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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0203

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KUNSTGEWERBLICHE SYMBOLIK

VON HUGO HILLIG

VI.

SYMBOLISCHE TIERE

DER Tierkreis hat uns schon gezeigt, daß die Sym-
bolik auch auf Tiere übergreift, um bestimmte Ideen-
verbindungen ohne Worte auszudrücken, eine Reihe
von Vorstellungen auszulösen, ohne dabei wie die Allegorie
in Abstraktion zu geraten. Bei näherem Zusehen ist der
Kreis der Tiere, die symbolische Bedeutung haben, recht
groß, und darüber hinaus hat die symbolische Kunstübung
sogar noch Tiergestalten erfunden, die nicht existieren und
nie existiert haben, z. B. der Pegasos, der Kentaur, das
Tetramorph usw.

Das Roß ist das Symbol des griechischen Heros, des
Helden. Von Mithra heißt es:
An seinem Wagen ziehen
vier Rosse,
weiße, gleichfarbige,

himmlisches Futter genießende, unsterbliche.
In der römischen Mythologie war das Roß dem Mars heilig,
wie im Norden dem Odin oder Wodan, der auf einem
achtbeinigen Grauschimmel, dem Sleipnir, daherritt und
dem auch Pferdeopfer gebracht wurden. Noch heute gibt
es in einigen Gegenden den sagenhaften Volksbrauch des
Schimmelreiters. Auch die Pfefferkuchenreiter, die in Schwa-
ben Springerle heißen und die auf vielen Weihnachtsmärkten
gehandelt werden, sind noch ein Überbleibsel aus den alten
Zeiten des Wodankultes. Manchmal haben die Pfefferkuchen-
reiter auch die Gestalt eines springenden Hirsches. In
der kirchlichen Symbolik gilt das Roß als das Sinnbild des
Stolzes, des Übermutes, der brünstigen Sinnenlustes, des
geringen Verstandes. Augustinus nennt die vier Grund-
tugenden des Christen die vier wackeren Rosse; die vier
schlechten Rosse sind bei ihm: Jähzorn, Begier, Furcht
und Ungerechtigkeit.

Der Hirsch war dem germanischen Gott Freyr, der
auch ein Sonnengott war, geweiht. Der Hirsch Eikthyrnier
frißt von den Zweigen der Weltesche Iggdrasil und von
seinem Geweih fallen soviele in einen Brunnen, daß sie
die Ströme der Unterwelt hervorbringen. Bei den Griechen
war es eine der zwölf Taten des Herakles, eine Hirschkuh
mit goldenem Geweih und Läufen von Erz, ein heiliges
Tier, einzufangen; das dauerte ein ganzes Jahr. Ferner
verwandelt Artemis den Aktaion, der sie im Bade gesehen
hat, in einen Hirsch, dieser wird nun von Hunden zer-
rissen. In der christlichen Symbolik bedeutet der Hirsch
die gottinnige Seele, die christliche Bruderliebe. Der
St. Hubertushirsch ist eine bekannte Symbolgestalt.

Der Stier, bei den Ägyptern als Apis hochverehrtes
heiliges Tier zu Memphis, war dem römischen Mars ge-
weiht. Im römischen Heer war bis über die Anfänge des
Christentums hinaus der Mythrasdienst weit verbreitet.
Mythras war der persische Lichtgott, der sich in fortwäh-
rendem Kampfe mit den bösen Geistern der Finsternis
befindet. Er durchsticht in einer Grotte mit scharfem Stahl
den Stier, das bei der Erschaffung der Welt zuerst ins Leben
gerufene Wesen. Dessen Tod ist aber keine Vernichtung,
sondern aus seinem Blute wachsen alle Pflanzen empor, es
läßt alle Pflanzen der Erde entstehen und auf den Tod
folgt also neues Leben, auf das Sterben die Wiedergeburt.
Bei den Juden stand das eherne Meer, ein großer Erzkessel,
neben dem Salomonischen Tempel auf 12 Stierkörpern,
denen man sicher eine ähnliche symbolische Bedeutung
wie im Mythraskult zuweisen kann. In der christlichen
Mythologie ist ein geflügelter Stier, dem wir später noch

Kunstgewerbeblatt. N. F. XXVIII. H. 9.

