
dienstvoll an sich das Bestreben war, die harten Kon-
turen und schneidenden Schärfen der früheren Bildnis-
und Landschaftsphotographie in weiche Übergänge
umzuwandeln, so verkehrt war es, dieses Bestreben
nach künstlerischer Rundung des Objekts in ein
anderes Extrem verfallen zu lassen: nämlich in die
Auflösung aller Konturen, in ein charakterloses Ver-
wischen aller entscheidenden Linien.

Hier war es wieder den Berufsphotographen vor-
behalten, die Extravaganzen der Liebhaberphotographen
zu korrigieren; als die größeren Techniker und die,
von denen ein ähnliches Bild verlangt wird, besitzen
sie in höherem Maße als die Amateure das wichtige
Mittel objektiver Beurteilung des Modells.

Die Zahl der deutschen Berufsphotographen, die
heute im Bildnis zu jenem Grade künstlerischer Voll-
endung emporgewachsen sind, der uns ein photo-
graphisches Porträt mit demselben ästhetischen Ver-
gnügen betrachten läßt wie ein Werk der Malerei,

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