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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Behne, Adolf: Majorität und Qualität
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0206

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lerisches Gewissen vorschreibt. Heute kann man die Fälle
zählen, in denen ein Künstler das malt oder meißelt, was
ihm ein Außenstehender sagt, gegenüber jenen anderen,
in denen er seine Träume, seine Erlebnisse gestaltet —
ohne Rücksicht auf die Ansprüche einer Außenwelt.

Weil das Publikum noch genau ebenso wie in den
früheren Jahrhunderten zum weitaus größten Teile vom
Inhalte aus an ein Kunstwerk herangeht, der Künstler aber
seit dem Beginn der modernen Kunst, d. h., seit er dem
Zwange des Auftraggebers entronnen ist, von formalen,
künstlerischen Problemen aus, deshalb klafft heute zwischen
beiden eine tiefe Kluft. Das Kunstwerk entsteht sozusagen

hinter den Kulissen, Ob also ein Bild, eine Skulptur, ein
Bauwerk dem Publikum etwas bedeuten, bedürfte heute
stets erst einer besonderen Untersuchung. Erst wenn die
Majorität in unzweideutiger Weise seine Sympathien auf
seine Art bekundet hat, ließe sich sagen, daß überhaupt
eine Beziehung zwischen dem Werke und dem Publikum
besteht. Natürlich sind die Urteile des Publikums keine
Qualitätsurteile: Gutes, Schlechtes und Auserlesenes findet
sich beisammen. Eine Zusammenstellung und Unter-
suchung solcher Majoritätsurteile, wie sie Deri forderte,
wäre höchst interessant und sollte aus psychologischen
Gründen einmal durchgeführt werden.



KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU







AUSSTELLUNG

Köln. Kunstgewerbe in Kölner Privatbesitz. Der
»Kölnische Kunstverein« hat eine Ausstellung »Kunst in
Kölner Privatbesitz« veranstaltet, der eine kunstgewerbliche
Abteilung angegliedert wurde, die auf Anregung der »Ver-
einigung für Kunst in Handel und Gewerbe« ihre Zu-
sammenstellung erfuhr. Zwar ist die Ausstellung, die ein
erster Versuch ist, das Kunstgewerbe in Kölner Privatbe-
sitz der Öffentlichkeit zu zeigen, keineswegs umfangreich.
Da es sich aber zumeist um vortreffliche Einzelwerke
handelt, gibt sie einen klaren Begriff von der Kölner
Sammeltätigkeit. Es ist kaum überraschend, daß das
Wiener Kunstgewerbe am stärksten vertreten ist. Es mag
dem Einfluß der starken Wirkung des österreichischen
Hauses auf der Werkbund - Ausstellung in Köln zuzu-
schreiben sein. Von Josef Hoffmann ist ein goldener
Damenring und ein großer getriebener silberner Leuchter
ausgestellt, beides Arbeiten, die von der Vollkommenheit
der handwerklichen Arbeit und der sicheren Stilisierung der
Formen, die das Wiener Kunstgewerbe auszeichnet, Zeug-
nis ablegen. Wesentlich freier, weniger kunstgewerblich
sind die reizvollen Emaillebilder, die von Johanna Meyer-
Michel, Emil Meyer und Leopoldine König geschaffen
wurden. Durch ihre feine Linienbewegtheit sind sie eben
so ausdrucksvoll, wie durch die reizvolle Verteilung der
ungebrochenen leuchtenden Farbflächen. Diese Farben-
freudigkeit, die weder durch den Zug zur Linie und zur
strengen Stilisierung, noch durch die Neigung zur Flächen-
betonung in der Wiener Formanschauung beeinträchtigt
wird, charakterisiert auch die keramischen Arbeiten von
Prof. Powolny und der Wiener Kunstgewerbeschule. Eben-
so wie die in der Formgebung und Farbstimmung groß-
zügigen Holzplastik »Adam und Eva« von Sliwka in Wien.
In den kleinen feingeschnitzten Gestalten von Adam und
Eva wird aus der klaren Beobachtung der Wirklichkeits-
formen ein reiches plastisches Leben gewonnen, das in
der ausgezeichneten Weichheit der reichen, aber stark stili-
sierten Oberflächengestaltung seine Sammlung findet. In
der Gesamtauffassung, in der Art wie der impressionistische
Bewegungseindruck durch eine gesteigerte Sammlung des
Ausdrucks vereinheitlicht wurde, zeigt sich eine gewisse
Verwandtschaft mit dem Bronzerelief »Krieg« von F. Klimsch
(Abb. S. 197). Von keramischen Arbeiten seien die um-
fangreichen Gruppen, die heiligen drei Könige, die sieben
Schwaben und Genovefa von Prof. Wiegand in München
erwähnt, die in dem Reichtum der plastischen Formwerte
und der feinen Abstimmung der Glasur zeigen, mit welcher

