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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0204
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aber auch der Eber Sährimnir, der mit seinem Leibe die
ewige Speise für die Helden, die Einherier in Walhall dar-
bietet; abends wird er geschlachtet und gebraten und jeden
Morgen darauf ist er wieder lebendig. Natürlich wurde
dem Sonnengott Freyr auch Eberopfer gebracht und der
Weihnachtsschweinebraten ist also noch heute zu Weih-
nachten, dem einstigen Julfeste, dem Feste der Winter-
sonnenwende eine symbolische Erinnerung an graue Vor-
zeit. Eine spinnende Sau, die in der mittelalterlichen
Symbolik der Kirche sehr oft vorkommt, so in der Kathe-
drale zu Chartres, ist früher in Paris lange Zeit das Sinn-
bild der Tuchläden gewesen. Das Schwein ist bei den
Christen das übliche Sinnbild der Unreinheit, ähnlich so
auch bei den Juden. Nach einer Lesart soll die Ver-
pönung des Schweinefleisches bei den Juden darauf zurück-
zuführen sein, daß die alten Völker den Eber als das
Symbol der ungestümen Kraft und der Fruchtbarkeit der
Natur ansahen.

Der Widder war bei den Griechen das Tier des Hermes,
des ursprünglichen Mondgottes, wohl wegen der Ähnlich-
keit seines (jehörns mit der Mondsichel. An einem großen
ganz modernen Hamburger Kaufmannshaus ist Hermes
mit Widdergruppen dargestellt.

Das Lamm ist ein Tier der christlichen Symbolik; das
Lamm Gottes, auf Christi Opfertod anspielend, ist eine
solche Deutung. Das Lamm mit der Kreuz- oder Sieges-
fahne heißt der leidende oder siegende Christus, ein Phan-
tasielamm mit sieben Hörnern und sieben Augen, auf dem
Buche mit sieben Siegeln liegend, heißt: Christus ist be-
gabt mit den sieben Geistern (Gaben) Gottes (Apok. 5. 6. 12).
In den altchristlichen Kunst ist Christus auch als der gute
Hirte (Ev. Joh. 10. 12 ff.), ein Lamm über den Schultern
tragend, dargestellt.

Von ähnlich dunklem Sinne ist die Deutung des Löwen,
der ja ein Sinnbild des Evangelisten Markus ist; in den
ikonographischen Handbüchern wird das Attribut des Markus
damit begründet, daß bei dem Löwen die Königswürde
Christi, des Löwen vom Stamme Juda sei. Allerdings ist der
Löwe ein königliches Tier, in der Fabel der König der
Tiere, aber bei den alten Griechen war der Löwe das Zeichen
des Regens, was wieder mit der bei der Besprechung des
Tierkreises erwähnten Deutung des Sternbildes des Löwen
zusammenstimmt. Auch die Ägypter hatten das Bild des
Löwen im Tierkreis, das Mechier hieß. Vielleicht ist der
Monat im Zeichen des Löwen, des Königs der Tiere, der
August, in Ableitung von dem römischen Kaiser Augustus
zu seinem Namen gekommen. Der Löwe ist der Rhea
Kybele heilig, der griechischen vielzeugenden Göttermutter,
die im asiatischen Orient in der großen, allerzeugenden,
lebenverbreitenden Erdgottheit, der Göttin der Allnatur,
wiederzuerkennen ist. Vor den Wagen dieser Kybele ist
ein Löwenpaar gespannt, das verwunschene Ehepaar
Hippomenes und Atalante. Die Volkssage glaubt vom
Löwen, daß er nicht oder mit offenen Augen schlafe, daher
gilt sein Bild in der Vorhalle der Kirche als Kirchenwächter.
Sonst ist der Löwe auch das Sinnbild der Stärke, nament-
lich in der christlichen Deutung; sein Leib trägt die romanische
Säule, auf der die Kanzel ruht. Auch als Christophorus,
als Christusträger wird er gedeutet; manchmal ist er das
Symbol Christi selber. Als christlicher Streiter zertritt er
die durch eine Schlange dargestellte Finsternis. Damit hängt
es wohl auch zusammen, daß die Füße der auf Sarkophag-
deckeln dargestellten Männer so oft auf Löwenkörpern
stehen. Die Löwenfigur hat ja eine sehr reichliche künst-
lerische und kunstgewerbliche Anwendung schon im Alter-
tum gefunden. Merkwürdig ist, daß in der symbolischen
Deutung des Löwen seine Katzennatur nicht betont wird,
es sei denn, in der auch vorkommenden christlichen Deutung

als Sinnbild des Bösen, der Verführung, der Kirchen- und
Gottesfeinde. Ebenfalls wird der Löwe als schleichendes
Raubtier ganz übersehen.

