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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 26.1915

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Elster, Alexander: Die Zukunft des Kinos
DOI Artikel:
Leisching, Julius: Deutsch-mährischer Kunstgewerbebund
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https://doi.org/10.11588/diglit.3871#0245

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und der konkludenten Handlungen erst von Grund auf ge-
lernt werden, auf daß man die halb unbewußten Äußerungen
zu erkennen und zu deuten vermöge.

In der Großstadt wird das Kino einerseits das Theater
der kleinen Leute bleiben können, wegen der größeren
Billigkeit seines Apparats, und daneben wird es die be-
sondere Kinokunst, wie wir sie eben in ihren Aufgaben und
Leistungen skizzierten, in besonderen, mehr oder weniger
hochstehenden Instituten zeigen und selbst da in der Aus-
wahl (referierend) Dinge und Leistungen zeigen können,
die man sich sonst nicht alle Tage leisten kann (Basser-
mann, Wegener und fremde Größen). In der kleinen Stadt
hat es noch wichtigere Aufgaben; das Theater zu ersetzen
oder zu ergänzen. Wo konnte denn früher allüberall so
auserlesene Schauspielkunst gezeigt werden, wie man sie
z. B. in dem Reicher-Film »Heimat und Fremde« und in
den Asta Nielsen-Filmen sieht? Erziehung zum Schönen,
zur Würdigung der Kunst wird auf diese Weise erreicht,

die eben durch die Bühne sonst nicht erreicht werden
könnte. Daß man daneben immer, wo es möglich ist,
lebendige Menschen und Sprache und Gesang wird hören
wollen, ist doch ganz selbstverständlich und hat damit kaum
noch etwas zu tun.

Das Gesellschaftsstück muß mithin immer mehr ein-
geschränkt werden, sofern es nicht besondere Kinoqualitäten
hat durch auserlesene Schauspielkunst, schöne Menschen
und Naturszenerien. Denn das eigentliche Feld der Film-
kunst liegt in der Verbindung von Natur und Geist, in der
zu höchster Vollendung gesteigerten und im Idealbild fest-
gehaltenen Bewegungskultur in dramatischen Rahmen!

Wird dies erkannt und in echtem künstlerischen Geist
ausgeführt, so ist die Zukunft des Kinos eine gute, in so-
zialer, in künstlerischer und in wirtschaftlicher Hinsicht.
Denn in solcher Entwicklung liegt zugleich die Beseitigung
aller der Gefahren und Schäden, die dem Filmstück an-
gehaftet haben und zum Teil heute noch anhaften.

DEUTSCH-MÄHRISCHER KUNSTGEWERBEBUND

EIN merkwürdig großer Teil der führenden Künstler-
schaft im österreichischen Kunstgewerbe entstammt
den Sudetenländern. Olbrich war bekanntlich ein
Österreichisch-Schlesier. Der Direktor der Wiener Kunst-
gewerbeschule, Maler Alfred Roller, ist ein Brünner,
Architekt Josef Hoffmann aus Pirnitz bei Iglau, der Holz-
bildhauer Franz Barwig ein Neutitscheiner, die im »Reiche«
wirkenden Brüder Benirschke aus Mährisch-Schönberg.

Der zielbewußte, die Form scharf dem Zweck an-
anpassende Geist der Großindustrie, der den Sudetenländern
im 19. Jahrhundert Aufschwung und Bedeutung verlieh, ist
offenbar gerade unserer neuzeitigen Kunst günstig. Und
nicht bloß der angewandten Kunst. Zwei unserer be-
deutendsten jüngeren Bildhauer, der Znaimer Hugo Lederei
in Berlin und der Brünner Hugo Hanak in Wien, kamen
ebenso wie Carl Wollek aus dem Mährerland.

In seinen zahlreichen, seit altersher gewerbefleißigen,
erfreulich aufblühenden Städten paarten sich überlieferte
Kultur mit frisch zugreifender technischer Intelligenz und
warmem Heimatsinn. Kein Wunder, daß die Anregung, die
da und dort zerstreuten Kräfte in einem »Deutschmährischen
Kunstgewerbebunde« zu vereinigen, Anklang und sofortige
Ausführung fand.