einmal bei den Fabeltieren begegnen, das Symbol und
Attribut des Evangelisten Lukas, »weil sein Evangelium
mit dem Priester Zacharias beginnt, der Ochsen zum Opfer
schlachtete«. Da St. Lukas der Patron der Maler ist, so
erscheint der Stier auch an Stelle des Lukas auf manchen
alten Malerwappen. Auch das Evangelium Lukae wird oft
kurzerhand durch das Bild des Stiers verkörpert, wie die
anderen drei Evangelisten durch ihre Sinbilder. Eine sehr
schmeichelhafte Symbolisierung des Christenmenschen sei
noch erwähnt: er soll dem Ochsen gleich die Gebote Gottes
immer wiederkäuen.

Das Einhorn ist ein mittelalterliches Heilandssymbol;
Jesus wurde im Mittelalter oft als Einhorn, ebenso oft
freilich auch als Lamm im Schöße der heiligen Jungfrau
dargestellt.

Eine bedeutende Rolle spielt der Wolf in der germa-
nischen Mythologie. Schon bei den Römern war der Wolf,
dem Mars geweiht, neben der Schlange ein heiliges Tier,
was wohl mit der Sage von der die beiden Brüder Romus
und Romulus, die sagenhaften Gründer Roms, säugenden
Wölfin zusammenhängt. Bei den Germanen war der Wolf
neben dem Raben dem Wodan heilig und ein den Weg
kreuzender Wolf galt lange Zeit als ein Glückszeichen
(wenn man dem Wolfe nicht zu nahe kam). Die germanische
Fabel hat aber auch das gräßliche Geschöpf des Fenriswolfes
geschaffen, in den der eine der Söhne des bösen Gottes
Loki und der Riesin Angurboda verwandelt worden war;
der Fenriswolf, wie er nun hieß, wurde aber an eine Klippe
gefesselt, im Ragnarök jedoch, in der Götterdämmerung,
beim Weltuntergang, reißt er sich los und rast nun mit der
ebenfalls befreiten Midgardschlange über die Welt, verschlingt
sogar den Gott Odin, bis ihm von Odins Sohn Widar der
Garaus gemacht wird. So ist er das Symbol der bösen
Kraft, die der Vergeltung nicht entgeht. Symbole der
Sonnen- und Mondfinsternis sind die beiden Wölfe Sköll
und Hati, die ohne Unterlaß der Sonne und dem Mond nach-
jagen und wenn sie ihnen einmal nahe genug kommen, die
Finsternisse entstehen lassen.

Dem Hunde geht es in der Symbolik nicht gut. Bei
Homer ist er das Sinnbild der Schamlosigkeit, wie auch
heute im Morgenlande noch. In der christlichen Symbolik
verkörpert er die Welt und ihre Bosheit, die Widerbeller,
Kirchenfeinde und Irrlehrer. Sonst ist heute noch die
Floskel vom hündischen Sinn, von hündischer Unterwürfig-
keit, aber auch von Hundetreue gebräuchlich, die sich zu-
sammengefaßt in den Worten Hundewetter, Hundelos
wiederlinden. Die Füße der an Sarkophagen dargestellten
weiblichen Figuren ruhen auf Körpern von Hunden, die
wohl die Treue darstellen sollen. (S. den Löwen.)

Auch der Eber hat seine Symbolik. Bei den alten
Griechen war er ein Schreckenstier, das im Gebirge Ery-
manthos hauste und das zu bezwingen eine der 12 Auf-
gaben des Herakles war. Die Germanen haben dem Eber
eine bessere Rolle zugedacht, er ist das Sinnbild der Götler-
mutter oder Götterkönigin Freia, die auf einem goldenen
Eber reitet; das Bild des Ebers malten die Aestier und die
Sitonen, die wie alle Germanen bildliche Darstellungen ihrer
Götter vermieden, als Sinnbild der Freia auf ihre Schilde.
Auch Freyr, der Sonnengott, reitet auf dem goldborstigen
Eber Gullinbursti durch die Luft, dessen Borsten Sonnen-
strahlen symbolisieren: er spannt ihn zuweilen aber auch
vor den Wagen. Eine lustige symbolische Bedeutung hat

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