Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

DOI Artikel:
Kunstgewerbliche Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0067

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Dr. Ulbrich 2. Vorsitzender, Architekt M. Schönwald als
Schriftführer, Architekt und Möbelfabrikant Andreae und
Fräulein Windelband als Beisitzer.

Leipzig. Die Leipziger Messe und unsere Feinde. Vor
einiger Zeit ging eine Mitteilung durch die Presse, daß
man in London eine Ausstellung von deutschen Erzeug-
nissen zu veranstalten beabsichtige, mit dem Zweck, der
englischen Industrie die deutschen Fabrikate auf eine recht
bequeme Art vor Augen zu führen und sie zu einer Prü-
fung darüber zu veranlassen, was sie von den bisher vom
Ausland bezogenen Artikeln selbst herstellen könne. Da-
mit wollte man also die deutsche Industrie vom englischen
Markte ausschalten. Neuerdings hört man, daß auch in
Frankreich auf die Regierung eingewirkt wird, den diplo-
matischen und Konsulatsvertretern Frankreichs im Aus-
lande sowie den französischen Handelskammern Instruk-
tionen zugehen zu lassen, die darauf abzielen, da, wo es
irgend möglich ist, den deutschen Handel und die deutsche
Industrie durch französische Unternehmen zu ersetzen. Daß
von Deutschland gegen englische und französische Er-
zeugnisse ähnliche Schritte unternommen worden wären,
darüber ist noch nichts verlautbart. Im Gegenteil, die
beste Gelegenheit, die es gegeben hätte, um eine Aus-
sprache zwischen der deutschen Industrie und dem deutschen
Handel über die veränderten Verhältnisse und die hier-
durch geschaffene Lage herbeizuführen, die Leipziger
Herbstmesse, hat man sogar mit allen Mitteln zu unter-
binden versucht. Eine Anzahl Industrieller, die meinten,
ein verhältnismäßig kleines Opfer an Spesen nicht bringen
zu sollen, und, durch diese sicherlich beeinflußt, eine ganze
Reihe von Handelskammern haben nach den vorliegenden
Äußerungen schließlich auch auf die sächsische Regierung
derart einzuwirken verstanden, daß diese angeblich geneigt
gewesen sein soll, die Leipziger Herbstmesse in letzter
Stunde zu verbieten. (Allerdings vergeblich. Red.)

Man hat offenbar vollständig übersehen, daß ein der-
artiges Verbot für Deutschlands Industrie und Handel im
höchsten Grade nachteilig hätte wirken müssen, denn eben-
so wie von England und Frankreich aus allerhand falsche
Meldungen vom Kriegsschauplatze selbst da, wo die Un-
wahrheit der Meldungen handgreiflich ist, verbreitet werden,
ebenso würde man von dieser Seite aus auch sicher kein
Bedenken getragen haben, aus dem durch Verbot erfolgten
Ausfall der Messe Kapital zu schlagen, um Deutschlands
Export, der ohnedies für die nächsten Jahre schwer zu
leiden haben wird — möglichst völlig zu ruinieren und in
aller Welt zu behaupten, daß Deutschlands Handel und
Industrie ohne englische und französische Unterstützung
nicht existieren können. Man muß sich doch immer vor
Augen halten, daß der Kampf, den insbesondere England
mit uns führt und in den es unsere anderen Gegner mit
den nichtswürdigsten Mitteln gehetzt hat, nichts ist als der
Ausdruck des krassesten Neides auf wirtschaftlichem Ge-
biete, auf dem Gebiete von Industrie und Handel, und
daß dieser Kampf auf eine vollständige Untergrabung
unserer wirtschaftlichen Existenz hinausläuft. Daß diese
Behauptung richtig ist, beweisen Ausführungen der Lon-
doner Zeitung »The Financier«, in denen auf die »goldene
Gelegenheit« hingewiesen wird, »den Welthandel des ver-
triebenen Rivalen zu ergreifen«. Denn, so heißt es weiter,
»Deutschland ist im Begriff, für zehn Jahre oder noch
länger nicht nur die großen Märkte in Rußland, Frankreich
und Belgien zu verlieren, sondern auch die der ganzen
englischsprechenden Rasse, deren Kolonien und Schutzge-
biete«. Es wird sodann für Englands Pflicht erklärt, dafür
zu sorgen, daß der deutsche Außenhandel nie wieder er-
wacht.

