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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Brock, P.: Der Krieg und das deutsche Kunstgewerbe
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0223

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gegenüberstanden, in der Gestaltung ihrer Produktion durch-
aus abhängig waren und bekanntlich überhaupt immer sind.
Der Krieg erleichtert damit dem Werkbunde die bisher so
wenig erfolgreiche Aufklärungsarbeit und Reformtätigkeit,
die von der breiten Masse der Käufer über den Händler
zum Produzenten voranschreitet. Das kaufende Publikum
muß durchdrungen sein von der Notwendigkeit und idealen
Tiefe der Werkbundziele und selbst bereit sein, hier und
da zunächst noch kleinere materielle Opfer für die Verwirk-
lichung dieser national bedeutungsvollen Ideale zu bringen.
Der im gegenwärtigen Kriege — das ist eine seiner vor-
teilhaften Wirkungen — mit lebendiger Kraft und unaus-
löschlicher Glut aufwallende Nationalismus in Deutschland
wird diesen Idealen leichter und schneller als bisher den
Weg in die Volksseele ebnen.

Und dann kommt ein Drittes, das vor allen Dingen
die Künstler vom Kriege lernen sollten. Das ist die ele-
mentare Macht der Einigkeit und Einmütigkeit, die um so
größer sein muß, je schwieriger und undurchführbarer das
in Angriff genommene Unternehmen erscheint. Deutsch-
land verdankt die besten und größten Erfolge nach innen
und außen in diesem Kriege seiner Einigkeit und uner-
schütterlichen Entschlossenheit zum endlichen Siege. Sie
verzehnfacht die verfügbaren Kräfte, sie beschleunigt die
Durchführung aller Maßnahmen, sie schafft in unserem
Volkskörper Bollwerke und Hindernisse von unüberwind-
licher Gewalt und Widerstandskraft, sie ist die Quelle unserer
erstaunlichen Leistungen. So sollte und wird es im Werk-
bund im Hinblick auf das gemeinsame große Ziel und die
ungeheure Schwierigkeit seiner Erreichung auch sein.



KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU







LITERATUR

Die Verhältnislehre und plastische Anatomie des
menschlichen Körpers für die Kunstjünger und kunst-
liebenden Laien von C. deW Antonio, Bildhauer und
Lehrer an der Kunstgewerblichen Fachschule für Holz-
bildhauer zu Warmbrunn in Schlesien, mit 124 Zeich-
nungen vom Verfasser. 234 S. kl.-8°, geheftet 3 M.,
in grau Leinen gebunden 3,50 M. Verlag Georg D. W.Call-
wey-München.
Seit langem habe ich ein so prächtiges Lehrbuch bezw.
einen so guten Ratgeber über die Verhältnislehre des
menschlichen Körpers nicht in Händen gehabt, ob-
gleich Werke, die sich dasselbe Ziel mit ähnlichem Inhalt
setzen, alljährlich mehrere erscheinen. Die meisten dieser
Bücher sind nicht so sehr künstlerisch als vielmehr wissen-
schaftlich behandelt; ihr Inhalt soll ausschließlich Gesetz
und Kanon sein. Daher kommt es, daß sie langweilen,
nicht zum Fühlen und Verstehen und Erleben des Stoffes
führen. Aller Kunststoff ist spröde und gefesselt an sich,
er muß befreit und befruchtet werden, er muß in uns
hineinsuchen. Und ein gutes Lehrbuch, dem dieser Geist
des künstlerisch-freien Ubertragens innewohnt, muß die
ihm gestellte Aufgabe erfüllen. Wie man den Stoff packt
und er dann von uns gleichsam Besitz ergreift, das ist
doch dabei die Hauptsache, gleich ob es sich um eine
Sprachlehre, ein Mathematikbuch, oder, wie hier, um eine
Anatomie handelt. Durch dell' Antonio spricht ein Künstler
und Lehrer von gleich guten Eigenschaften zu uns; seine
lebendigen Holzfiguren, an denen gleichsam sein anatomischer
Lehrstoff und seine Verhältnislehre eine glänzende Probe
auf deren inneren Wert bestehen, sind ja auch in unsern
Kreisen allerbestens bekannt. Wer heute als Lehrer, ich
nehme das Wort sehr hoch, angesprochen werden kann,
der steht besonders hier in einem sehr verantwortlichen
Verhältnis zur Zeit, über die weithinaus sich seine Tätig-
keit erstrecken soll. Der Verfasser erfüllt auch in seinem
Lehrbuche diese hohe Meinung ganz. Es kommt nicht
lediglich darauf an, daß man für irgend eine Sache einen
neuen Ausdruck findet, sondern darauf, daß dieser Aus-
druck eine Form annimmt, die die Sache selbst zu einer
ganz neuen gestaltet, daß sie uns ihrer ganzen Wesenheit
nach offenbar wird. So machte es dell'Antonio in seiner
Verhältnislehre und plastischen Anatomie. Ich will auch
seine Methode deshalb nicht über Gebühr herausstreichen,
nicht sein Verhältnissystem, das auf Halbierung und me-