Nach kaum einjährigem Bestände war diese stille Ge-
meinde — die ziemlich abseits von den Sensationen und Re-
volutionen der Weltstädte an fortschreitender Vervoll-
kommnung der eigenen Arbeit schafft, ohne vielverheißende
Programme aufzustellen — schon 1910 in der Lage, mit einer
kleinen gewählten Ausstellung im Brünner Erzherzog
Rainer-Museum vor die Öffentlichkeit zu treten. Im ver-
flossenen Sommer, gerade noch zur rechten Zeit vor Kriegs-
ausbruch, bot dann die in einem entzückenden landschaft-
lichen Rahmen, auf der alten Markgrafenburg zu Znaim,
veranstaltete weit größere Ausstellung ein erschöpfendes
Bild von der regen Tüchtigkeit auf allen Gebieten.

Eine soeben im Brünner Erzherzog Rainer-Museum er-
öffnete »Ausstellung künstlerischer Kriegserinnerungen« be-
weist, daß in diesen Kräften auch unter den erschwerenden
Umständen, unter denen die Künste allerorten jetzt zu leiden
haben, die Schaffensfreudigkeit keineswegs erlahmt ist.

Ein gutes Zeichen für die Bodenständigkeit und Lebens-
fähigkeit des deutschmährischen Kunstgewerbes ist sein
Zusammenhang mit den gerade hier altüberlieferten, einst
als Volkskunst und Hausindustrie blühenden Kunsttechniken.

Vor allem der Tonbearbeitung, für die der öster-
reichische Staat schon vor mehr als vierzig Jahren eben in

der südmährischen Stadt Znaim eine eigene kaiserliche Fach-
schule errichtet hat. Sie stand künstlerisch nie so hoch, wie
eben jetzt. Sowohl in größeren wetterfesten Freistandbildern,
mit denen Professor Viktor Schufinsky Erfolg hatte, wie
in farbig glasierten Vasen und Schalen reizvoller Aus-
staltung (Professor Bruno Emmel) und Figuren, besonders
gelungenen Tieren (Professor Michael Mörtl) und in den
Leistungen der Schüler offenbart sich größter Ernst und
zielbewußter Fortschritt. Einige der tüchtigsten Tonbild-
nerinnen haben es auch außerhalb ihrer engeren Heimat
zu Ansehen gebracht. So namentlich Frau Schwetz-Lehmann
in Wien, deren Fayencefiguren zum besten gehören, was
daselbst geleistet wird. Dann Frau Schleiß -Simandl in
Omunden, die in den, von den Vorfahren ihres Mannes
begründeten, Altgmundner Werkstätten mit großem Eifer
tätig ist.

Der zweite Hauptpfeiler altüberlieferter und neubelebter
mährischer Kunstübung ist die vielgestaltige Textiltechnik,
zu deren Förderung der Staat gleich eine ganze Reihe von
Fachschulen errichtete und unterstützt. Für Weberei nament-
lich die Brünner Lehranstalt für Textilindustrie und die
Schule inMährisch-Schönberg, dem Mittelpunkte der Leinen-,
Seiden- und Damasterzeugung. Von den Mitgliedern des
Bundes haben sich darin die Professoren Franz Sieber,
Franz Stanzet, Alois Bohla sowohl mit feinfarbigen Seiden-
geweben, Kirchenstoffen und Tischdamasten, wie mit ge-
knüpf len Teppichen hervorgetan, die teils in den Lehr-
werksstätten, teils durch die Damastfabrik Norbert Langer
(Deutsch-Liebau bei Mährisch-Schönberg), durch die eifrige
Römerstädter Seidenfabrik Flemmich Söhne (besonders in
neuen Meßgewändern) und durch Ginzkey in Maffersdorf
(Böhmen) zur Ausführung kommen.

Derselbe feine Farbensinn spricht sich in den Arbeiten
der von Marianne Roller geleiteten Frauengewerbeschule
des Brünner Frauenerwerbvereines aus: Stickereien, Knüpf-
arbeiten und Webereien für Kissen, Gürtel, Häubchen und
Taschen, die sich durch Entwurf und technisches Gelingen
weit über die sonst gepflegte »weibliche Handarbeit« er-
heben. Der künstlerische Ernst, der strenge Maßstab,
gewissenhafte Schulung und glückliche Veranlagung ver-
binden sich hier zu erfreulichem Gelingen und weisen den
freilich nicht immer so bequemen Weg, der jenseits von
Geburts- und Namenstagsgeschenken, auch die Frauen-
arbeit über den flüchtigen Dilettantismus empor zu strenger
Selbstzucht führt. Hierin sind auch Klara Dworaczek
(Brunn) und Mathilde Schulter (Wien) zu nennen.

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