Auf solche »edle« Absichten gibt es keine bessere
Antwort als ein gänzliches Abwenden von allen englischen
und franzosischen Fabrikaten, das auch durchzusetzen
ist, wenn Industrie, Handel und Publikum in Deutschland
zusammenstehen. Die eben angeführten englischen Preß-
äußerungen werden den hierauf gerichteten Bestrebungen
nützen und hoffentlich auch dem Teil des deutschen Publi-
kums, der bisher ausländische Ware bevorzugt hat, die
Augen vollständig darüber öffnen, daß jedes Stück von
dem mißgünstigen Auslande bezogener Ware dem Feinde
die Mittel in die Hand gegeben hat, uns in dieser heim-
tückischen Weise zu überfallen. Zieht das Publikum hier-
aus eine Lehre und schaltet es die fremde Ware vom
deutschen Markte aus, indem es nur deutsche Ware fordert,
so stärkt es dem deutschen Kaufmann den Rücken und
ermuntert ihn, mit den deutschen Fabrikanten gemeinsame
Schritte zum Ersatz der bisher vom Auslande bezogenen
Ware zu unternehmen. Hat das deutsche Publikum den
ernsten Willen, in dieser Weise vorzugehen, dann wird
es auch, falls eine Übergangszeit zu den neuen Verhält-
nissen notwendig werden sollte, seine Bedürfnisse dem
anpassen.

Es wird ja nicht ganz leicht sein, die Aufgabe zu
lösen, und es wäre gewiß sehr vorteilhaft gewesen, wenn
die ersten Schritte sogleich nach dem von England und
Frankreich gegen Deutschland geführten Schlage hätten
erfolgen können. Hierfür wäre in ganz hervorragender
Weise gerade die Leipziger Herbstmesse geeignet ge-
wesen. Es konnten auf dieser Besprechungen zwischen
Fabrikanten und Händlern über die zu unternehmenden
gemeinsamen Schritte abgehalten werden, man mußte
sich durch gegenseitige Aussprache darüber verständigen
und einigen, welche Wege zu beschreiten und welche
Maßnahmen zu ergreifen wären, kurz gesagt, man hätte
auf der diesjährigen Herbstmesse bereits den Grundstein
zu dem großen Werke legen können, dessen Abschluß ein
vollständiges Abwenden des deutschen Marktes von den
Erzeugnissen der uns feindlichen Länder werden muß.
Dieses Versäumte muß jedenfalls schnellstens nachgeholt
und schleunigst alles Erforderliche in die Wege geleitet
werden, damit die nächste Frühjahrsmesse den Boden für
die Befreiung des deutschen Geschäftes vom fremden Joch
vorbereitet findet. Dazu dürften schriftlicher Meinungsaus-
tausch der beteiligten Kreise, sowie Aussprachen und Er-
örterungen in der Fachpresse erforderlich sein, um den
schaffenden Geistern Anregungen zu geben und die
Musterkollektionen in außergewöhnlicher Weise auszubauen
und so wohlgerüstet statt der uns zugedachten Nieder-
lagen dem Siege unserer Waffen den Sieg Deutschlands
auf dem Weltmarkte folgen zu lassen.

Syndikus Fechner-Leipzig.

(Die »Sächsische Landesstelle für Kunstgewerbe« in
Dresden hat angeregt, eine Ausstellung derjenigen deutschen
Erzeugnisse zu veranstalten, die bisher unter falscher Flagge
segelten. Eine ausführliche Besprechung dieses Planes hat
kürzlich in der Handelskammer zu Leipzig, unter Beteiligung
der Kgl. Sächsischen Regierung und vieler Verbände statt-
gefunden. Die Ausstellung scheint gesichert. Zum ersten
Vorsitzenden des Ausschusses wurde Professor Karl Groß-
Dresden, zum zweiten Vorsitzenden Museumsdirektor Pro-
fessor Dr. Richard Graul- Leipzig gewählt. — Es sei an
dieser Stelle auch auf die Bestrebungen des Deutschen
Werkbundes, die deutsche Mode-Industrie vom Auslande zu
befreien, verwiesen. Red.)

Pforzheim. Als Lehrer an die Großh. Badische Kunst-
gewerbeschule Pforzheim wurde der Goldschmied Alfons
Ungerer in Berlin berufen.

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwaq, Berlin-Zehlendorf-Mitte
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf., G. m. b. h., in Leipzig
 
Annotationen