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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0206

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Verteilung manche Vorzüge. Der 4. Preis, Verfasser W.
H. Weiß-Offenbach a. M., hat besonders in dem Anhänger
mit dem Fackelträger einen ganz reizvollen Entwurf aufzu-
zeigen. Hans Hürlimann-Pforzheim beweist mit seinem
6. Preis, daß er es versteht, wirkungsvolle Motive zu schaf-
fen, die auch flott gezeichnet sind. In Hinsicht auf die
Schmuckarten zeigen sich seine Einsendungen als die reich-
haltigsten. Aus dem 7. Preis von Eugen Ehrhardt-Pforz-
heim sei zumal die Arbeit in Silber mit dem Kruzifixus
hervorgehoben, in der es gelang, ein schon früher versuchtes
Motiv zur reiferen Ausgestaltung zu bringen. Auch die
10 Belobungen erhalten vieles Vorbildliche. Ein allgemeiner
Überblick über die Arbeiten zeigt, daß man sich von dem
Grundsatz, der allein als der richtige erscheint, leiten ließ:
zuerst den künstlerischen Ausbau, dann erst Bezugnahme
auf den gedanklichen Inhalt, auf den bei dieser Aufgabe
jedenfalls eingegangen werden mußte. Somit steht zu er-
warten, daß auch bei anderen aktuellen Schmuckarten Zweck-
dienlichkeit, Schlichtheit und Schönheit als Leitmotiv auf-
gestellt werden. prof, L. SegmiUer.

AUS DEN VEREINEN

Der Wiederaufbau der zerstörten Ortschaften in
Ostpreußen. Der Deutsche Werkbund hat am 29. Mai 1915
an den Herrn Oberpräsidenten, von Batocki in Königsberg
i. Pr. die folgende Eingabe gerichtet:

»Ew. Exzellenz!

Ganz Deutschland nimmt Anteil am Wiederaufbau Ost-
preußens, der als eine Kulturaufgabe ersten Grades bezeichnet
wird. In allen Zeitungen wird die Notwendigkeit guter ein-
heitlicher Leistungen für den Wiederaufbau und die Ein-
richtung der Häuser in Ostpreußen betont. Man erwartet,
daß in Ostpreußen Besonderes geleistet werde, weil man
sich davon ein Befruchten auch anderer Landesteile, ein
Anwachsen der inneren Kultur auch in anderen deutschen
Provinzen als segensreiche Ausstrahlung ernstester Arbeit
erhofft. An anderer Stelle wird ausgeführt: In Ostpreußen
wird das oberste Gebot lauten, gute und gesunde Wohnungen
zu schaffen und für geeignete Erwerbsmöglichkeiten zu
sorgen, damit eine Hebung der Bevölkerungszahl eintrete
und eine Abwanderung aus dem Land vermieden werde.
Man führt sogar an: Gesetze und Verordnungen sind nicht
starre Begriffe; in Ostpreußen müssen die neuen Wege ge-
funden werden.

Ew. Exzellenz selbst haben in Ihrer Eröffnungsansprache
bei der ersten Vollsitzung der Kriegshilfskommission am
12. Oktober 1914 betont, daß die schwerste Arbeit darin
bestehen würde, die ostpreußische Bevölkerung wieder zu
stärken und festigen, denn nur wenn das gelinge, könne
Ostpreußen seine Aufgabe, ein Hort des Deutschtums zu
sein, erfüllen. Es wird weiter der gute preußische Wahl-
spruch »Jedem das Seine« angeführt.

In der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung wird ge-
schrieben: »Ganz Deutschland hat die Lehren, die sich aus
der zu leistenden Kulturarbeit öffentlich für das ganze Volk
ergeben werden, dringend notwendig«.

Vereinigungen im ganzen Deutschen Reich aller Art,
Handwerkskammern, Handelsgenossenschaften, Privatunter-
nehmen in großer Zahl sind willens, sich aus Ostpreußen
große Aufträge zu holen. Bei der heutigen Sachlage ist
mit Sicherheit anzunehmen, daß der größte Teil der Arbeiten
nicht in Ostpreußen gemacht werden wird, weil in all den
Handwerks- und ähnlichen Organisationen alte Beziehungen,
Übung und damit eine gewisse Überlegenheit vorhanden
sind. Schon jetzt haben die ostpreußischen Handwerks-
kammern, soviel wir wissen, Musterlager in Ostpreußen

eingerichtet. Ostpreußen hat bisher weder eine leistungs-
fähige Industrie noch leistungsfähige Handwerker, auch
keine für solche Zwecke genügende Organisation des Hand-
werks; dabei wünscht aber doch jeder Gutgesinnte, daß das
Unglück, das die Provinz betroffen hat, zum Segen für die-
selbe werden solle.

