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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Hillig, Hugo: Das kunstgewerbliche Vorbilderwesen
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Zeitler, Julius: Künstlerische Kriegs-Gedenkblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0195

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dernen wirtschaftlichen Produktionsprozeß auch sein,
als daß sie nicht auch vorgetane Arbeit in Form von
kunstgewerblichen Vorbildern schätzen sollten. Und
schließlich ist es gleich, woher die Anregung kommt;
auch ohne diese »Krücken der Ornamenterfindung«
steht doch auch der eigenartigste Künstler niemals
ganz allein, und ohne jeden Zusammenhang mit seiner
Vor- und Umwelt bleibt keiner. Was Idee ist, was
Anregung, was Einfall, das entsteht nicht aus dem
Nichts: irgend einmal ist zum Geiste durch die Pforte
der Empfindung ein Eindruck gelangt, irgend einmal
ein anderer; sie speichern sich auf und ruhen, sie blei-

ben latent, bis sie aufgeweckt und ausgelöst werden
durch neue Eindrücke, durch rätselhafte Gedanken-
verknüpfungen unter der Schwelle des Bewußtseins:
dann ist die Idee da. Woher sie kam, war gleich-
gültig; zudem ist die Idee selbst noch nicht alles; im
Kunstgewerbe kommt auch noch die Ausführung hinzu.
Können Vorbilder solche Ideen entstehen lassen, dann
sind sie gut und fast so notwendig wie die An-
regungen, die aus der Natur selbst kommen. Im anderen
Falle sind sie wirklich Krücken, und es ist kein schlim-
mes Zeichen, wenn solche Krücken nur wenig ge-
braucht werden.

KÜNSTLERISCHE KRIEGS-GEDENKBLÄTTER

VON Dr. JULIUS ZEITLER-LEIPZIG

EINE der Nebenerscheinungen des Krieges, die
getragen werden müssen, ist die nicht wenig
gedrückte Lage des Kunstgewerbes in dieser Zeit.
Das kann nicht wundern, denn die Bautätigkeit ist
auf Notwendiges beschränkt und die Anschaffungen
für innere Einrichtungen konnten sich gleichfalls nicht
in der früheren Höhe halten. Das Kunstgewerbe ist
meist nicht in der glücklichen Lage, sich auf Kriegs-
lieferungen einrichten zu können, es konnte sich aus
seiner Dunstsphäre heraus nicht nach den Bedürfnissen
des Krieges orientieren, wie es der Großindustrie
möglich war und ihr auch in überraschender Weise
gelungen ist. Der kunstgewerbliche Hurrakitsch, der
bald nach Kriegsbeginn schon die Läden überflutete,
und den in wohltuender Weise zu brandmarken
Pazaurek in unermüdlicher Weise tätig ist, kann ja
hier füglich vollkommen außer Betracht bleiben. Das
Kunstgewerbe wird durchhalten, wie jede andere Be-
rufstätigkeit, aber leicht wird es ihm nicht, und soweit
ihm nicht vielleicht schon im Kriege geholfen werden
kann, wird man sich seiner nach Friedensschluß aufs
kräftigste erinnern und annehmen müssen, damit die,
während des Krieges freilich unvermeidliche Zurück-
setzung an ihm wieder eingeholt werden möge.

Mit dem Kunstgewerbe war natürlich auch die
angewandte Graphik stark in Mitleidenschaft gezogen
worden, zumal ihre Tätigkeit für die Verlagsgeschäfte mit
dem Kriegsanfang jäh abbrach. Der Buchhandel hatte
in jenen Monaten eine schwere Zeit durchzumachen,
und mit ihm hatten die graphischen Gewerbe außer-
ordentlich zu leiden. Rasch aber richtete sich dann
der Buchhandel auf die Kriegsliteratur ein, er vollzog
in seinen Verhältnissen einen ebenso großen Pro-
duktionsumschwung wie die Industrie, und wenn auch
der normale Verlag noch lange Zeit stockte (es ist
auch gar nicht zu verlangen, daß er heute schon
wieder vollkommen in die reguläre Bahn zurück-
gelangt sei), der Kriegsverlag geriet dafür in den
höchsten Flor. Neben der deutschen Regsamkeit auf
diesem Gebiete nehmen sich die Kriegsqualikationen
Frankreichs und Englands kümmerlich aus; sie um-

fassen zusammengenommen noch nicht den vierten
Teil deutscher Erscheinungen. Die Bedürfnisse des
Kriegsverlags riefen erneut die graphischen Künstler
auf den Plan, es gab mächtig zu tun, und es fanden
darum in diesem Teile des Kunstgewerbes nieder-
drückende Verhältnisse weit weniger Raum als in
anderen. Die Kriegschroniken, von denen noch im
August 26 angekündigt wurden, mußten Titel be-
kommen, und nicht wenige wechseln mit ihrem Titel
seitdem von Woche zu Woche, so daß der Graphiker
sich darin vor immer neue Aufgaben gestellt sieht;
die zahllosen Kriegsbroschüren verlangten zu erheb-
lichem Teil eine typographisch-zeichnerische, auf den
Krieg bezügliche Ausstattung, die Schriftgießereien
versahen sich mit Kriegsvignetten — Kreuzen, Adlern,
Lorbeerkränzen, Helmen u. a.; die Herstellung der
Kriegspostkarten erforderte quantitativ geradezu außer-
ordentlich künstlerische Kräfte; auf diesem Felde fanden
und finden die Kartenserien einen nach Millionen zäh-
lenden Absatz; eine Menge tüchtiger Illustratoren
wurde von den Kriegszeitschriften, von den Kriegs-
ausgaben unserer Familienjournale in Beschlag ge-
nommen; viele hatten auch das Glück, auf den Kriegs-
schauplatz entsendet zu werden, um an Ort und Stelle
die Kriegszeichnungen zu machen, in denen die un-
endlich nach anschaulichen Nachrichten und Bericht-
erstattungen dürstenden Leser den Ereignissen an und
hinter der Front folgen können; zahlreiche Buch-
bindereien gaben den mehr dekorativ gerichteten Be-
gabungen Arbeit, indem sie künstlerische Mappen und
Kassetten für die Aufbewahrungen von schriftlichen
Kriegserinnerungen und Feldpostbriefen herstellten;
selbst das Kriegsbilderbuch und der Kriegsbilderbogen
verlangten ihre Graphiker; kurz, auf diesem ganzen
Gebiet zeigte sich bald ein ungemein starkes Leben,
es hat auch nicht nachgelassen, es hält an, und dazu
gesellen sich aus dem wieder zukunftsfrohen und
hoffnungsfreudigen normalen Verlag für den Vertreter
der angewandten Graphik wieder eine Fülle von Auf-
trägen. Noch mitten im Krieg kehrt man so zur
Friedensarbeit zurück, die unterbrochenen Werke werden

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