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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Wesemann, H.: Das Handwerk im Jahre 1916
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0189

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geltend machte, der Bevorzugung bodenständiger Arbeit
und inländischer Rohstoffe und den zahlreichen guten An-
regungen, die von den Handwerks- und Gewerbekammern
und den Behörden ausgingen, zu. Auch die Forderung
nach einer stärkeren Vertretung des Handwerks in den
Parlamenten und Behörden fand stets in seinen Kreisen
fruchtbaren Boden und lebhaftes Echo.

Das Ende des verflossenen Jahres steht unter dem
Eindrucke der militärischen und politischen Ereignisse im
Zeichen der Übergangswirtschaft. Die Rückkehr zur Friedens-
wirtschaft ist das Losungswort der angestrengtesten Be-
tätigung aller Erwerbskreise von den Gewerkschaften bis
zum Großhandel und der Großindustrie geworden. Hier gilt
es, daß auch das deutsche Handwerk sich seinen ihm zu-
kommenden Platz sichert, den Platz, der nach den gebrachten
Kriegsopfern mit in erster Linie sein muß. Das Handwerk
muß alle die Lehren, die der Krieg ihm als zu seiner
Förderung dienlich wies, jetzt in die Tat umsetzen und
sie nachdrücklichst vertreten gegenüber zuwiderlaufenden
Interessen anderer. Hier gilt es, die Beschaffung und Ver-
teilung der Rohstoffe nach Friedensschluß für das Hand-
werk sicherzustellen, weiter muß zur Vermeidung von
Arbeitslosigkeit und zur schnellstmöglichen Wiedererrichtung
der selbständigen Handwerksbetriebe für eine vorzugsweise

Entlassung aller Handwerksmeister aus dem Heeresdienste
nach Friedensschluß Sorge getragen werden, auch muß
das Bedürfnis nach zweitstelligen Hypotheken befriedigt
und das Kleinwohnungsbauwesen gefördert werden. Die
Aufrechterhaltung der Geschäftsaufsichten und Zahlungs-
aufschübe und des vereinfachten Gerichtsverfahrens, vor
allem aber die möglichst baldige Beseitigung der Erwerbs-
beschränkung und die Schaffung lohnender Erwerbsmög-
lichkeit, schließlich die Arbeiter-, Lohn- und Preisfragen
und unendlich vieles andere sind herbeizuführen und zu
regeln. Daher ist für das deutsche Handwerk seine regste
Mitarbeit an der Übergangswirtschaft und seinen Vor-
läufern das Gebot der Stunde!

So hat das verflossene Jahr 1916 dem deutschen Hand-
werk eine Fülle von Aufgaben und Fragen gebracht.
Manche sind gelöst, manche noch nicht. Sie werden mit
in das neue Jahr 1917 hinübergenommen, in das neue Jahr,
von dem aller Herzen und aller Sehnsucht den deutschen
Frieden erwartet, den deutschen, der allein nur dem Hand-
werk die notwendige Grundlage zu seiner gesunden Fort-
entwicklung bringen kann. Möge ein solcher Friede unserem
Vaterlande recht bald beschieden sein! Bis dahin aber gilt
für das deutsche Handwerk nur das Wort: Zum Kampfe
entschlossen, zum Frieden bereit!



KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU







VERMISCHTES

Hildebrandt, Klinger, Liebermann und Trübner
u. a. über die Vorbildung der Künstler. Zwischen Wil-
helm von Bode und Arthur Kampf hat sich vor einiger Zeit
eine bedeutsame Debatte über die Zukunft der Vorbildung
unserer Künstler angesponnen. Um die dort aufgeworfenen
Fragen einer Klärung entgegenzuführen, hat der Dresdner
Kunstgelehrte Woldemar von Seidlitz, als vortragender Rat
im Sächsischen Kultusministerium selbst amtlich für die
Entscheidung dieser Fragen zuständig, eine Umfrage an
unsere bedeutendsten Künstler gerichtet. Wie er in einem
kleinen Hefte, das unter dem Titel »Die Zukunft der Vor-
bildung unsererKünstler« jetzt bei E.A.Seemann erschienen,
im genaueren ausführt, richtete er folgende Fragen an die
Künstler: 1.Ist eine künstlerischeAusbildungdenkbar,welche
die jungen Leute für das Kunstgewerbe ausbildet, und zu-
gleich diejenigen von ihnen, welche eine besondere Begabung
zeigen, in der Weise vorbereitet, daß sie unmittelbar in
die oberen Klassen oder die Meisterateliers einer Akademie
eintreten können? 2. Sind die jungen Leute nur dann zu
den Akademien zuzulassen, wenn sie sich in solcher Vor-
schule als besonders begabt erwiesen haben? 3. Genügt
für die Ausübung der hohen Kunst die Vorbildung auf
einer Schule, welche eine gründliche kunstgewerbliche und
handwerkliche Schulung bezweckt? 4. Sollten nicht bei einer
solchen gemeinsamen Vorbildungdie Meisterateliers der Aka-
demien allein für die höhere Ausbildung genügen? 5. Ist
es denkbar, daß das unleugbar in großer Zahl bestehende
Künstlerproletariat, welches vielfach keinen Künstlerver-
einigungen angehört oder überhaupt keinen Künstlerberuf
mehr ausübt, seiner Mehrzahl nach aus privaten statt aus
staatlichen Kunstschulen hervorgegangen sei?« Die dritte
Frage ergänzte Seidlitz noch dahin, daß durch die kunst-
gewerbliche Schulung eine Art Sicherung gegen Mißerfolge
auf dem Gebiete der hohen Kunst geboten werden sollte.

Max Liebermann antwortete: »Ihre fünf Fragen be-
antworte ich alle mit einem lauten »Ja«. Darin sind wohl
alle einig, daß aller künstlerische Unterricht auf handwerk-

licher Grundlage zu beruhen habe. Aber während die
einen meinen, daß in der Kunst überhaupt nur das Hand-
werk gelehrt und gelernt werden könnte, meinen die andern,
daß die Schule für die sogenannte hohe Kunst eine andere
sein müsse, als für die »kunstgewerblichen Fächer«. Da
ich mich zu letzterer Ansicht nicht bekennen kann, bin ich
für Fachschulen an Stelle der Akademien schon aus dem
Grunde, weil nur in den allerseltensten Fällen sich das
Talent bei dem jungen Akademieschüler erkennen läßt.
Aus dem tüchtigen Musterzeichner kann der große Historien-
maler werden, aber der auf Akademien Ausgebildete, in
dessen Talent sich seine Lehrer getäuscht haben, ist zum
Kunsthandwerker verdorben. Die Rompreisträger pflegen
nicht die großen Maler und Bildhauer zu werden, sondern
gerade umgekehrt. Menzel war Autodidakt als Maler,
ebenso wie Leibl, der's nur ein paar Wochen bei Piloty
aushielt. Das Genie kann sich erst zeigen, wenn es selbst-
ständig geworden ist. Auch die relativ verständigste Er-
ziehung zur Kunst muß falsch sein, denn die Kunst fängt
erst an, wo die Schule aufhört. Also beschränke man den
Unterricht auf Zeichnen, Zeichnen, Zeichnen. — Ob auf
staatlichen oder privaten Schulen der bessere Unterricht
erteilt wird, hängt von der größeren Tüchtigkeit der Lehr-
kräfte ab, und diese stehen wohl dem Staate in größerem
Maße zur Verfügung. Aber in Paris haben gerade die
Privatschulen, wie die Ecole Julien, wo in dem letzten
Drittel des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Anzahl der
jetzigen Künstlergeneration ihre Ausbildung genossen hat,
sehr Tüchtiges geleistet, ebenso wie in den fünfziger und
sechziger Jahren die Couture-Schule.«

Max Klingers Antwort steht dazu in völligem Gegen-
satze: »Kann Exzellenz von Bode mit Sicherheit angeben,
wie man »die wenigen wirklichen Auserwählten« erkennt?
Ein Kunstgewerbeakademie - Direktor schlug dieser Tage
seiner Regierung vor, »man möge nur die Meisterwerke
von Künstlern ankaufen, solange sie noch billig wären«,
dadurch »erhält man die Mittel, noch einmal so viel an-
zukaufen«. Nur sind leider »Auserwählte« und »Meister-
werke« erst 15 bis 20 Jahre nach deren Erscheinen zu

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