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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Richter, Hermann; Hellwag, Fritz: Deutsche Schmiedefaust! Wehre dich!: eine Entgegnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0082

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euerschweißung verdrängen, weil sie einfacher, saubere

i'hger und mindestens ebenso haltbar ist als letztere,
wenn sie ebenso sorgfältig wie diese von einem wirklichen
Autogenschweißer ausgeführt wird, ist sie sogar fester.
Man fügt heute ganze Dampfkessel durch autogenes
■schweißen zusammen und erreicht die nach den polizei-
lichen Bestimmungen erforderlichen hohen Festigkeits-
zahlen, deshalb muß man auch Kunstschmiedearbeiten fest
genug herstellen können.

Vorläufig kann das Schweißen und Schmieden auf dem
Amboß noch nicht entbehrt werden, denn wir brauchen es
notwendig für manche Arbeiten. Wer aber in der Praxis
Füllungsgitter mit vielen kleinen getriebenen Blumen voll-
ständig im Feuer schweißt, der hat entweder sehr viel
Zeit und Geld oder er hat die Vorteile des autogenen
Schweißens noch nicht erkannt und sich nicht eingehend
damit beschäftigt. Und dann soll er ruhig bei seiner
Feuerschweißung bleiben. Nur darf er nicht,auf eine ihm
fremde Technik schelten, oder glauben, seine Arbeiten
seien künstlerischer und wertvoller als andere. Der Cha-
rakter der Handarbeit, der der Schmiedearbeit ihre be-
sonderen Reize verleiht, wird auch durch das autogene
Schweißen nicht beeinträchtigt.

Begreiflich ist es, wenn in einer Kunstgewerbeschule
zur Übung alte Arbeitsmethoden angewendet werden;
immerhin würde ich es auch hier für zweckmäßig halten,
die Hilfsarbeiten autogen auszuführen; dem Schüler werden
dadurch Vorteile erwachsen, die ihm später bei seinen
Arbeiten dienlich sein können. Ich bemerke aber, daß
man zum Erlernen des autogenen Schweißens recht lange
Zeit braucht, die in der Schule hierfür nicht immer zur
Verfügung steht. Ferner kosten diese Übungsstunden
verhältnismäßig viel Geld, da man viel Material verarbeiten
muß, um die notwendige Geschicklichkeit und Erfahrung
zu erlangen. Nur geschickte Arbeiter, die auch etwas
Materialkenntnisse besitzen, und schmieden können, können
Erfolge erzielen; die Vorbereitung und Nachbearbeitung des
Arbeitsstückes ist eben für die Haltbarkeit von Bedeutung.
Bei Kunstschmiedearbeiten, zu denen Schweiß- und Fluß-
eisen verwendet wird, treten verhältnismäßig selten un-
günstige Eigenspannungen auf, die außerdem leicht zu
beseitigen sind. Daher ist es leicht, Kunstschmiedearbeiten
autogen geschweißt herzustellen, und hier ist die Methode
am Platze. Die Fertigkeit im Schmieden, in der Form-
gebung und Zurichtung darf trotzdem aber nicht gering
sein, und Herr Professor Lauterbach irrt, wenn er glaubt,
durch die Einführung der autogenen Schweißung erfolge
eine Abnahme der Geschicklichkeit. Gerade das Gegen-
teil ist der Fall.

Die Schmiedekunst hat Gelegenheit, sich auf weitere
Gebiete zu erstrecken. Die feinsten Treib- und Schmiede-
arbeiten werden beim autogenen Zusammenfügen nicht
verdorben, was bei der Feuerschweißung leichter geschehen
kann. Das Löten und Nieten wird bei Eisen, Kupfer und
Messing vermieden. Größere Treibarbeiten, die früher
nicht vorteilhaft zusammengesetzt werden konnten, fügt
man heute korrekt, ohne sichtbare Naht, haltbar und schön
zusammen. Aber man muß auch autogen schweißen können,
n, * es auf diesem Gebiete ebensoviele Pfuscher wie
unter den Kunstschmieden gibt, so fällt der oberflächliche
\''er nur zu leicht ein ungünstiges Urteil über die
neue Arbeitsweise. Daß aber eine deutsche Knnstgewerbe-
schule, anstatt aufklärend zu wirken, Irrtümer verbreitet,
ist bedauerlich.

