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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Doenges, Willy: Hugo Erfurth
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0047

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ist noch nicht allzugroß, wiewohl Deutschland — das
zeigte die internationale photographische Ausstellung
Dresden 1909 — im Augenblicke ganz zweifellos mit an
der Spitze aller kunstphotographischen Betätigung steht.
Welche Namen man hier immer auch nennen mag —
in ihrer Reihe darf der Hugo Erfurths nicht fehlen,
der seit etwa 15 Jahren in Dresden als selbständiger
Lichtbildner wirkt. Obwohl er durchaus der jüngeren
Generation der Kunstphotographen zuzuzählen ist, hat
er seine erste Ausbildung noch durchaus im Sinne der
älteren Atelierphotographie erhalten. Da sah er die
Arbeiten der Mitglieder des Wiener Kameraklubs, vor
allem diejenigen Hans Watzeks, Kuhns und Friedrich
Spitzers, die als erste mit versucht hatten, dem Porträt
mit neuen Mitteln gerecht zu werden. Schon an den
ersten Studienköpfen, die diese Künstler ausstellten,
sah man, wie sie bestrebt waren, den Natureindruck
unmittelbar festzuhalten; sie vermieden die Nachhilfe
durch Retuschieren so gut wie vollkommen und er-
reichten damit schon in der Aufnahme eine Lebendig-
keit und Echtheit der Darstellung, die aufs vorteil-
hafteste sich abhob von den glatten, unpersönlichen
Bildern der damaligen Berufsphotographie. Hans
Watzek benutzte bei seinen ersten Arbeiten als
Kopiermaterial das Platindruckverfahren auf selbst-
präpariertem Aquarellpapier und erzielte damit eine
Technik, die der des späteren Gummidrucks ähnelte,
in welcher er dann ja geradezu vorbildlich ge-
wirkt hat.

Die wertvollen Anregungen, welche von diesem
und den anderen begabten Wiener Amateuren aus-
gingen, legten den Grund zu der künstlerischen Eigen-
art, die heute das Schaffen Hugo Erfurths auszeichnet.
Natürlich konnte das, was er von Watzek, Kühn,
Spitzer, Henneberg, oder von denen, die wieder Vor-
bilder dieser Künstler gewesen waren, den englischen
Amateuren sah, nur Anregung sein; photographische
Künstlerschaft läßt sich so wenig schematisch er-

werben wie die Künstlerschaft des Malers. Hätte
Erfurth nicht als künstlerischen Fond die Fähigkeit,
groß und malerisch zu sehen, besessen, hätte er nicht
die Gabe für seinen Beruf mitgebracht, ein Modell
originell aufzufassen, seine bedeutenden Seiten mit
scharfem Auge zu erkennen, hätte er nicht ein ur-
sprüngliches, ihm eigentümliches feines Gefühl für
die Kontrastierung der hellen und dunklen Massen
im Bilde gehabt, so würde sich aus ihm niemals der
hervorragende Lichtbildner entwickelt haben, der er
heute ist. Der beste Positivdrucker unter den Licht-
bildnern muß auf der halben Höhe des Erfolgs stehen
bleiben, wenn ihm der künstlerische Elan bei der
Schaffung der Negativplatte fehlt.

Es gibt eine ganze Anzahl unter den Künstler-
photographen unserer Zeit, die das Beste in ihrer
Kunst erst durch das Positiv verfahren erreichen: es
sind die, die durch das Mittel des Impressionismus
ihre Wirkungen zu erreichen suchen. Auch Hugo
Erfurth ist ein hervorragender Positivdrucker; er er-
reicht im Gummidruck, im Platin-, im Kohle- und
im Ölpigmentdruckverfahren tonige Wirkungen, die in
nichts hinter einem Werke der Malerei zurückstehen.
Aber seine Stärke liegt trotzdem, wie bei dem be-
rühmten Schotten Craig Annan, im Gegensatz zu
dem Franzosen Demachy, in der Behandlung des
Negativs, in der starken persönlichen Note, die er
seinen Aufnahmen zu geben weiß, in der wunder-
vollen Art, wie er sein Modell in den Raum stellt,
es beleuchtet, den Fleischton im Verhältnis zur Um-
gebung charakterisiert. Diese Eigenschaften seiner
Kunst sind wohl zurückzuführen auf den regen Ver-
kehr, den er mit Malern pflegt. Er mag manche
künstlerische Anregung von ihnen gewonnen haben,
wie es andererseits ebenso selbstverständlich ist, daß
auch der Maler wiederum mancherlei für seine Kunst
von einem so hervorragenden Lichtbildner mit hin-
wegnehmen kann, wie es Erfurth ist.



KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU







LITERATUR

Die Darstellung des menschlichen Körpers in der
Kunst von C. H. Stratz. (Verlag Julius Springer,
Berlin, 1914.)

Der Verfasser sagt in der Vorrede immerhin: »Mein
Buch fängt an, wo die Naturwissenschaft in der Regel auf-
hört, und hört auf, wo die Kunstwissenschaft anfängt.« Er
hält sein Buch für eine — naturwissenschaftliche Kunst-
betrachtung (?). Deutet das Zitat auf eine nicht hoch ge-
schraubte Absicht und auf Selbsterkenntnis (was angesichts
des Buches sich als klug erweist), so ist mit der »naturwissen-
schaftlichen Kunstbetrachtung« jeglicher Rest von Nachsicht
aufgehoben.

Es ist ein Buch, in dem auf den ersten Seiten der
Schönheits-Kanon historisch entwickelt wird (was interessant
wäre, wenn es eingehender und — geistreicher geschähe),
der dann mit naturwissenschaftlichen Erfahrungen verbunden
den verschiedensten Kunstwerken gegenüber gestellt wird.
Die Differenzen, die sich im Vergleich ergeben, und die
— Gerechtigkeit verlangt, daß man es nicht zu erwähnen

vergesse — hin und wieder, wenn auch wohl ohne Zutun des
Autors, interessant sind, werden entsetzlich nüchtern, oder
mit kitschigen Worten (»geläuterter Kern edelster, reinster
Menschlichkeit« — heutige Naturvölker, die an der euro-
päischen Kultur früher oder später zerschellen müssen«...)
»beschrieben«. Auch nicht die mindeste geistvolle Inter-
pretation findet sich: dafür um so mehr — wahlloses —
Material. Künstlerisches Verständnis ist verhanden, wie ein
Akademieprofessor es haben mag. An der ägyptischen
Kunst wird glatt vorbei geredet, weil die Statuen eine un-
natürliche Zahl von Kopflängen haben; und die Kunst der
Naturvölker, die in Abbildungen wenigstens die Erlaubnis
hat, von ihren tieferen Absichten und Werten selbst sprechen
zu dürfen, wird von Herrn Stratz fast mit Entschuldigungen
behandelt. Gott ja, Adam und Eva aus Bomo sind auch
zu »unkanonisch« . . . lächerlich . . .

Was die Gegenüberstellung von Kunstwerken und —
zuweilen geradezu gemeinen Aktphotographien betrifft, so
ist oft das Lachen an uns.

Warum wurde das Buch veröffentlicht? Sehnt sich ein
Mensch nach »naturwissenschaftlicher Kunstbetrachtung«?

Herbert Mhe.

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwao, Berlin-Zehlendorf-Mitte
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., in Leipzig
 
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