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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Das Sächsische Haus auf der deutschen Werkbundausstellung Köln 1914
DOI Artikel:
Behne, Adolf: Kunst, Geschmack und Nachahmung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0149

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dem Lande im alten Handwerkssinne noch lebt und
z. B. in der Ofenindustrie zum Ausdruck kommt.
Ferner enthielt die Abteilung eine Gruppe erzgebir-
gischer Holz- und Spielwaren, verschiedenartige Werke
der Metallverarbeitung (Edelmetall, Bronze, Eisen,
Messing, Zinn) und die berühmten Glashütter Uhren
wurden gezeigt. Ein Ausstellungsschrank enthielt
Dinge des Buchdrucks und der Buchbinderei. Er-

zeugnisse der Glasmalerei zeigten die Fenster des
Gebäudes.

Der evangelischen Kirchenkunst, die sich in Sachsen
bereits vor fünfzehn Jahren den neuzeitlichen Kunst-
bestrebungen anschloß, war ein kleiner Ausstellungs-
raum angewiesen. Weitere Werke sächsischer Künstler
wurden im evangelischen Kirchenraum der großen
Ausstellungshalle ausgestellt.

KUNST, GESCHMACK UND NACHAHMUNG.

VON Dr. ADOLF BEHNE

GEWISS ist es schwierig, den Begriff der »Kunst«
zu definieren, aber es ist vielleicht nicht unmöglich,
ihm von untenher näherzukommen, indem man von
dem großen Komplexe, als welchen sich die »Kunst« zunächst
darstellt, das ausscheidet, was »Nichtkunst« oder was »noch
nicht Kunst« ist. Denn es ist wie überall, so auch auf dem
Gebiete der Kunst fraglos leichter, das Negative zu bestim-
men und zu begründen, als das Positive.

Der naive Ausstellungsbesucher ist geneigt, alles das
für »Kunst« zu halten, was in Öl gemalt, in Ton modelliert
oder in Bronze gegossen wurde, was unter Glas gebracht
und gerahmt ist und die Jury einer Ausstellung passiert hat.
Es genügt ihm, daß eine Sache ausgeführt ist und daß sie
öffentlich unter der Rubrik »Kunst« gezeigt wird. Ihm ist
»Kunst« alles das, was in einem »Kunstsalon« oder in einer
»Kunstausstellung« geboten wird, was von Leuten verfertigt
wurde, die sich als »Künstler«, »Kunstmaler«, »Kunst-
gewerbler« usw. in das Adreßbuch eintragen ließen, die
eine »Kunstakademie«, eine »Kunstschule« oder mindestens
eine »Kunstgewerbeschule« besucht haben.

Diese Betrachtungsweise, die auf jede Kritik verzichtet
und höchstens das eine Bild »hübscher findet« als ein anderes,
kann ernsthaft natürlich nicht diskutiert werden. Sie nimmt
bereits als »Kunst«, was nur ihre selbstverständliche Voraus-
setzung, eines ihrer Hilfsmittel oder ihr äußeres Gewand
ist. Notwendig muß der Künstler malen, zeichnen oder
modellieren können, aber deshalb ist derjenige, der zeichnen,
malen oder modellieren kann, noch längst kein Künstler.
Das annehmen hieße das Mittel mit dem Ziele verwechseln!
Die Technik ist und bleibt etwas Außerkünstlerisches! Man
kann eine glänzende Technik haben und ist doch kein
Künstler, und man kann andererseits ein großer Künstler
sein, ohne in der Technik zu brillieren. Gewiß ist es richtig,
daß in den meisten Fällen ein großes Künstlertum auch über
eine bewundernswerte Technik verfügt, daß bei einem Rein-
brandt, einem Holbein, einem Grünewald, einem Leibl sich
beides durchdringt. Aber stets ist es hier der künstlerische
Geist, der die Technik geschickt und »geistreich« macht, und
ist in den Fällen, wo die Technik bestimmend geworden
ist, das Ende des Künstlertums angebrochen!