Die Katze, bei den Ägyptern, auch später bei den
Mohammedanern ein verehrtes Tier, ist das Tier der nor-
dischen Freia, die der römischen Venus entspricht, der
Liebes- und Ehegöttin; ihr gilt die Katze, das Tier der Frucht-
barkeit als heiliges Tier, oft ist ihr Wagen mit Katzen be-
spannt, wenn sie nicht auf dem goldenen Eber reitet. Ihr
Tag ist der Freitag. Da dieser Tag auch der Tag der
legendären Kreuzigung ist, so kam in der christlichen Zeit
der Freitag zu dem schlimmen Ruf eines Unglückstages
und die den Weg kreuzende Katze wurde zum Unglücks-
zeichen — heute noch! — Um die Katze hat sich dann in
der Folge durch den Hexenaberglauben, den das Christen-
tum neben sich entstehen ließ, die mystische Deutung noch
mehr entfaltet: aus Katzen werden Hexen, aus Hexen wieder
Katzen. —

Der Bär ist in diesem christlich genährten Aberglauben
der verkappte Teufel selber, der Teufel, der wieder eine Ab-
wandlung der germanischen Götter Wodan und Donar ist.
Von Wodan hat der Teufel den Sturm- oder Zaubermantel,
der über ferne Länder trägt, von Donar, dem Todesgott,
dem Gewittergott die rotglühenden Augen, den Schwefel-
geruch, von Donars heiligem Hahn die Hahnenfeder und
von Donars Böcken die Hörner und die Bocksfüße; die
wie manchmal auch ein Pferdefuß fortan symbolisch für
den christlichen Teufel, den Satan, sind. Nach einer mittel-
alterlichen Behauptung gebietet der Oberteufel über nicht
weniger als 7405928 gemeine Teufel, die natürlich wieder
in Unterstufen eingeteilt und an kleinen Unterschieden in
ihren Abzeichen zu erkennen sind. Man führt allerdings
den Teufel auch auf den Hermes zurück, den göttlichen
Totenführer, dem sowohl Hahn (Feder), als Widder (Hörner)
heilig waren; so verschmilzt morgen- und abendländische
Mythe ineinander!

Die Böcke sind die Zugtiere Donars, der sie mit der
Linken lenkt, weil er mit der Rechten den Miölnir schwingen
muß. Es ist ein Bockspaar, der eine Bock heißt Tannkniostr
(Zahnknisterer), der andere Tanngrisnir (Zahnknirscher);
sie sprengen durch die Luft, daß die Erde in Flammen
gerät, die Funken stieben und die Berge erbeben.1)

Auch die Ziege ist hier zu erwähnen, nämlich die Ziege
Heidrun, deren unerschöpflich quellende süße Milch die
Helden in Walhall schlürfen und die Ziege Amaltheia, von
der das Füllhorn stammt.

Der Gemsbock — schneeweiß mit goldenen Krickeln —
ist eine symbolische Sagenfigur des Görzer Landes, er
heißt Zlatarog. Er ist nicht kugelfest, wird er angeschossen,
so ersprießt aus seinem Blut die Triglavrose, die das weid-
wunde Wild sofort genesen läßt, wenn es davon äst.

Von dem vierfüßigen Getier ist noch die Schildkröte
das Sinnbild der Häuslichkeit, die Eidechse bei den Heiden
und bei den mittelalterlichen Christen ein Lichtsymbol, aber
auch ein Sinnbild des Fleckigen, Verdächtigen. Bei den
Guinea-Negern wird die Eidechse oder Iguana, Juju genannt,
für heilig gehalten. Der Krebs ist ein Symbol des Rück-
schrittes, des Krebsganges, mit dem man oft auch eine
innere Zerstörung andeutet.

Mäuse bedeuten in der nordischen Sage Seelen. Der
Rattenfänger von Hameln lockt sie an sich; dieselbe Sage

1) Das Bockbier wird mit dieser Mythe öfter in Plakaten
symbolisch zusammengebracht; das ist aber falsch, denn
die Bezeichnung Bockbier kommt von Aimbockbier her,
einem Bier, das im 15. und 16. Jahrhundert einen besonders
guten Ruf hatte und aus der Stadt Einbeck stammte. Auch
ein Beispiel irrtümlich angewendeter Symbolik!

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