Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Jessen, Peter: Reisestudien, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0030

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


*..

W

New-York, Metropolitan Museum of Art

Ägyptische Abteilung

Edelsteinen, die im Jahre 1900 auf der Pariser
Weltausstellung den Neid der Kenner und die
Zuflucht ermüdeter Wanderer bildete; wir pfleg-
ten uns damals als Preisrichter vor diesen leuch-
tenden Naturwundern ein tägliches Stelldichein
der Erholung und Andacht zu geben.

In diese Museen für Naturkunde ist drüben
meist auch die Völkerkunde eingegliedert, ein
sorgsam gepflegtes Gebiet der Anschauung und
des Wissens, volkstümlich wie kein zweites. Auch
der Kunstfreund sieht sich gezwungen, die Aus-
druckskraft dieser Naturvölker zu bewundern, die
für Göttliches und Menschliches, Notdurft und
Spiel, Körperschmuck, Kleidung, Wohnung und
Gottesdienst unter den mannigfaltigsten Bedin-
gungen zugleich sachgemäße und phantastische
Formen zu prägen wußten. Der Indianer ist
den Quellen der Kunst näher gewesen als der
erobernde Europäer, der dumm und roh jene
Kulturen zertrümmert hat. Heute stehen die Be-
sucher in diesen Museen, die Jungen und die
Alten, vor den Äußerungen der Urbewohner ihrer Heimat mit einer scheuen Ehrfurcht und Sehnsucht, manche,
wie ich mich überzeugte, nicht ohne Scham. Zu spät setzen sich wohlmeinende Kreise für eine Art von
Heimatschutz ein. Ich erlebte unter zweitausend begeisterten Zuschauern im Vortragssaal des Museums für
Naturkunde in New York eine rührselige Filmaufführung von Longfellows Hiawatha; zwei Monate später sah
ich in Arizona, wie die letzten Reste der Hopi-Indianer im Dienste der Touristenreklame hoffnungslos ver-
kommen. Dagegen weiß man die handfesten Formen und mannhaften Farben dieser ursprünglichen Werk-
arbeiten für die Geschmackserziehung klug zu nutzen, führt die einfachen Techniken in die Schulen ein und
frischt aus diesem gesunden Born die verdorrten Liebhaberkünste wieder auf. Ich hörte, wie in einem solchen
Museum ein Lehrer seinen Schülern aus den Werken der Indianer schlicht und eindringlich die Grundsätze
gediegener Werkkunst entwickelte.

Die Aufstellung dieser Urvölkerkunst kommt meist dem Schaubedürfnis der Massen weit entgegen durch
aufdringliche Gruppen- und sentimentale Wandbilder. Bedenklicher noch war es mir, daß gerade in großen
Sammlungen Ursprüngliches und Beeinflußtes, Echtes und Angelerntes durchaus nicht streng geschieden waren.
Man vermißte den Nachweis, wann und unter welchen Umständen die einzelnen Stücke entstanden und er-
worben waren. Kritisch in diesem Sinne ist das schon alte, ehrwürdige Peabody-Museum der Harvard-
Universität in Cambridge (Mass.) unter Dr. Willoughby geordnet und ebenso die anziehende, auf den farben-
reichen Südwesten sich beschränkende Sammlung in San Francisco durch den gelehrten Deutsch-Amerikaner
Dr. Kroeber. Ein Meisterstück zugleich wissenschaftlicher und stimmungsvoller Aufmachung, klug auf ge-
wählte Beispiele beschränkt, sah ich in Brooklyn (Leiter: Stewart Culin); ein geschmackvoll gemalter Wand-
fries gibt bescheidentlich die Landschaft wieder,
aus der eine Forschungsreise den Inhalt des Saales
geborgen hat. Zum Schluß hatte ich das Glück,
in Honolulu durch den geistvollen 73 jährigen
Dr. Brigham in die problemenreichen Schätze
seines unvergleichlichen Südsee-Museums ein-
geführt zu werden.

Unter den Kunstmuseen bestehen als Typus
der ersten Sammlerzeit noch heute einige »Art
Institutes«, altmodische Pflegestätten der »zeich-
nenden Künste« mit Malklassen, Gipsabgüssen,
modernen Gemälden, hier und da auch mit Mu-
sikunterricht und Volkstheatern. Ein recht ver-
staubtes Beispiel sah ich in Baltimore. Wie ge-
fährlich für den Volksgeschmack eine stiftungs-
gemäß festgelegte Sammlung werden kann, lehrt
die Corcoran Gallery in Washington, ein an-
spruchsvolles Gebäude voll süßlicher Bilder und
Statuen, eine Hochschule augenfremder Senti-
mentalität; auch Baryes Plastik gewinnt nicht in
diesem Rahmen. Allein wir dürfen uns nicht

Boston, Museum of fine Arts

Saal der Ostasiatischen Kunst

22
 
Annotationen