Es müssen neue Wege eingeschlagen werden; das ost-
preußische Handwerk ist, wie das Kleinhandwerk im übrigen
Deutschland, durch Staat, Gemeinden und auch durch private
Unternehmen bis in seinen innersten Kern geschwächt.
Seit den Zeiten der Gewerbefreiheit bekommt in Deutsch-
land der Billigste den Auftrag für Staat und Gemeinden,
d. h. also derjenige, der die Arbeit am gewissenlosesten
ausführt. Es ist in Deutschland längst Übung geworden,
daß sich die am besten und am gewissenhaftesten arbeiten-
den Firmen an Submissionen der Staats-, Militär- und Ge-
meindebehörden nicht mehr beteiligen; dabei geben alle
Behörden seit Jahrzehnten Handwerksfreundlichkeit vor.
Vielleicht ist die Zeit des Kleinhandwerks vorüber; für Ost-
preußen, eine rein landwirtschaftliche Provinz, ist ein Hand-
werksmittelstand, wenn die richtigen Maßnahmen getroffen
werden, nach unserer Ansicht durchaus möglich. Die bis
zum Krieg in Ostpreußen ansässig gewesenen Handwerker
werden sicher alle wiederkommen und wohl neue dazu —
wenn es eine Möglichkeit gibt, den Leuten für die nächsten
Jahre Arbeit zu garantieren, vor allem Arbeit zu anständigen
Preisen. Der kleine Handwerker kann sich nicht selbst
helfen, es wird längere Zeit vergehen, bis er so weit er-
starkt. Auch die Handwerkskammer kann ihm nicht helfen,
weil diese auch nicht kalkulieren und rechnen kann, es muß
also der Staat die Energie haben, neue Wege, event. sogar
ohne oder gegen die Handwerker, zu beschreiten. Es müßte
ermöglicht werden, daß in Königsberg eine Zentrale ge-
schaffen würde, die sich vielleicht durch den »Deutschen
Werkbund« von den besten deutschen Künstlern Entwürfe
beschafft, wie sie sie für Ostpreußen geeignet hält; der
Werkbund würde bereit sein, die Entwürfe für die Regierung
kostenlos zu beschaffen. Der Staat muß die Führung allein
in die Hand nehmen. Die Zentrale sorgt dafür, daß Leute,
die die Kalkulation wirklich in allen Einzelheiten beherr-
schen, diese Entwürfe berechnen und darnach die Verkaufs-
preise mit einem Gewinnaufschlag von 10°/0 festsetzen.
Vor allen Dingen wird es das Wichtigste sein, daß die
Zentrale eine Organisation schaffe, die die ostpreußischen
Arbeiter in die Lage setzt, mit der Berliner und der übrigen
deutschen Möbelgroßindustrie zu konkurrieren.

Der einzelne Kleinhandwerker hat weder genügend
trockenes und gepflegtes Holz, noch die Möglichkeit, Be-
schläge, Schlösser, und allerhand Zutaten in großen Auflagen
günstig herstellen zu lassen, er hat auch nicht die not-
wendigen Maschinen, und mit den wenigen Hilfsmaschinen,
die sich der Kleinhandwerker, wenn er etwas bemittelt ist,
anschaffen kann, ist er noch längst nicht konkurrenzfähig.
Zunächst müßten in Ostpreußen alle Betriebe festgestellt
werden, die größere Maschineneinrichtungen besitzen. Diese
Einrichtungen müßten, wenn sie nicht ausreichend sind, ver-
größert und von der Zentrale aus damit beschäftigt werden,
Normalien für die einheitlich entworfenen Möbel in großen
Posten herzustellen. Auch Trockenkammern für Holzvorräte
wären einzurichten.

Die Zentrale müßte sich zu diesem Zweck mit den
auf diesem Gebiet fortgeschrittensten und erfahrensten Groß-
betrieben Deutschlands in Verbindung setzen. Zu den von
der Regierung festgesetzten Preisen werden dann die Nor-
malien, sowie alle Zutaten der Möbel an die Kleinhand-
werker zwecks Fertigstellung ausgegeben. Auf diese Weise
gelänge es, daß die ostpreußischen Handwerker arbeiten
könnten wie die Möbelgroßindustrie. Die schwere einfache

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