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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Kriegsplastiken der vereinigten Wiener und Gmundner Keramik G.M.B.H.
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0239

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KRIEGSPLASTIKEN DER VEREINIGTEN WIENER
UND GMUNDNER KERAMIK G. M, B. H.

ES wurde oft schon betont, wie schnell und aus-
giebig sich die Industrie den materiellen und
geistigen Bedürfnissen der Zeit angepaßt hat.
Nirgends stärker als auf dem Gebiete der Kleinkunst.
Man findet heute in den Schaufenstern der großen
Geschäfte kaum ein Ding, dem der Stempel der Zeit
nicht aufgedrückt wäre. So ist es auch selbstverständ-
lich, daß die Industrie, die den Bedarf an Schmuck
für unsere Wohnräume zu decken hat, den geistigen
Bedürfnissen des Tages entgegenzukommen sucht.

Nirgends scheint sich die Wandlung im Geschmack
langsamer zu vollziehen, als auf dem breiten Gebiete
der Kleinkunst. Obgleich von hier die ersten und
stärksten Anregungen zu einem zeitgenössischen Kunst-
gewerbe ausgingen, hier die Neuerungen am mutigsten
vortreten durften und auch vortraten, so konnte bis
heute doch der mächtige Wall des Publikumgeschmackes
nicht endgültig durchbrochen werden. Ich brauche nur
an die große Masse der Reiseandenken zu erinnern
und ein Monstrum steht vor uns, dem gegenüber die
ganze moderne Bewegung ein großes Umsonst bedeutet.
Wir können heute in den meisten geheimrätlichen Warte-
zimmern bis hinunter zur guten Stube des Kleinbürgers
ebenso wertlose Kaminverschönerungen, Schreibtisch-
garnituren und Blumenzusammenstellungen finden, wie
vor fünfzehn Jahren. Die Ausnahmen sind wohl häufiger,
immer aber noch selten genug, um als Ausnahmen
gelten zu können.

Angesichts solcher Verhältnisse muß es uns freuen,
daß sich eine Industrie, die zwar keine Massenartikel
herstellt, sich aber auch nicht auf Einzelobjekte be-
schränken kann, immer bemüht, ihr Erzeugnis auf einer
beachtenswerten künstlerischen Stufe zu halten.

Die Vereinigte Wiener und Gmundner Keramik,
G. m. b. H. in Gmunden, Oberösterreich, ist nur unter
diesem Namen ein neues Unternehmen. Sie geht auf
das Stammhaus Schleiß in Gmunden zurück, das wieder
mit der dortigen bodenständigen Fayence- und Ton-
warenindustrie verwachsen ist, deren Tradition bis in
das 17. Jahrhundert zurückreicht. Man kennt jene
manganfarbigen, gelben und hauptsächlich spangrünen
Glasuren als ihr Charakteristikum. Als jüngster Zweig
der Ahnenreihe haben Franz undEmilieSchleiß städtisches
Blut der bäuerlichen Überlieferung beigemischt und die
Erzeugung zum Teil in ein Fahrwasser gelenkt, das
vom Hauptstrom des modernen Kunstgewerbes in Wien
und Berlin abgeleitet ist. Als organische Fortsetzung
dieser Veränderung, oder Verjüngung hat sich vor
wenigen Jahren auch jener Teil der »Wiener Werk-
stätte« angegliedert, der sich als Wiener Keramik schon
lange bekannt und beliebt zu machen wußte.

Damit hatte das Gmundner Landkind ein neues
Kleid mehr. Die Erzeugung teilte sich nun in die alte
bäuerliche Fayence und die neue, aus feiner geschlemm-
tem Material hergestellte Keramik. Dem Material ent-
sprechen auch die Gegenstände, die daraus erzeugt

werden. Dort Jäger, Bauern, allerhand Küchengerät
und Zierfayence, wie Teller, Krüge, Schüsseln mit dem
traditionellen Figuren- und Blumendekor, hier mehr
modische Figürchen, Putten und Luxusdinge, wie Vasen,
Dosen, Aufsätze mit dem bekannten schwarzen oder
goldenen linearen Ornament, das die »Wiener Werk-
stätte« hervorbrachte.

Wenn wir den durch Material und Technik be-
dingten Charakter der Fayence und Keramik als selbst-
verständlich hinnehmen, also eine gewisse Weichheit,
Zierlichkeit, ja sogar Süßlichkeit voraussetzen, so kann
man sagen, daß die Wiener und Gmundner Keramik
heute zu den seltenen Industrien gehört, die neben den
unvermeidlichen kaufmännischen Gesichtspunkten rein
künstlerische in ihrer Produktion walten läßt. Das
sehen wir an den hier abgebildeten Kriegsplastiken be-
sonders klar. Jeder Köder, mit dem heute so viele In-
dustrien auf das große Publikum wirken wollen, fehlt
hier. Keine sentimentalen Verhimmelungen sterbender
Krieger, hingebungsvoller Krankenpflege, lieblicher Ab-
schiedstränen, nichts von all dem, sondern schlichte
Verkörperungen des Volkes, seiner Führer und der
Dynastie. Wahrzeichen der schweren gegenwärtigen
Zeit, hingestellt von einer hunderte Jahre alten Tra-
dition des Handwerks!

Die Figuren Kaiser Franz Josefs, des Thronfolgers
und der beiden bewährten Feldherren Hindenburg
und Conrad v. Hötzendorf nach dem Entwurf von
Prof. Powolny-Wien haben so gar nichts Bramarba-
sierendes, im Gegenteil, Hindenburg hat vielleicht zu
viel von seinem Kriegertypus verloren und auch Hötzen-
dorf hätte ohne Gefahr eine Steigerung ins Helden-
hafte vertragen. Darauf kommt es vielleicht nicht an.
Es sind Idealporträts, die als Ganzes und nicht nach
Einzelheiten genommen werden sollen. Deswegen fehlt
auch alles an Orden, Schnüren, Waffen, Bändern, alles
was die Werkchen aus ihrer Sphäre reißen konnte.
Das einzig Tatsächliche ist die Schrift am Sockel.
Die beiden Soldatenfiguren von Franz und Emilie
Schleiß sind stark in der Gmundner Tradition ge-
halten. Eine 'gewisse ländliche Kindlichkeit spricht
aus ihnen, die Typen sind eher weich als helden-
haft, was sicher auch am Material selbst liegt, das
eine scharf abgesetzte Linie und Form nicht auf-
kommen läßt. Herb ist am ehesten die Stilisierung
der Formen, die Auffassung der Bäume, Felsen,
vor allem aber die Farbenbehandlung, die Glasur,
die, ohne Konzession an das Publikum zu machen,
rein von den alten Gmundner Farbrezepten ab-
hängig ist.

Das eben macht die kleinen Werkchen so lobens-
wert, daß sie, trotz ihrer Aktualität, die so groß ist
wie bei vielen der Millionen anderen wertlosen Dinge,
im Sinne des Materials und seiner künstlerischen
Gesetze entworfen sind, und diesen so geschaffenen
Rahmen niemals verlassen. W—n.

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