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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [4]
DOI Artikel:
Hoeber, Fritz: Emil Preetorius
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0080

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in Volksbräuchen fortleben und die von hier aus auch
kunstgewerbliches Interesse haben können. Namentlich in
Süddeutschland malt der Bauer noch auf die Türen seiner
Wohnung und seines Stalles, ja, auch an sein Haus und
an seine Geräte die Zeichen C + M+B. Es sind die drei
Hausheiligen Caspar, Melchior und Balthasar, die er damit
anruft; sie sollen böse Geister und Hexen abhalten; auch
als Helfer in Krankheitsnöten wurden und werden sie viel
angerufen. Der Ursprung dieser Sitte liegt weit zurück und
wurzelt keineswegs im Christentum, sondern in der Zeit der
Runen, die ja auch, wie wir schon oben sahen, ursprünglich
Abwehrzeichen waren. Eine andere, zu einem Schriftsymbol
gewordene Beschwörungsformel ist die Inschrift: SATOR,
AREPO, OPERA, ROTAS. Bei näherem Zusehen bemerkt
man, daß die ersten zwei Worte Umkehrungen des zweiten
Wortpaares sind und das letzte Wort erinnert vielleicht
wieder an das Rad, das einstige Sonnensymbol. Hier lebt
ja noch Uraltes nach, und wie wir gesehen haben, hat
es sich in vieler Beziehung mit christlichen Vorstellungen
und Gebräuchen und Kultformen verknüpft. Es möge nur
noch ein Beweis dafür angeführt sein. Die aus christlicher
Zeit, aus dem 10. Jahrhundert stammenden Merseburger
Zaubersprüche, die ganz in dem nordischen Heidentum wur-
zeln, leben, in christliches Gewand gekleidet, heute noch
fort, Das mag diese Gegenüberstellung beweisen:

Der zweite Merseburger Zauberspruch lautet in unser
Deutsch übertragen:

Phohl und Wodan ritten zu Walde

da ward dem Balders Fohlen sein Fuß verrenket

da besprachen Sinthgunt, Sunna ihre Schwester,

da besprachen Frija, Uolla ihre Schwester,
da besprachen Wodan, so er wohl konnte
so Beinverrenkung, so Blutverrenkung

so Gliederverrenkung:
Bein zu Beine, Blut zu Blute.
Glied zu Gliedern, als ob sie zusammengeleimt seien.

Eine dänische Beschwörformel aus dem 18. Jahrhundert1)

lautet:

Jesus ritt zur Heide,

da ritt er das Bein seines Fohlens entzwei.

Jesus stieg ab und heilte es.

Er legt mark in mark,

bein in bein, fleisch in fleisch;

er legte darauf ein Blatt,

daß es an derselben Stelle bleiben sollte.

Auch in Deutschland leben solche christlichen Um-
dichtungen uralter heidnischer Symbolismen fort2).

Schließlich seien noch zwei moderne Schriftsymbole
erwähnt: Das von dem Darmstädter Feising im 19. Jahr-
hundert »erfundene« vierfache F der Turner, dem die
Worte: Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei unterlegt werden.
Und das R. F. (Republique francaise), das Frankreich seit
1870 an Stelle eines heraldischen Wappens führt.
Fortsetzung folgt.

1) Grimm: Deutsche Mythologie, 1. Aufl.

2) Strackerjahn: Aberglauben und Sagen aus dem
Herzogtum Oldenburg, I, S. 69 u. 81; Diehl in Steinhausens
Zeitschrift für Kulturgeschichte, 8, S. 300.

EMIL PREETORIUS

VON DR. FRITZ HOEBER, FRANKFURT A. MAIN

I. LEBEN UND WERK

EMIL PREETORIUS enstammt einer alten und
begüterten Familie des Mittelrheins, in der
geistige Kultur und lebensbejahender Humor
Tradition ist. In dem »goldenen Mainz« wurde der
Künstler 1883 geboren. Seine Jugend verbrachte er
in der regsamen hessischen Residenzstadt Darmstadt,
die durch ihren Großherzog Ernst Ludwig so viel
für die Entwicklung der jungdeutschen Moderne getan
hat. Darmstadt ist aber auch die Schaffensstätte des
biedermeierlichen Moliere Ernst Elias Niebergall, dessen
»Datterich« die hessische Mundart in gewissem Sinn
klassisch gemacht hat. Zu der Eigenart dieses Hu-
moristen von weltliterarhistorischer Bedeutung fühlte
sich Preetorius angezogen und hat auch das später in
der Illustrierung von Niebergalls Komödie (für den
»Inselverlag«) konkret bezeugt.

Nachdem sich die für jeden Künstler typische Früh-
reife im Zeichnen und Malen schon während der gut
absolvierten Gymnasialjahre mannigfach geäußert hatte,
sollte der Sohn aus feiner Familie die Universität be-
suchen, da der Künstlerberuf der soliden Bürgertradi-
tion nicht entsprach. Er probierte es auf den Uni-
versitäten München und Gießen zuerst mit der Medizin,
dann mit der Jurisprudenz und machte, brav und folg-
sam, wie er war, sogar den Referendar und 1905

seinen Doktor. — In München aber hatte er auch
Kunsthistorisches, vor allem bei Karl Voll, gehört
und daneben vieles, was ihm aus der Erinnerung
an das in der modernen Geschichte des Kunstgewerbes
so bedeutsame Ereignis von 1901 auf der Mathilden-
höhe entwicklungsfähig schien, zeichnerisch für sich
fortbetrieben.

In seinem Universitätsstudium somit zu einem ge-
wissen Abschluß gelangt, hing er, des trockenen
Tones abstrakter Wissenschaft jetzt satt, die Juristerei
endgültig an den Nagel und wurde, auch beruflich,
Zeichner in München. Nach einem nur halbjährigen
Besuch der Graphikklasse von Maximilian Dasio
an der Münchner Kunstgewerbeschule, hatte er das
Glück, gleich zu Anfang seiner selbständigen Künstler-
tätigkeit, Anschluß an den »Simplizissimus« zu finden,
aus dessen Kreis die graphische und kunstgewerbliche
Bewegung Deutschlands so viel talentvolle Anregung
empfangen hat. Preetorius bekam Verbindung mit
den ersten modernen Verlegern, Georg Müller, Hans
von Weber (»Hyperionverlag«), Bruno Cassirer, dem
Leipziger Inselverlag, Ernst Rohwolt; auch gehörte
er dem auserlesenen Stab Münchener Graphiker an,
die im Jahre 1910 die Schwarz-Weiß-Zeitschrift »Licht
und Schatten« gründeten. — Damit charakterisiert sich
äußerlich die erste Thätigkeit von Emil Preetorius.

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