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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Brock, P.: Der Krieg und das deutsche Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0221

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DER KRIEG UND DAS DEUTSCHE KUNSTGEWERBE

VON DR. PHIL. P. BROCK-METTLACH

DIE Entwicklung, deren organisatorische Durchführung
im letzten Jahrzehnt das dauernde Verdienst des
Deutschen Werkbundes bleibt, wird durch das noch
tobende Weltringen nur in ihrer Bahn gefestigt, sie wird
sich mit verstärktem Nachdruck organisch weiter vollziehen
mit dem gleichen Ziele wie ehedem: Das deutsche Kunst-
gewerbe in der Welt voran! Der Deutsche Werkbund stellte
sich bekanntlich die ebenso schwere wie verdienstvolle Auf-
gabe, aus dem Chaos durcheinander strömender geistiger
Beziehungen der Zeit eine einheitliche geistige Physiognomie,
einen Zeitgeist zu prägen, Kunst und Kunstgewerbe auf
dem Wege stilistischer Klärung zum prägnantesten Ausdruck
dieses Zeitgeistes zu machen und ihnen die hohe kulturelle
Mission zurückzugeben, die sie in vergangenen Jahrhunderten,
in Zeiten geistiger Geschlossenheit und einheitlicher Ideale,
zu erfüllen hatten. Das war und ist das letzte große Ziel,
dem das andere, näher liegende: Aufrichtigkeit und Echt-
heit an Stelle von Schein, Trug und Talmi in bezug auf
Material, Zweck und Schönheit als Mittel untergeordnet
wurde. Gerade aus dem Geiste dieses letzterwähnten
Strebens heraus konnte man die Bewegung auch eine echt
deutsche nennen und es begrüßen, daß sich mit zunehmen-
der Werkbundpropaganda das Schlagwort vom »Deutschen
Stil« durchzusetzen begann, das im Lichte der Gegenwart
erhöhte und vertiefte Bedeutung erlangt. Gerade die Gegen-
wart mit ihrer Umwertung aller Werte scheint mir auch
die Werkbundziele in erreichbarere Nähe und die ganze
Werkbundarbeit in ein neues, im Glänze deutsch-nationalen
Kulturstrebens verklärtes Licht gerückt zu haben.

Dabei ist in erster Linie zu berücksichtigen, daß durch
den Krieg, seine unausbleiblichen politischen, geistigen und
sittlichen Folgen für das deutsche Volk, dem neuen Deutsch-
land das als Morgengabe geschenkt wird, zu dessen syste-
matischer Anstrebung der Werkbund seiner wesentlichen
Bestimmung nach und letzten Endes auf den Plan trat:
ein starkes, alles andere überragendes, der Zeit eine ein-
heitliche Färbung gebendes Zeitideal in Gestalt eines leben-
digen Nationalismus, dessen feurige Glut um so belebender
auf das gesamte geistige Leben Deutschlands, auf Kunst
und Kunstgewerbe einwirken wird, je höher die Wogen
des Krieges, je niedriger das Gebaren unserer Feinde, je
größer und freudiger die Opfer des deutschen Volkes und
je glorreicher unsere Siege sein werden. Zwar werden
die geistigen Ausstrahlungen dieses Ideales die einzelne
Kunstleistung kaum stilistisch umgestalten oder auch nur
alterieren, Form- und Stilelemente werden die gleichen bleiben
wie ehedem, allein sie werden sich williger, reiner und
voller ergießen aus der geistig geläuterten Quelle deutsch-
nationalen Kunstschaffens. Die glänzendsten Eigenschaften
des deutschen Geistes: Deutsche Echtheit, deutsche Treue,
deutsche Freude und deutsche Gründlichkeit, sie müssen in
der Folge mehr denn je die geistige Signatur auch des deut-
schen Kunstschaffens werden, dessen ernste Strenge, ge-
paart mit dem geistig verwandten, sympathisch weichen
Wienertum zu den größten Hoffnungen auf die Erfolge
deutsch-österreichischen Kunstschaffens berechtigt. Schon
hat die Kunst, insbesondere die Malerei, begonnen, aus
dem neuen Zeitgeiste, zunächst noch an der Oberfläche
schürfend, neue, jugendliche Kraft zu schöpfen, und auch
die Kunstzeitschriften bemühen sich eifrig, der Kunst die Wege
zu jenen neuen Quellen national-künstlerischer Schöpfungs-
kraft zu ebnen. Auch für das deutsche Kunstgewerbe ist
dieses Streben jetzt mehr denn je nationale Ehrensache.

