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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Schulze, Otto: Ausblicke aus der Zeitlage heraus
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Kuhlmann, Fritz: Über das Federornament
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0076

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unserer Militär- und Zivilbehörden weit zurück. Diese
Bekanntmachungen werden eigentlich so recht zu
bahnenden Erziehern am deutschen Volke darüber,
wie sich der Deutsche als Deutscher zu benehmen
hat hinter der Front. Von diesem Verhalten wird es
trotz der gewonnenen Siege abhängen, wie sich das
Ausland zu uns stellen wird.

Wir können es nicht ableugnen, daß auch wir
vom Auslande gelernt haben, daß auch wir in gegen-
seitigem Warenaustausch wirtschaftlich und kulturell
gewannen. Und doch mehren sich nun wieder die
Stimmen, die nach Absonderung Deutschlands ver-
langen, die nach Schutz für Deutschlands Eigenart
rufen, die deutsche Mode, das deutsche Möbel, das
deutsche Haus und den deutschen Garten fordern. In
der langen Friedenszeit haben wir alles an uns heran-
kommen lassen, denn wir ließen ja auch viel hinaus-
gehen. Muß noch an den Austausch mit England,
Frankreich und Japan erinnert werden, ganz abgesehen
von dem der anderen Länder, so namentlich Öster-
reich-Ungarns und der Schweiz. Was wir an Mode
allein annahmen, auch Japan beglückte uns damit,
wird nachwirken, nicht minder englische Wohnungs-
und Gartenkultur, französische Malerei und Plastik,
französischer Geschmack überhaupt, der bei uns nicht
etwa bürgerlich, sondern speziell hoffähig ist und das
Schoßkind der oberen Zehntausend. Das erste Wehen
für eine deutsche Mode hat ziemlich aufdringlich ein-
gesetzt, und doch sehen wir bereits wieder die ersten
Früchte des Krieges gerade in der Mode: Polen,
Schottland, Belgien, dann natürlich England und
Frankreich, das letztere beglückt uns aufs neue mit
dem Humpel- und Hosenrock, haben uns mit zivil-

militärischen Schnitten und Zutaten bedacht. Und
keine Feindseligkeit mit England wird uns abhalten,
englische Kultur weiterhin bei uns zu pflegen. Ich
weiß auch nicht, ob es richtig und vaterlandsfreund-
lich ist, nun auf einmal alle Fäden zwischen den sich
bekriegenden Völkern zu zerschneiden, zu vergessen,
was sie bisher einander waren. Soll Muthesius nun-
mehr England auf einmal Urfehde schwören, soll
Brinckmann-Hamburg seinen japanischen Assistenten
totschlagen und die herrliche Japansammlung auf eine
Auktion schicken, soll Rein ein neues Werk über
Japan schreiben, sollen wir die Werke eines Owen
Jones, Ruskin, Morris u. a. aus unsern Fachbiblio-
theken verschwinden lassen und wir als Gegenleistung
unsere vielen »feindlichen« Abonnenten auffordern,
uns aufzusagen und die bisherigen Bände unserer
Zeitschriften zu verbrennen!

Wir sind doch viel zu sehr ein internationales
Volk geworden — und werden es auch hoffentlich
bleiben —, als daß wir uns nun auf einmal hinter
unsere patriotischen Grenzpfähle verkriechen sollten.—
Gewiß! Deutsche Sitte, deutsche Kunst, deutsche
Bildung mit ihrem ganzen Rüstwerk des Handels und
der Industrie überall ins Vordertreffen geschickt! Aber
doch mit Anstand und Würde! Mildern wir unsern
Haß, das dürfen auch Künstler und Gelehrte tun, auf
daß wir mit unserm Deutschtum dereinst nicht hausieren
zu gehen brauchen. Auch dieser Krieg wird nur
zeitlich dauern und seine Wunden werden wieder
heilen. Dann fordert der starke Pulsschlag des Lebens
wieder sein heiliges Recht.

Sorgen wir beizeiten dafür, daß sein Blut rein ist,
frei von Dauerhaß und Verunglimpfung!

ÜBER DAS FEDERORNAMENT

VON PROF. FRITZ KUHLMANN

ENDE des Jahres 1912 veranstaltete die Leitung der
»Deutschen Unterrichtsausstellung« eine Schriftaus-
stellung im kleinen, wie sie auf dem.vorangegangenen
»Internationalen Kongreß für Kunstunterricht, Zeichnen und
angewandte Kunst« in Dresden im großen zu sehen ge-
wesen war. Als Teilnehmer an dieser Ausstellung bot ich
neben den Schriftstudien meiner Schüler noch ein anderes
dar, was in unmittelbarer Verbindung mit der Schrift ent-
standen, wie diese von der breiten Feder geboren, den
Schülern sowohl als auch dem Lehrer eine Quelle der Freude
und künstlerischen Anregung geworden war: eine Sammlung
rederornamente in vielfarbiger Ausführung. Wie von den
verschiedensten Seiten zum Ausdruck kam, haben diese
ef er°rnamente meiner Schüler ganz allgemein Gefallen
du "h -u Un^' w'e aucn *n diesem Blatte gesagt wurde,
kun Einfachheit und eindrucksvolle dekorative Wir-

g »verblüfft.«. Das darf ich mitteilen, ohne unbescheiden
A h ■, en> da es nicht mein Verdienst ist, denn die

n oellten völlig freie Schülerleistungen dar.
• m - ,enchterstatter dieses Blattes, Paul Westheim,
spricht sich (Nr. 7, 1913) dahin aus, es werde auch die
Kunstgewerbeschule an diesem Ornamente nicht vorbeigehen
dürfen. Ich bin durchaus derselben Meinung, und wie ich
das Federornament und die wunderbare Kraft der breiten

Kunstgewerbeblatt. N. F. XXVI. H. 4

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Feder als Medium des Ornaments als grundlegend für die
Entwickelung des Sinnes für das Ornamentale erkannt habe,
so ist mir ihre Bedeutung für das praktische, besonders
das graphische Gewerbe zu gleicher Zeit zur Überzeugung
geworden. Mir will es scheinen, als sei die breite Feder
in ihrer Kunst- und Schöpferkraft überhaupt noch nicht
voll erkannt und gewürdigt worden, weder seitens der
Schule noch seitens des praktischen Gewerbes. Gern be-
nutze ich deshalb die mir hier freundlichst gebotene Ge-
legenheit, einiges aus meinen Beobachtungen und prak-
tischen Erfahrungen mitzuteilen, auf die Schönheit, Einfach-
heit, innere Gesundheit und Wahrheit des durch die breite
Feder erzeugten Ornaments weitere interessierte Kreise
hinzuweisen.

Zunächst sei daran erinnert, daß die breite Feder sich
als das ausdrucksfähigste graphische Werkzeug der westeuro-
päischen Kultur seit mehr als einem Jahrtausend bewiesen
hat; denn sie ist die Schöpferin eines großen und hoch-
bedeutsamen Formgebietes dieser Kultur: der Schrift. Die
breite Feder war es, die die aus einfachen geometrischen
Formen, geraden Linien und Kreisbögen, zusammengesetzte,
rein intellektuelle Schrift der Römer zu einer Kunstform
emporhob, der Unziale und der karolingischen Minuskel;
sie war es, die später einem Dürer als Schrift-Werkzeug

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