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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Hansen, Fritz: Vom Urheberrecht an Künstlerschriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0244

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VOM URHEBERRECHT AN KÜNSTLERSCHRIFTEN

VON SYNDIKUS FRITZ HANSEN-BERLIN

IN der jetzigen Kriegszeit hat das Bestreben, den Plakaten
und sonstigen gewerblichen Drucksachen einfache aber
geschmackvolle Formen zu geben, dahin geführt, den
Künstlerschriften besondere Bedeutung zu verleihen.
Trotzdem aber kann man beobachten, daß bei derartigen
Schriften nicht in dem gleichen Maße die Arbeit des Künstlers
gewürdigt wird, wie wenn es sich um ein Gemälde, eine
Skulptur oder ein sonstiges Erzeugnis der bildenden Kunst
handelt. Es wird häufig übersehen, daß seitdem nach
dem Gesetze von 1907 auch »Erzeugnisse des Kunstge-
werbes« zu den »Werken der bildenden Künste« gehören, der
Schutz sogenannter Künstlerschriften, Künstlereinfassungen
und ähnlichem in ein ganz neues Stadium tritt. Jetzt be-
dürfen derartige Sachen nicht erst der kostspieligen Er-
werbung des Geschmacksmusterschutzes, sondern sie sind
ohne weiteres nur durch ihr bloßes Vorhandensein gegen
unbefugte Nachahmung und noch dazu wirksamer als
bisher geschützt.

Wer also in der Absicht, den allgemeinen Schrift-
charakter einer Künstlerschrift nachzuahmen, ganz ähnliche
Typen schneidet und gießt und dann damit druckt, macht
sich strafbar und kann nach § 32 des Kunstschutzgesetzes
vom 9. Januar 1907 mit Geldstrafe bis zu 3000 M., even-
tuell mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft werden.
Außerdem ist er dem Verletzten nach § 31 genannten Ge-
setzes zum Ersätze des ihm entstandenen Schadens ver-
pflichtet.

Soweit läge die Sache sehr einfach. Wieweit aber
kann jemand, der die Originalschrift von der berechtigten
Schriftgießerei gekauft hat, diese benutzen und verwenden?
Das bedarf einer eingehenden Untersuchung.

Die Schriftgießerei läßt entweder in ihrem Auftrage
einen Künstler eine neue Schrift, Einfassungen, Vignetten
entwerfen, oder sie erwirbt einen von einem Künstler ihr
angebotenen Schriftentwurf. Im ersteren Falle kann der
Künstler auf Grund eines Dienstvertrages fest bei ihr ange-
stellt sein, oder sie hat mit ihm einen besonderen Werk-
vertrag über die Herstellung dieses einen Schriftentwurfs
geschlossen. In allen diesen drei Fällen vereinbart sie aber
mit dem Künstler den Übergang des Vervielfältigungs- und
Verbreitungsrechtes vom Urheber auf sich. Vielleicht wird
auch in den Vertrag eine Bestimmung aufgenommen, daß
die Schriftgießerei nicht nur das Recht der Vervielfältigung
und Verbreitung auf Zeit oder zeitlich unbeschränkt erhält,
sondern daß sie auch zur Vervielfältigung und Verbreitung
verpflichtet ist. Vervielfältigung heißt hier natürlich in erster
Linie das Gießen der Typen und Verbreitung das Ver-
kaufen derselben. Dann stellt sich der mit dem Künstler
geschlossene Vertrag als ein echter Verlagsvertrag dar,
wie er der Regel nach über Werke der Literatur ja viel-
fach geschlossen wird, über Werke des Kunstgewerbes da-
gegen wohl seltener. Wie dem auch sei, die Schriftgießerei
wird immerhin im Besitze gewisser Bestandteile des Ur-
heberrechtes — eben in erster Linie des Vervielfältigungs-
und Verbreitungsrechtes — sein. Wer als Drucker nun die
neue, durch das Kunstschutzgesetz ja geschützte Schrift
verwenden will, muß also das Vervielfältigungs- und Ver-
breitungsrecht ebenfalls erwerben. Dies geschieht nun
wohl niemals dadurch, daß besondere Abmachungen über
die von der Schriftgießerei gestattete Art der Verwendung

