Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

DOI Artikel:
Eberhardt, Hugo: Beispiele für die Verwundetenbeschäftigung des Lazaretts für Berufsübungen, technische Lehranstalten, Offenbach a. M.
DOI Artikel:
Krieg und Krieger in der Bildenden Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0178
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Unsere Arbeit müßte zur Folge haben, daß die
Tausende von Männern des kaufkräftigsten Alters, die
unsere Lazarette durchlaufen, durch die geschmack-
liche Läuterung zu geschulten kritischen Käufern er-
zogen werden. Die erzieherische Beeinflussung des
Einkaufs ist ein Problem von allergrößter wirtschaft-
licher Bedeutung.

Die Produktion folgt unbekümmert um ästhetische
und ethische Forderungen dem Konsum auf »Gedeih
und Verderb«. Es gibt keine Geschmacklosigkeit, für
die sich nicht ein Verfertiger findet, glaubt er nur
ein Absatzgebiet für sein Machwerk offen.

Das große Heer von Verwundeten dieses Krieges
der unerhörten Zahlen müßte durch geschmacklichen

Drill zu einem ebenso großen Heer gut einexerzierter
Käufer werden, die durch disziplinierten Einkauf mit-
helfen dafür zu sorgen, daß die 3—4 Milliarden, die
wir jährlich für Rohstoffe ins Ausland tragen, zu wirk-
lichen Werten verarbeitet werden, zu Dingen, die
unseres soliden deutschen Namens würdig sind.

Wir dürfen es nicht dabei bewenden lassen, das
letzte Ziel der Verwundetenbeschäftigung in einer mehr
oder weniger nützlichen mechanischen Betätigung der
Hände zu erkennen: ich meine, wir würden unseren
deutschen Volkscharakter verleugnen, wollten wir uns
nicht dahinter machen, aus der uns aufgezwungenen
freien Zeit weitergreifende Werte für unsere Volks-
wirtschaft herauszuholen. —

^

KRIEG UND KRIEGER IN DER BILDENDEN KUNST

VON PROF. DR. GAEBEL, KASSEL

WENN ein Gedanke uns stolz machen darf in
diesem ungeheuren Kriege; wenn eine Über-
zeugung, in redlicher Selbstprüfung erworben,
uns die Ruhe des Gewissens, Zuversicht und Selbst-
vertrauen gewähren kann, so ist es die, daß wir unter
all den großen, am Weltkriege beteiligten Nationen
das triebkräftigste Volk sind, das erfinderischste an
neuen Aufgaben, neuen Idealen. Triebkräftig nicht
in dem äußeren Sinne jener Staaten, denen ungeheure
Räume zur Verfügung stehen; unheimlich eng ist die
Flächengrundlage unserer Kultur. Wohl aber in jener
tieferen Bedeutung, daß wir all die furchtbaren Nöte,
die das Zeitalter der Industrie und des Kapitalismus,
der Technik und des Spezialistentums über die Mensch-
heit brachte, tief und innerlich durchempfunden und
unermüdlich, planmäßig und erfinderisch daran ge-
arbeitet haben, Fluch in Segen, Not in Stärke zu
verwandeln.

Seit Theoderich der Große das erste Gesetz zur
Erhaltung römischer Denkmäler erließ, seit der deut-
sche Orden zwar Heiden ausrottete, aber Dämme
baute, Sümpfe trocken legte, Bauernkraft ins verödete
Land zog, sind wir Deutsche immer stark gewesen
im Aufbauen. Mögen die andern davon reden, den
deutschen Militarismus, deutschen Handel, deutsche
Industrie zu »zerstören«, mögen sie die Arbeit deut-
scher Missionare, das Werk der deutschen Wolga-
siedler vom Erdboden wegwischen: sie zeigen damit,
wes Geistes Kind sie sind, und daß in der Tat
zwischen dem Franzosen, dem Engländer und dem
Tataren eine geheime Geistesbrüderschaft besteht.
Wir gründen inzwischen Universitäten in Warschau
und Gent, säubern polnische und nordfranzösische
Nester, führen in Belgien Schulzwang und Arbeiter-
schutz ein. Und immer klarer wird es, daß der Haß,
der uns überall umgrinst, in seinem tiefsten Beweg-

grund nichts anderes ist als der Neid der Unfrucht-
baren gegen die Schöpferischen. Mustermenschen sind
wir wahrlich nicht; aber in uns lebt ein Drang zur
Höhe, zur Tiefe, zur Innerlichkeit, zum Echten, Rechten
und Wahren, den die andern nicht kennen.

Bedarf es eines Zeugnisses dafür, so können wir
auf eins verweisen: auf unser Verhältnis zur Kunst.
Vor allem zu jenem Problem: es genügt nicht, daß
große Künstler vorhanden seien; es ist zu fordern,
daß die Kunst das Leben durchdringe. Wir wissen,
daß es noch nie auf Erden eine so jämmerliche kunst-
leere Zeit gegeben hat, als jene dreißig Jahre wirt-
schaftlichen und staatlichen Aufschwungs nach 1870 —
vor allem, was die bildende Kunst anbelangt. Wir
wissen, daß nie in dreißig Jahren so viel und so
schlecht gebaut worden ist; wir empfinden es als eine
Schmach, daß die künstlerische Trostlosigkeit dieser
Jahre jenem Schimpfwort Barbaren einen Schein des
Rechtes verliehen hat. Aber wir wissen auch, daß
eben der tiefen Beschämung die Besinnung und Ein-
kehr entsprang und daß es in zäher, zielbewußter,
nur manchmal vielleicht zu theoretischen Arbeit es
gelungen ist, die Möglichkeit einer großen bildenden
Kunst auch im Zeitalter des Fabrikschlotes nachzu-
weisen. Und wir wissen, daß keiner von unseren
Feinden die Größe und Erhabenheit der Forderung
auch nur begreift. England und Rußland nicht, denn
sie haben wohl Künstler, aber keine Kunst; Italien
nicht, denn es wird noch immer erdrückt von der
Last ruhmreicher Jahrhunderte; Frankreich nicht, denn
es fehlt seinen Talenten an dem riesigen Vorwärts-
drängen des Volksganzen. Wo kein Kinderüberschuß
erzeugt wird, kann nicht gebaut werden; wo nicht
gebaut wird, keine schöpferische Architektur; wo keine
Architektur, bleibt Malerei und Bildhauerei Atelierkunst,
Geschmacksache, rahmenlos, beziehungslos.

168 —

Gescr
 
Annotationen