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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [5]
DOI Artikel:
Zeitler, Julius: Unser Schriftverständnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0161

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Sage soll dem 12. Jahrhundert entstammen, aber es wird
behauptet, daß sie im Mönchslatein ihren Ursprung habe,
das aus der Bezeichnung für Christi Blut, »das wahre
Blut« (sanguis realis) auf dem Umwege über die abge-
kürzte Form sang. real, den Sankt Gral gemacht habe.
Genua wollte seit dem Jahre 1100 den Heiligen Gral be-
sitzen, dann wurde auch das berühmte Manuanische Ge-
fäß des Herzogs von Braunschweig dafür gehalten. Die
Urne ist aus der heidnischen Mythologie sehr schwer in
die christliche Symbolik übergegangen, im Kult der Feuer-
bestattung hat sie aber auch hier eine neue Bedeutung,
an die sich Symbolik knüpfen kann, erlangt.

Das Buch ist in der christlichen Ikonologie ein Ab-
zeichen der Apostel, die Propheten dürfen nur eine Rolle
tragen.

Die Rolandsäulen oder Rutlandsäulen, die in diesem
Zusammenhang mit erwähnt sein mögen und die es noch
in einigen Städten wie Bremen, Stendal, Magdeburg, Mölln,
Wedel, Halle, Zerbst, Beigern, Nordhausen, Hüdesheim,
Brandenburg, Breslau (Staupsäule am Rathaus) gibt, waren
Symbole der landesherrlichen Gerichtsbarkeit, das Wahr-
zeichen des Hochgerichts, des Weichbildrechts, ferner der
der Stadt verliehenen Freiheiten und Rechte und schließ-
lich das Marktzeichen und das Symbol des Königsfriedens,
des Burgfriedens; die mit dem Roland belehnte Stadt hatte
dasselbe Recht wie die Königsburg, deren Frieden zu ver-
letzen ein todeswürdiges Verbrechen war. Die Geschichte
der Rolandsäulen ist sehr interessant; wir müssen uns
hier jedoch mit dieser kurzen Andeutung ihrer Symbolik be-
gnügen. Vielleicht läßt sich gesondert darauf zurückkommen.
(Fortsetzung folgt.)

UNSER SCHRIFTVERSTÄNDNIS

VON DR. JULIUS ZEITLER-LEIPZIG

IN der Theorie kämpfen wir seit zehn Jahren für mehr
Schriftverständnis, für eine Vertiefung der Schriften-
kenntnis und des Schriftkönnens, in der Praxis aber
scheinen alle diese Bemühungen an der Mehrzahl unserer
Architekten und Kunstgewerbler immer noch spurlos vor-
überzugehen. An dem Tiefstand des Schriftwesens hatte
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die Bau-
kunst und das Kunstgewerbe teil, soweit nur Schrift dabei
verwendet wurde. Jede charakterlose Medaille, jede Haus-
inschrift belehrt uns über den Verfall. Seitdem ist aber
im Druckgewerbe ein Außerordentliches an neuen künst-
lerischen Schriften geleistet worden, es ist auch sehr viel
für das Verstehen der alten Schriftkultur geschehen, und
es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, daß wir uns
wieder mitten in einer Hochblüte unseres Schriftwesens
befinden. Es ist nun die Frage, wie sich unsere Archi-
tektur zu unserer Schriftkultur verhält, wie viel oder wie
wenig sie an diesem neuen Aufschwung der Schrift beteiligt ist.
Im allgemeinen gilt die Schrift bei Bauwerken immer
noch als etwas ziemlich Nebensächliches. Und auch im
weiten Gebiete des Kunstgewerbes entledigt man sich nur
schlecht und recht seiner Schriftverantwortung. Demgegen-
über muß immer wieder darauf hingewiesen werden, wie
sehr eine gute Schrift ein Bauwerk oder einen Architektur-
teil hebt, wie unbedingt wichtig eine gute Beschriftung ist,
gewissermaßen als letzter Wirkungsakzent, und wie sehr
an sich gute Formen durch schlechte Beschriftung ge-
schädigt und beeinträchtigt werden. Dieser Vernachlässi-
gung der Schrift gilt es entgegenzuwirken. An unserer
Drucksachenkunst haben wir es gelernt, die Schrift und
ihre harmonische und zweckentsprechende Verteilung aufs
sorgsamste zu behandeln, es ist nun wünschenswert, daß
sich diese Sorgfalt ganz allgemein auf Architektur und
Kunstgewerbe übertrage. Diese Sorgfalt muß schon im
Stadium der Erfindung beginnen, in bezug auf die Flächen,
die mit Schrift geschmückt werden sollen. Schrift darf
nicht etwas Aufgeklebtes, unorganisch Angestücktes sein,
sondern sie muß schon in und mit dem Bauwerk, dem
Kunstgewerbegegenstand geboren werden. Alle Stellen,
wo Schrift steht, müssen schon vorher dazu bestimmt sein.
Fragen der Begrenzung, der Gliederung des Schriftbandes
oder des Schriftfeldes müssen schon vorher erwogen sein.