zwischen Gießerei und Drucker getroffen werden, sondern
vielmehr wohl durchgehends nur durch den Ankauf der
Schrifttypen von der Gießerei. Dadurch, daß die Gießerei
dem Käufer die Schrifttypen bedingungslos aushändigt, gibt
sie stillschweigend die Erlaubnis dazu, daß der Drucker von
den Typen jeden ordnungsmäßigen Gebrauch macht. Solch
ordnungsmäßiger Gebrauch ist nun in erster Linie natür-
lich der Abdruck in der Buchdruckpresse. Aber selbst zu
Arbeiten, die eigentlich in das Fach der Gießerei selbst
schlagen, gibt die Gießerei — mangels anderweitiger aus-
drücklicher Vereinbarungen — stillschweigend ihre Zu-
stimmung, nämlich zur Herstellung von Stereotypplatten
nach der Originaltype und zwar sowohl für gewöhnliche
Schnellpressen, wie für Rotationsdruck. Weiter ist sicher-
lich nichts dagegen einzuwenden, wenn die Buchdruckerei,
welche die Typen von der Gießerei kaufte, von einem
Typensatz Fettabzüge macht, die dann von ihr selbst
oder von einem Dritten auf Stein umgedruckt und von
diesem vervielfältigt werden. Denn auch das ist eine durch-
aus ordnungsmäßige Verwendung des Typenmaterials, das
vielen Druckereien sozusagen das tägliche Brot gibt. Frei-
lich, nachlithographieren darf der Lithograph oder Stein-
drucker die Type nicht, das wäre Nachbildung, welche
besonderer Erlaubnis bedürfte.

Nun ist aber andererseits nicht zu verkennen, daß die
Schriftgießerei eine gewisses Interesse daran hat, ihre
Typen nicht durch Umdruck auf Stein vervielfältigt zu
sehen. Denn durch den Umdruck auf Stein wird das
Typenmaterial natürlich außerordentlich geschont und der
Ersatz etwa abgenutzter Typen erfolgt erst viel später, als
wenn das Typenmaterial selbst Auflagedrucke auszuhalten
hätte. Der Schriftgießerei entgeht also ein erhebliches
Geschäft. Wenn die Schriftgießerei nun nicht will, daß
ihre unter großen Kosten hergestellte Type zur Fertigung
von Fettabzügen für den Umdruck auf Stein verwendet
wird, so muß sie eben dem Käufer der Type eine beson-
dere dahingehende Auflage machen. Das kann, um vor
Gericht einwandfrei zu sein, auf die verschiedenste Weise
erfolgen. Einmal kann und müßte in den Preisverzeich-
nissen die Bemerkung deutlich und sichtbar stehen, daß
der Verkauf dieser oder jener Type nur unter der Bedingung
erfolgt, daß von ihr Umdrucke auf Stein für die lithogra-
phischen Drucke nicht erfolgen dürfen. Ferner könnte ein
solcher Passus unübersehbar auf den Bestellzetteln stehen,
auch würde unter Umständen die Anbringung des Verbotes
auf der Faktura genügen, wenn dies auch nicht so emp-
fehlenswert wäre wie die Anbringung auf Preisverzeich-
nissen und auf dem Bestellschein. Und endlich wäre jedem
Paket Typen ein entsprechender Zettel mit dem erwähnten
Vermerk beizufügen. Am besten und sichersten wäre es,
alle die erwähnten Arten der Ankündigung gleichzeitig zu
benutzen, dann muß der Richter in etwaigen Prozessen
unter allen Umständen zu der Überzeugung kommen, daß
der Drucker den Umfang des ihm von der Gießerei über-
tragenen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechtes ge-
kannt haben muß. Ohne solche ausdrückliche Abmachung
aber kann keine Schriftgießerei als Rechtsnachfolger des
Künstlers rechtmäßig gegen einen Drucker einschreiten, der
unter Urheberrechtschutz stehende Typen zum Umdruck
auf Stein verwendet.



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