Sicherheit die Lösung schwerster technischer Fragen sich
vollzieht. In der reizvollen Tänzerin von Scheurich sind
die charakteristischen Formen der Porzellanplastik in der
feinen Geschmeidigkeit ihrer Formen mit feinem Stil-
gefühl betont. Ernst Barlach geht in seinen Porzellan-
gruppen in der Betonung des Flächenhaften noch weiter,
um dadurch einen fast dumpfen schweren, aber sehr ver-
tieften Ausdruck zu gewinnen. Erwähnt seien noch die
farbig schön abgestimmte Steinzeugfigur der Lawendelfrau
von Stable, sowie die Kristallvasen, Karaffen und Gläser
von Lobmeyer in Wien und die Gläser von Oskar Rauter,
Köln. Ein irisierendes Glas von J. Schneckendorf sowie
die durch die Schönheit der Glasur vorbildlichen Vasen von
de Coeur und Busch-Jensen gehören zu den besten kera-
mischen Arbeiten. Eine silberne Kanne von Georg Jensen
überrascht durch die bewußte Einfachheit der Form und eine
silbervergoldete Blumenschale von Wimmer wirkt durch die
feine Zeichnung des Blatt- und Blütenwerkes äußerst reizvoll.

Die Werke der Buchkunst, eine kleine Auswahl aus
der Sammlung Stinnes, geben eine Vorstellung von der
handwerklichen und künstlerischen Bedeutung des deut-
schen Kunstgewerbes. Der Bibeleinband nach dem Entwurf
von Prof. Kleukens (Abb. S. 197) ist wohl eins der bedeutend-
sten Werke der Buchkunst überhaupt. In dem getriebenen
Goldschmuck des Belages, in den phantastisch reichen Formen
der Schließen ist der Einband ein Meisterwerk der Gold-
schmiedekunst. Sehr interessant ist es, die große Ver-
schiedenheit der technischen und künstlerischen Lösungen
der Bucheinbände zu beobachten. In einigen, namentlich
in zwei Einbänden von Gustav Wolf, ist eine möglichste
Annährung an die Werke der bildenden Kunst, an die
Malerei und Plastik, erreicht. Ebenso wie in der Nach-
schaffung eines Holzschnittes von M. Denis, der in farbiger
Ledereinlage den Deckel eines Buches vonKersten schmückt.
Andere Einbände mit farbiger Ledereinlage von Enders und
Fickentscher zeigen eine strengere kunstgewerbliche Glie-
derung. Fickentschers Ledereinband mit Handvergoldung
scheint in der außerordentlichen Charakteristik buchge-
mäßer Gestaltung zu beweisen, daß die neuere Buchkunst
mit den besten Werken der alten Zeit in Wettbewerb treten
kann. Zum Schlüsse seien noch Plaketten von Adolf Hilde-
brandt und Orlik sowie die kleine Bronze des nackten
Knaben von G. Minne erwähnt.

Die Ausstellung zeigt, daß auf kunstgewerblichem Ge-
biete in Köln kein reger Sammeleifer besteht. Es wäre
sehr wünschenswert, würde die Ausstellung dazu beitragen,
das Interesse an dem neueren Kunstgewerbe zu beleben.

Dr. E. Lüthgen.

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