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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Lapidoth, Willem Frederik Lodewijk: Die neue Blüte des deutschen Kunstgewerbes
DOI Artikel:
Otto, Karl Heinrich: Was ist deutsch?
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0177

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ein öffentliches Transportmittel konstruiert und ein Tele-
phonpfahl aussehen muß . . .

Dieses hat unter anderem auch noch den Vorteil, daß
die Künstler in ein viel engeres Verhältnis zum praktischen
Leben treten, daß sie weniger ausschließlich als Luxus-
Erzeuger betrachtet werden und zu größerem Ansehen beim
Publikum gelangen, was ihrem Selbstvertrauen wieder zu-
gute kommt, wenn sie auch nicht die geringste Lust ver-
spüren, Angestellte zu werden.

Wir sprachen vor kurzem von Torheiten, welche die
deutsche Regierung oft begeht bei der Bekämpfung der
öffentlichen Unsittlichkeit, aber sie tut doch auch wirklich
noch etwas anderes, und dieses muß ohne weiteres aner-
kannt werden.

. IV.

In dem Streben Deutschlands nach der Hegemonie
über die ganze gebildete Welt liegt bewundernswürdige
Einheit, welche nie in irgendeinem früheren Zeitalter der
Geschichte so bewußt wahrgenommen ist; auf jedem Ge-
biet ist dieses Streben vorherrschend. Man darf annehmen,
daß das französische Kunstgewerbe ganz Europa zum Vor-
bild geworden ist durch die Französierung der Höfe und
des Geschmackes der besitzenden Klasse. Daß die Regie-
rung, sich dessen bewußt, mit Absicht ihre Kunstgewerbler
zur Herrschaft des Weltmarktes anspornte, wird wohl nie-
mand behaupten wollen; es ist keine Spur von Beweis dafür
zu finden. Die deutsche Regierung tut dies wohl und er-
kennt es öffentlich an. Daß in Deutschland auch offiziell
die modern fühlenden Künstler unterstützt werden, daß man

dort das stützt, dem man anderswo durchweg mit Mißtrauen
von oben herab begegnet, ist eine nicht zu verkennende
Tatsache, woraus hervorgeht, wie jung und kräftig die
deutsche Nation zu einer größeren Aufgabe sich berufen
fühlt.

Daß das erst kurz wieder erblühte deutsche Kunst-
gewerbe jetzt schon den Anforderungen gerecht wird, die
an dasselbe zur Erfüllung einer so gewaltigen Aufgabe ge-
stellt werden, behauptet, wie ich glaube, kein einziger nam-
hafter Deutscher. Aber daß eine Kunst, wovon eine Nation
von sechzig Millionen Menschen so viel erwartet, der ein so
großes Vertrauen geschenkt wird, welcher man solch große
Opfer zu bringen wagt, unter besonders günstigen Um-
ständen sich entwickeln kann, darf nicht übersehen werden,
wenn auch diese Verhältnisse eigenartige und nicht geringe
Gefahren mit sich bringen.

Auf jeden Fall hat sie dadurch eine Bedeutung für
das nationale Leben erlangt, die bei jeder folgenden großen
Ausstellung wieder gewachsen und deutlicher wahrnehm-
bar war.

Die Frage, welchen Einfluß der Sieg oder die Nieder-
lage Deutschlands auf die Blüte des deutschen Kunstge-
werbes haben wird, wage ich hier nicht zu behandeln.
Wohl fand ich es von einigem aktuellen Interesse gerade
jetzt, während der Krieg noch wütet, eine kurze Übersicht
seiner Entwicklung in den letzten Jahren zu geben, weil
es nützlich ist, die Entwicklung der deutschen Kunst, des
deutschen Handels, des deutschen Kunstgewerbes im Ver-
ein mit der deutschen ausländischen Politik zu betrachten.

WAS IST DEUTSCH?

VON KARL HEINRICH OTTO

WIE oft ist diese Frage nun schon seit Kriegs-
beginn uns gestellt worden und damit zu-
gleich auch beantwortet. Welche Fülle von
guten Eigenschaften sind für uns dabei zutage ge-
fördert worden unter Geißelung der an uns angeblich
fressenden fremden Einflüsse. Auf einmal besann
man sich darauf, daß eigentlich das Gute, das in der
verderbten Welt feststellbar sei, nur deutschen Ur-
sprungs sein könne. Mit dem: »An deutschem Wesen
soll die Welt genesen« ist fast ein gewisser Unfug
getrieben worden, denn jeder Einsichtige, der mal
in der Welt herumgekommen ist, weiß, daß sich eins
nicht für alle schickt. Wenn wir mit dem schein-
baren Überfluß an Gutem doch wenigstens einmal
erst das Böse bei uns auszurotten vermocht hätten.
Wie oft ist nun schon die deutsche Gründlichkeit,
Zähigkeit und Ausdauer, die Liebe, Hingabe und
Treue, die Gewissenhaftigkeit, Ehrlichkeit und Pflicht-
strenge, die Gottesfurcht, Vaterlandsliebe und Opfer-
willigkeit in den verschiedensten Erscheinungsformen
zum Ausgangspunkt unserer Hoffnungen, unseres Aus-
harrens und Durchhaltens geworden und die Summe
aller dieser guten Eigenschaften und Äußerungen
als Beweis dafür festgelegt worden, daß wir siegen
müssen.

Nur selten haben sich einmal Stimmen hervor-
gewagt, die uns unsere Unarten vorhielten und die
immerhin noch groß genug seien, daß sie einen an
allen Stellen des großen Ringens gleich guten Aus-
gang gefährden könnten. Und darin wurde das Un-

deutsche in uns unbarmherzig bloßgelegt, das Un-
deutsche, das wir als solches gar nicht empfänden,
eben das, was wir andern Völkern entlehnt und ab-
geguckt hätten, nachäfften und aufpfropften bei uns,
und uns so zu Nörglern an uns und zu Schmarotzern
am Fremden werden ließ. Und das alles angeblich
trotz unserer großen Staatsmänner, Denker und Dichter,
ja man darf getrost sagen unserer großen Männer
und starken Frauen aus allen Volksschichten einer
mehr als fünfhundertjährigen Geschichte. Der Schul-
meister müßte neben dem Industriellen, der Bauer
neben dem Kaufmann, der Kriegsmann neben dem
Künstler, der Geistliche neben dem Fürsten stehen
und über ihnen allen der liebe Gott, der deutsche
Gott, der Gott der Arbeit und des Gewissens genannt
werden.

Die darin, in diesem fast unübersehbaren Zu-
sammenwirken der Kräfte wurzelnde Kraft machte uns
letzthin so kriegsstark und verteidigungsfüchtig. Also
wäre der Kern in uns schließlich doch ein guter und
die Selbstbesinnung darauf, selbst noch in letzter
Stunde, das Siegende über das angeblich Undeutsche
in uns und das Unsittliche bei den andern Völkern.
Es ist ein alter Erfahrungssatz der Erziehung, daß
man nur das Gute zu entwickeln brauche, um das
Böse noch vor dem Keimen zu ersticken.

In diesen Gedankengängen sind immer der Staats-
mann, der Denker und Dichter vorangestellt worden,
der gegenständlich, konkret gestaltenden Handwerker
und Künstler hat man kaum gedacht. Erst in den

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