Jedes Werkstück des deutschen Kunstgewerbes, das hinaus-
geht über die Grenzen des Reiches, muß jetzt erst recht
eine Waffe deutscher Kulturoffensive im Auslande, ein Kron-
zeuge deutscher Echtheit, deutschen Fühlens und Denkens
werden. Darum scheint es jetzt mehr denn je erforderlich,
daß das deutsche Kunstgewerbe sich sammelt und mit allen
Mitteln die Werkbundarbeit unterstützt, die jetzt noch mehr
als seither ein wichtiges Stück nationaler Kulturarbeit ist.
Die Werkbundarbeit dürfte übrigens nach dem Kriege,
und damit komme ich auf die weitere, fördernde Wirkung
des Krieges, in einer gründlichen Wandlung der Konsu-
mentenanschauungen eine wesentliche Erleichterung er-
fahren. Eines der großen Hindernisse der Werkbundarbeit,
dessen vermeintliche Unüberwindlichkeit weite Kreise diese
Arbeit als eine Utopie betrachten ließ, war bekanntlich
gerade in Gegenständen des Luxusbedarfs die beschämende,
aber weit verbreitete und in unserem Volke tief wurzelnde
Vorliebe für fremdländische Dinge. Auch damit hat der
Krieg, der Berge zu versetzen vermag, gründlich aufgeräumt.
Weite Kreise des kaufenden Publikums, die früher über-
zeugt waren, daß französische, belgische und englische
Kleider, Hüte, Spitzen, Tuche, Porzellane und Ziergegen-
stände aller Art doch nun einmal besser seien als deutsche
Erzeugnisse, die die Händlerkreise und selbst zahllose Pro-
duzenten gegen ihren Willen in dieses fremdländische, ge-
fährliche Fahrwasser hineinzerrten, blicken jetzt, beschämt
von ihrer eigenen Torheit, zurück nach jenen ungeheuren
Summen, mit denen sie die Flotten unserer Feinde bauen,
ihre Truppenmassen vermehren und ihre Lügenpresse aus-
gestalten halfen. Daß die erfolgreiche Nationalisierung
unseres Bedarfs und selbst unseres Modebedarfs durchaus
möglich ist ohne jede Einschränkung der geschmacklichen
Durchbildung, das haben vor allen Dingen die jüngsten
Leistungen des Werkbundes und Berliner Konfektionshäuser
auf der Berliner Modeausstellung deutlich gezeigt. Hier
hat auch das konsumierende Publikum ein Stück nationaler
Kulturarbeit zu leisten. Von ihm hauptsächlich ging die
Fremdländerei, eingeführt von den Rennplätzen, Badeorten
und Vergnügungszentren des Auslandes, aus, in ihm in
erster Linie müssen auch Geschmack.und Mode ihre deutsch-
nationale Wiedergeburt feiern. Wird dieses Ziel erreicht,
so bedeutet das natürlich gleichzeitig eine Annäherung des
kaufenden Publikums auch an die Reihen des Werkbundes.
Dann erst gewinnt es Interesse und Verständnis für die
großen Werkbundideale, die letztlich auch die Erfüllung
der deutsch-nationalen Kulturmission zum Ziele haben.
So leistet der Krieg mit dieser naturnotwendig sich voll-
ziehenden Umwandlung der Volksseele eine ungeheure
nachhaltige Propagandaarbeit für die Werkbundideale, die
ohne ihn in den breiten Massen der Konsumenten schwerlich
in absehbarer Zeit festen Fuß hätten fassen können. Unter
der Fahne des »deutschen Stiles« wird er die Massen, die
ihr eigenes stärkstes Wollen und Sehnen, auch wenn es
sich zunächst mehr gefühlsmäßig und ungeklärt äußert, in
seinen Zielsetzungen verdichtet und verkörpert sehen, leichter
zu sammeln vermögen. Damit aber werden gleichzeitig,
als Reaktionserscheinung, die Reihen der Produzenten im
Werkbund sich schließen und ausdehnen, es werden auch
jene bisher fernstehenden Kreise der deutschen kunstge-
werblichen und Modeindustrie sich anschließen, die sich
den Fesseln der Ausländerei nicht zu entwinden vermochten,
weil sie von den Wünschen der Käufer und Händler, die
den Werkbundzielen zumeist ablehnend oder indifferent

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