trischem Maß beruht, darin als das Neue hinstellen. Jeder
Lehrer kommt schließlich zu einer persönlichen Unterrichts-
weise. Für mich kommt es auf die Stärke dieser Lehr-
persönlichkeit an, mit der er seinen Lehrstoff bewältigt
und dabei die Persönlichen: des Schülers achtet. Darin
zeigt sich dell'Antonio eben als Meister, der Lehrer lebt
in diesem Buche. Das sei Empfehlung genug. Für ängst-
liche patriotische Gemüter sei nebenbei verraten, daß unter
dem italienischen Namen ein echter tiroler Holzschnitzer
steckt, ein Bundesbruder. Prof. Otto Schuize-Eiberfeid.

Silhouetten (Schattenbilder, Schwarzbilder). Sollte
nicht gerade unsere Zeit für solche einfache und große
Kunst besonders empfänglich sein, sie nicht ganz besonders
darauf eingestellt sein, solche knappe, festumrissene und
geordnete Kunst zu erzeugen und zu genießen. Es ist in
solchen Schattenrissen, Schwarzbildern oder Schatten-
schnitten, wie sie auch genannt werden, das Wesentliche
einer Erscheinungsform gegeben, dem die Kraft innewohnt,
die gesamte Innenzeichnung zu ersetzen. In Deutschland
ist diese Schwarzkunst von jeher mit Vorliebe gepflegt
worden, große wie kleine Künstler und Künstlerinnen haben
sich ihrer bedient, um köstliche Ausschnitte aus Leben und
Natur in ernsten und heitern Bildern aus schwarzem Matt-
papier mit feiner Schere zu gewinnen. So wenig sie schein-
bar der Darstellungsform nach bieten können, so groß ist
gerade deshalb ihr Reichtum an innerem Leben, weil wir
der Phantasie einen unbegrenzten Spielraum für das Her-
auslesen oder Hineindichten gewähren können. — Auch
unsere Zeit hat keine Muße, sich bei Einzelheiten aufhalten
zu können; auch sie muß zusammenfassen, Ausschnitte,
knappe Bilder und Berichte geben, die uns Großes bieten,
nichtige Dinge, kleine Schlappen verschweigen. Und ge-
rade unsere Kriegszeichner sollten darauf achten, in ihren
Rissen und Skizzen nur äußere Form zu geben, Neben-
dinge und Anhängsel beiseite zu lassen, vor allen Dingen:
Skizzen nicht hinter dem Schützengraben fertigmachen zu
wollen.

Das bestätigen die köstlichen Schattenrißwerke, die der
Kunstwart-Verlag Georg D. W. Callwey in München jetzt
herausgegeben hat. Da ist zunächst die kleine Mappe
»Allerlei Humore« von Ernst Penzoldt, 26 feine Blätter
aus dem Leben mit seinen kleinen Leiden und großen
Freuden, in die aber auch zuweilen der Tod eingreift, ent-
haltend. Es sind Bilder für Große und Kinder, die einen
reichen Unterhaltungsstoff wecken. 2.50 M. für solche Fülle
des Heitern und Ernsten bedeutet einen bescheidenen Zoll.

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