Nach alledem ist klar, daß Dinge, welche schon die
Technik hervorzubringen imstande ist, nicht »Kunst« sein
können, selbst wenn sie gerahmt oder öffentlich ausgestellt
sind! Das Gebiet nun, innerhalb dessen die Technik zur
Erreichung des Zieles genügt, darf man im allgemeinen als
das Gebiet der Nachahmung bezeichnen. Eine Malerei, die
nichts weiter erreicht und bezweckt, als uns ein menschliches
Gesicht, eine Landschaft oder ein Ereignis so wie es der
Wirklichkeit möglichst genau entspricht, wiederzugeben,
bleibt unterhalb der Kunst. Sie könnte der Farbenphoto-
graphie den Platz räumen, ohne daß eine Lücke bliebe.
Denn in ihren Absichten ist ja doch eine derartige Malerei
schließlich Farbenphotographie, nur daß sie ihr Ziel meist

weniger gut erreicht. Es besteht auch kein wirklich erheb-
licher Unterschied in Hinsicht auf die Entstehung. Wollte
man die Photographie als lediglich mechanischen Charakters
tiefer stellen, so würde man ihr Unrecht tun. Auch der
Vedutenmaler verfährt mechanisch! Geist, Phantasie, Intu-
ition haben nicht das geringste mit dem Prozeß zu tun, und
das bißchen Überlegung in der Wahr des Standpunktes und
des Ausschnittes gehört zur Tätigkeit eines tüchtigen Photo-
graphen ganz ebenso! —

Da die Allgemeinheit eine Malerei oder eine Skulptur
in erster Linie daraufhin betrachtet, ob sie »naturrichtig«
ist oder nicht, ist es nicht weiter verwunderlich, sondern
vielmehr ganz konsequent, wenn sie ein mit Erfolg nach-
ahmendes Werk für ein Kunstwerk hält. Nun fehlt es aber
nicht an Menschen, denen eine solche Betrachtungsweise
doch zu äußerlich ist. Sie verlangen vom Kunstwerk be-
stimmte Werte, die nicht imitativer Art sind. Leider stellt
ein großer Bruchteil von ihnen seine Forderungen so niedrig,
daß ihnen bereits gewisse Werte des Geschmackes genügen.
Es ist zuzugeben, daß der Geschmack dem Künstlerischen
wenigstens insofern näher steht denn die Nachahmung, als
er etwas Geistiges ist. Trotzdem aber ist die Betätigung
des Geschmackes keine künstlerische Leistung! Wie viele
Menschen gibt es, die einen ausgeprägten Geschmack haben,
ohne irgendwie künstlerisch veranlagt zu sein. Noch lehr-
reicher ist vielleicht die gegenteilige Tatsache, daß manche
Künstler einen auffallenden Mangel an Geschmackskultur
zeigen. Diejenigen Maler, Bildhauer und Architekten, die
einen besonderen Geschmack in ihrer Kleidung, ihren Briefen,
ihren Drucksachen kultivieren, sind selten die stärksten
Künstler! Man muß sich also vor einer Überschätzung des
Geschmackes als eines künstlerischen Elementes hüten!
Wirklich produktiv ist der Geschmack nur in sehr geringem
Maße. Er gehört in die Sphäre des Geistigen, steht aber
innerhalb dieser dem Intellekte näher als der Phantasie.
Guten Geschmackswirkungen ist auf dem Wege des Ex-
perimentes, des Nachdenkens, der Erfahrung nahezukommen.
Die Feststellung guter Proportionen, gefälliger Verhältnisse
in Farbe, Form oder Linie gelingt mit einiger Übung dem
nicht völlig Empfindungslosen bis zu einem sehr hohen Maße,
ohne daß dieser deshalb Künstler ist. Es ist das deshalb
möglich, weil die Betätigung des Geschmackes sich frag-
los innerhalb gewisser Regeln und Formeln bewegt. So
wie es ein Reimlexikon gibt, ließe sich schließlich auch ein
Lexikon guter Proportionen, anständiger Verhältnisse, wirk-
samer Kontraste usw. zusammenstellen. Aber sowenig
man mit dem Reimlexikon ein Dichter wird, sowenig mit
dem Gesckmackslexikon ein bildender Künstler! Die Bauten
sind nicht allzuselten, gegen die vom Standpunkte des Ge-
schmackes kaum irgend etwas einzuwenden wäre, deren
Verhältnisse gut, deren Formen einwandfrei sind — und die
als Kunstwerke zu nehmen uns doch etwas hindert! Was
uns in solchem Falle hindert, läßt sich kaum anders nennen

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