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DER KUNSTMARKT

hing (China, Japan, Indien, Siam) der Frau Prof. Neißer-
Breslau statt. — Gleichzeitig gelangt die Sammlung
Cernuschi zum Verkauf, bestehend aus Porzellanen (China,
Delft, Sachsen, Frankenthal u. a.), Schmuckgegenständen
und Spitzen. — Vom 8. bis 9. Dezember wird unter
dem Titel »L’art au Moyen-Age« die schöne Bibliothek von
/. F. A. Lindsen, Konservator des Musee Archiepiscopal
in Utrecht, verauktioniert. Der Katalog (732 Nrn.) mit Vor-
rede von Prof. A. J. Der Kinderen, Direktor der Akademie
der schönen Künste in Amsterdam, enthält die Abteilungen:
Orfevrerie, Emaux, Arts du Metal, Peinture sur Verre,
Verrerie, Ceramique, Sculpture, Ameublement, Arts du
Tissu, Broderies, Tapisseries, Costumes, Architecture, Pein-
ture, Manuscrits, Miniatures, Gravüre, Theatre usw. —
Dann folgt vom 7. bis 12. Dezember eine sehr bedeutende
Bücherauktion, Kunst- und wissenschaftliche Prachtwerke
(viel Ornithologie). — Von xo. bis 12. Dezember wird die
Kollektion Frederiks (Ornement, L’art du Dessin, Dessins,.
Estampes, Livres) versteigert. Sie enthält die Hauptwerke
der führenden Meister des Ornaments: Androuet-Ducerceau,
Boyvin, Berain, Marot, Lepautre, Watteau, Boucher pere
et fils, Neufforge, Lalonde, Delafosse, Vredeman de Vriese,
Collaert, Hondius, Janssen, Londerzeel, Le Blon, De Passe,
Dietterlin, Habermann, Decker, eine bedeutende Serie
Zeichnungen von A. Terwesten und eine große Kollektion
von Werken über Gartenkunst. — Der 13.—15. Dezember
bringt genealogische Manuskripte, darunter sehr interessante
Dokumente des 16. und 17. Jahrh. (Arn. Buchelius, Abr. und
Corn. Booth d’Utrecht). — Am 15. und 16. Dezember findet
dann wieder eine große Versteigerung alter Meister statt
(Elias, Palamedesz, Pourbus, Bakhuysen, Bloemaert, Maes,
Molenaer, Heda, van Loo, Netscher, Ostade, de Geest,
Voskuyl, Mierevelt, Dubbels, van Musscher, usw.) aus den
Sammlungen Evert Moll-Rijswijk und W. M. Helmich-Zwolle
und von anderer Provenienz.
Die Versteigerung der Sammlung des Sir Charles
Turner - London durch Rudolph Lepke in Berlin am
17. November ist für den deutschen Kunstmarkt ein Ereignis
ersten Ranges. Es ist das erstemal, daß eine derartige
englische Sammlung zur Auktion nach Deutschland kommt.
Das Beieinander von Gemälden, das diese Kollektion
umschließt, enthüllt sich dem Erfahrenen ohne weiteres
als eine Sammlung im eigentlichen Sinne, als die Schöpfung
eines aufgeklärten Kunstfreundes. Sir Charles Turner, der
in London verstorbene Sammler, konnte die reichen Gelegen-
heiten, die der Markt drüben bot, ausnutzen und ward bei
seinen Erwebungen von einem ungewöhnlich feinen Ver-
ständnis geleitet. Er nahm auch keine Bilder in seine
Sammlung auf, die nicht vorher von Fachleuten als echt
erkannt worden waren. Seine Hinterlassenschaft zeichnet
sich zunächst erfreulich aus durch das Fehlen geschmack-
loser, schlecht erhaltener oder verfälschter Bilder. Der
auf das Gesunde und Klare gerichtete Sinn hatte mehr
Freude an der glücklichen Schöpfung eines mittelgroßen
Malers denn an fragwürdigen Arbeiten von Berühmtheiten.
Er versteifte sich nicht auf diese oder jene Periode,
diese oder jene Stilstufe. Fast jedes Kunstland, fast jede
Zeit ist mit einigen ausgezeichneten Stücken vertreten.
Freilich nimmt die fruchtbare holländische Malkunst des
17. Jahrhunderts den breitesten Raum in Anspruch, doch
lassen nicht wenige italienische und niederländische Bilder
aus dem 15. und 16. Jahrhundert, sowie eine Reihe italie-
nischer, französischer und englischer Werke des 18. Jahr-
hunderts erkennen, daß dem beweglichen Kunstsinne dieses
Sammlers sich der besondere Reiz jeder Schaffensart
erschloß.
Die großen Meister des Quattrocento sind so seltene
Erscheinungen auf den Auktionen unserer Tage, daß die