Aus diesem Felde muß dann die Schrift organisch hervor-
wachsen, in vollkommener dekorativer Raumfüllung und
Raumgliederung und in vollkommener Einheitlichkeit mit
dem Gesamtstil des architektonischen oder gewerblichen
Kunstwerkes selbst, sei es nun ein Theater oder ein
Bahnhof, eine Kanne, ein Holzteller oder eine Grabplatte.
Nicht mehr auf Schriftmusterwerke oder Schriftvorlagen
darf sich bei der Wahl seiner Schrift der moderne Architekt
verlassen, sondern er muß ein selbständiges Gefühl haben,
welche Schriftart seiner architektonischen Erfindung am
angemessensten ist, er muß die Schrift überhaupt als einen
Teil seiner schöpferischen Betätigung auffassen und, ohne
daß er ein Schrift-Gelehrter zu sein braucht, ein tiefes
Gefühl für organische und künstlerische Schrift besitzen.
Mangelhafte Beschriftung verunstaltet das schönste Bau-
werk, und es tut einem weh, bei einem schönen und formal
wohlgelungenen kunstgewerblichen Stück krasse Fehler bei
der Beschriftung beanstanden zu müssen.

Es bedarf keines Hinweises, was für Meister der
Schrift unsere alten Kunsthandwerker gewesen sind. Jedes
gute alte Handwerksstück bis herab zu den irdenen Tellern
der Bauernkunst belehrt uns, mit welchem Feingefühl sie
die Schrift auf ihren Werken handhabten. In Holz, Stein,
Metall, Glas, Porzellan, Leder, in der Gewebekunst, in
der Erzgießerei, in der Treibarbeit, überall spüren wir die
Einheit zwischen Zweckform und Schriftcharakter, die von
den alten Meistern erzielt worden ist. Jede Holzplatte des
16. Jahrhunderts, jeder alte Grabstein der Barockzeit läßt
uns bedauern, was uns an guter alter Schriftkultur ver-
loren gegangen ist. Unsere alten Handwerksmeister lebten
noch in ihrer Schrift, sie kannten die ornamentale Bedeu-
tung der Schrift. Sie waren noch mit dem Symbolcharak-
ter der Schrift verwachsen, der eben weit über das Deko-
rative hinaus aller Schrift ihre unvergleichliche Bedeutung
verleiht. Es war alter Bauhüttenwille, was sich in ihnen
fortpflanzte und was ihren Schöpfungen gerade in der
Schriftbehandlung diesen lebensvollen Charakter verlieh.
Dieses Können darf nicht verschüttet sein, es muß wieder
erweckt werden, es muß überall wieder zutage treten, wo
Schrift verwendet wird. Es gilt die ornamentale Bedeutung
der Schrift für Baukunst und Gewerbe wieder zurückzu-
gewinnen. Um aber frei und ornamental mit der Schrift

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