Was weiter die Frage der Augenschädigung anbelangt,
so ist erstens zu bemerken, daß man die Arbeit mit der
Flamme bei Kunstschmiedearbeiten nur als Zwischentätig-
keit anzusehen hat, die nur kurze Zeit in Anspruch nimmt;

daß ferner die Augenschutzbrille genügt, um schädliche
Strahlung abzuhalten. Wenn man allerdings falsche Gläser
wählt, oder gar die Brille überhaupt nicht aufsetzt, dann
hat man sich den Schaden selbst zuzuschreiben.

HERMANN RICHTER,
Oberlehrer der Technischen Staatslehranstalten Hamburg.

Nachwort der Schriftleitung. Es kommt uns hier wohl
hauptsächlich darauf an, ob die neue Methode des auto-
genen Schweißens der künstlerischen Entwicklung des
Schmiedens hinderlich ist, oder ob sie ihr vielleicht gar
neue Wege weisen könnte. Erinnern wir uns an die noch
nicht weit hinter uns liegende Zeit, in der man vergeblich
versuchte, schöne Vorbilder der Renaissance und des Rokoko
nachzubilden. Die ehemals so bedeutende Kunstfertigkeit
schien verloren, und man mußte entweder zu einer, dem
Geiste feindlichen Vereinfachung der Vorbilder oder zu
technischen Taschenspielereien greifen. Hier setzten die
Bemühungen unserer Kunsthandwerker ein. Neben anderen
hat sich Prof. Hilmar Lauterbach ein großes Verdienst er-
worben, indem er das Können wieder auf eine solche Höhe
brachte, daß selbst die schwierigsten Aufgaben in vollen-
deter Weise gelöst werden. Es ist sehr schön, daß diese
wiedererlangte Kunstfertigkeit an den Kunstgewerbeschulen,
insbesondere an der Elberfelder Klasse Lauterbachs, eine
Stätte sorgfältigster Pflege fand. Nun kam die Erfindung
des autogenen Schweißens, die es ermöglichte, dieselben
Aufgaben auf eine viel bequemere Weise zu lösen, die den
Anschein erweckt, als ob jene hochstehende Kunstfertigkeit
in Anwendung gekommen wäre. Hat nicht Prof. Lauter-
bach vollkommen recht, wenn er dagegen Einspruch er-
hebt? Sicher würde eine solche Anwendung neuer tech-
nischer Möglichkeiten wieder auf Abwege führen, die wir
nicht betreten wollen. Deshalb dürfen wir aber die be-
deutsame Erfindung des autogenen Schweißens noch nicht
in Bausch und Bogen verdammen. Sie ist freilich für
künstlerische Verzierungen, die das Gefühl aufgelöster
Schwerkraft, zierlicher Leichtigkeit erwecken (aber nicht
vortäuschen) sollen, nicht verwendbar, um so mehr aber
dort, wo die Schmiedearbeit als architektonisches Glied
eines Ganzen auftritt. Die Kunstschmiede verschmähen
sie mit Unrecht dort, wo es sich um direkte Verbindungen
handelt, die sie — was früher allerdings der einzige Aus-
weg war — mit Durchstecken oder Anschrauben, voll-
ziehen. Dieses, jetzt nicht mehr notwendige, Sichtbar-
bleiben der Verbindungen ist und war aber nur ein sta-
tischer Notbehelf und störte gar oft den architektonischen
Gesamteindruck eines Gitters oder dergleichen. Hier also
sind die Aufgaben, die der autogenen Schweißung vor-
behalten bleiben. Bei sinngemäßer Anwendung wird diese
Methode viel zur statischen Befriedigung des Auges bei-
tragen und dem in architektonischem Sinne entwerfenden
Künstler Möglichkeiten schaffen, die in solchem Sinne
bei aller Kunstfertigkeit des Ausführenden nicht bestanden
haben.

Wir haben im Aprilheft unseres Jahrgangs 1911/12
zahlreiche Abbildungen bester Berliner Schmiedearbeiten
veröffentlicht, unter denen sich auch ein autogen geschweiß-
tes Schloßtorgitter von Prof. Bruno Paul (ausgeführt vom
Kaiserl. Hofkunstschlosser Paul Marcus) befand, bei dessen
Entwurf und Ausführung in vorzüglicher Weise die neue
Methode angewendet worden ist.

Also: es werden in Zukunft Schmiedefaust und Stich-
flamme friedlich nebeneinander wirken können.

FRITZ HELLWAO.

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