liebenswürdige Komposition Lorenzo Costas und die cha-
raktervolle Heiligenfigur von Carlo Crivelli ohne Zweifel
lebhaftes Interesse erregen werden. Die italienische Hoch-
renaissance ist durch ein stolzes Männerporträt repräsentiert,
das unter Bronzinos Namen katalogisiert ist. Die letzten
Ausläufer der italienischen Kunst, Q. B. Tiepolo und B. Be-
lotto, werden ebenso leicht freundliche Aufnahme finden
wie Leprince, Fragonard, Morland und Hogarth.
Unter den Altniederländern verdient jener Madonnen-
maler Beachtung, der in der Nottaufe »Meister der Ursula-
legende«- genannt worden ist. Die dem großen Holländer
Geertgen tot St. Jans zugeschriebene merkwürdige Kom-
position ist kunstgeschichtlich von ebenso erheblicher Be-
deutung wie das aus der Zeit um 1520 stammende Trip-
tychon mit der Beweinung Christi, das unter dem Namen
»Herri niet de Bles«. verzeichnet werden mußte. Dem ver-
ständigen Kunstfreund wird die Qualität wichtiger sein als
der Name.
Zur deutschen Malkunst der kurzen Blütezeit gehören
das schöne Doppelporträt von der Hand des älteren
B. Bruyn und das Bildnispaar, das durch die Meister-
signatur als Schöpfung des vortrefflichen Dürerschülers
Hans von Kulmbach beglaubigt ist.
Die Vlamen des 17. Jahrhunderts sind spärlich vertreten.
Das ungewöhnlich gute Bildnis von Cornelis Janssens und
unter den Teniers-Bildern der schlafende Bauer, ein frühes
Meisterwerk, noch in der Art Adriaen Brouwers, werden
nicht übersehen werden. Sehr reich entfaltet sich die Malerei
der Holländer des 17. Jahrhunderts. Von Rembrandt zwei
kleinere Stücke. Dann die Landschaftsmaler, sowohl die
Meister der südlichen Landschaft, Berchem, Both und Mou-
cheron, wie die Maler der heimischen Erde, Jacob von
Ruisdael, Aart van der Neer und vor allen Jan van Goyen,
der in überraschender Fülle mit sechs Werken erscheint.
In langer Reihe ziehen die holländischen Genremaler vorbei:
Jan Steen, Adriaan Ostade, Bega, Dusart, Ochtervelt, der
ältere Mieris, Frans Schalcken und Slingeland. Der vornehm
ausgestattete Katalog bringt von den 89 zur Versteigerung
gelangenden Nummern 52 in vorzüglichen Lichtdrucken. —
Viel des Guten, das die deutschen Museen und Privat-
galerien in den letzten Jahrzehnten gewinnen konnten,
kam aus britischem Privatbesitz: eine bequemere Gelegen-
heit, auf einer deutschen Versteigerung aus dieser ergiebigen
Quelle zu schöpfen, hat sich kaum jemals geboten.
Die Versteigerung der Kunstsammlung Paul
Kemp-Bonn findet durch Peter Hanstein vom 10. — 13. No-
vember in Bonn statt. Der reich illustrierte Katalog ver-
zeichnet eine große Reihe sehr wertvoller Arbeiten: Zimmer-
täfelungen, Möbelgarnituren, einzelne Möbel, sowie Arbeiten
in Holz, Speckstein, Sandstein, Stuckmosaik; Arbeiten in
Email, Glas, Porzellan, Steingut, Fayence, Majolika, Steinzeug,
Ton; Arbeiten in Gold, Silber, Bronze, Kupfer, Messing,
Zinn, Eisen; Waffen; Textilarbeiten; Gemälde älterer
und neuer Meister, Miniaturen, Aquarelle, Radierungen,
Stiche und Bücher.
Die Auktion moderner Meister bei F. Muller & Co.
in Amsterdam am 10 November umfaßt 212 ausgewählte
Stücke, von denen die bedeutendsten in dem soeben
fertig gestellten Kataloge ganzseitig reproduziert sind.
Wir bemerken unter anderen eine bezeichnete Landschaft
mit Schafen von Ch. Jacque (Leinwand, öß^XiooVa), ein
umfangreiches Gemälde von A. Achenbach aus dem Jahre
1852: Sommerabend in Italien (107X161), einen prächtigen
Bouguereau: Junge Araberin (89X56). E. van Mareke ist
mit einem schönen Tierstück, Bosboom mit zwei; Kirchen-
interieurs vertreten. Von C. Springer findet sich ein präch-
tiges Amsterdamer Bild: »Heerengracht« (49X65), von
Josef Israels ein ergreifendes Gemälde »Die Leiden des
 
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