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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 12.1915

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Nr. 17 (22. Januar 1915)
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https://doi.org/10.11588/diglit.54674#0075
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DER KUNSTMARKT
XII. Jahrgang 1914/1915 Nr. 17. 22. Januar 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

BEVORSTEHENDE AUKTIONEN

lieber die mit Sternchen versehenen Versteigerungen ist im Anzeigenteil dieser Nummer Näheres zu finden.

Januar
Frankfurt a. M. /?. Bangel. Kupfer- und
Stahlstiche, Schabkunstblätter, Lithographien,
Aquarelle.
Februar
Berlin. R. Lepke. Bibliothek: Nachlaß Prof.
K. Frenzei, Baumeister P. Hentschel u. a.
26.
10.—11.
19.—20.
Berlin. Max Perl. Kupferstische, Radierungen,
Schabkunstblätter, Lithographien usw. von
Künstlern des 15.—19. Jahrh.
Februar
9.
Berlin. /?. Lepke. Gemälde neuerer Meister
aus dem Nachlaß d. Prof. K. Frenzei (III.Teil)
u. a. Bes.
23.-25.
Berlin. R. Lepke. Antiquitäten. Alte Gemälde
d. 16.—18. Jahrh.

Wiederauffindung des Pokalschatzes
der ehemaligen »Polnischen Nation« an der Leipziger
Universität und des Leibgurtes des ersten Rektors, Ottos
von Münsterberg (f 1426).
Die Leipziger Universität ist reich an Kunstbesitz aus
alter und neuer Zeit. In dem halbtausendjährigen Be-
stehen haben Erbschaften, Stiftungen, Jubiläumsfeste, ein-
mal — 1543 — die Schenkung gleich des ganzen Domi-
nikanerklosters und der Paulinerkirche mit mittelalter-
lichen Altargemälden und wichtiger Grabmalsplastik eine
stattliche Summe von Gemälden, Skulpturen und kunst-
gewerblichen Arbeiten ansammeln lassen. Wenn auch der
größte Teil der alten Kunstwerke in den Bau- und Kunst-
denkmälern der Stadt Leipzig von Corn. Gurlitt (1895/6)
publiziert ist, fehlte doch ein Gesamtinventar, das Professor
Felix Becker im Auftrage des Senats in vorigem und diesem
Jahre abfaßte. Bei den Nachforschungen fand sich — aufs
allergründlichste verwahrt und vielleicht grade deshalb in
völlige Vergessenheit geraten — eine kleine Truhe, die
sechs silberne und zum Teil vergoldete Pokale aus dem
16. bis ersten Viertel des 19. Jahrhunderts enthielt. Nach
den eingravierten Widmungen stellen sie den Pokalschatz
der »Polnischen Nation« dar, einer der vier territorialen
Vereinigungen, denen sämtliche Studenten der Universität
bis zur Auflösung der »Nationen« 1830 angehören mußten.
Der »Polnischen Nation« wurden außer den Polen auch
die Schlesier und weiterhin alle aus dem Osten kommenden
Studenten zugerechnet. Die sechs Pokale sind keine großen
Prachtstücke, doch stilvolle Goldschmiedewerke ihrer Zeit,
und besonders drei davon von edler Arbeit und alle durch
ihre Widmungen von universitätsgeschichtlichem Interesse.
Am feinsten ist ein silbervergoldeter Renaissancebecher
mit gedrungener, senkrechter Cuppa, scharfem Halseinschnitt
und auf drei Granatäpfeln mit zierlichem Rankenwerk ruhend.
Den oberen, äußeren Rand schmückt eine gravierte Laub-
kante, die das Täfelchen mit der Jahreszahl 1535 umschließt.
Beschau- und Meisterzeichen fehlen, doch läßt die Widmung
in der Bodenplatte: Martin Titius Jaure Mgr. Canomc.
Wratisla Donavit 1557 an Breslauer Herkunft denken. Das
zweitschönste Stück ist ein barocker Deckelportal auf Kugel-
füßen, silbervergoldet, mit schwungvoll getriebenem Blumen-
und Blattwerk im Becher wie im Deckel, ebenfalls die
Stiftung eines Breslauers namens Wenceslaus Buhl, 1677,
der aber Leipziger Bürger geworden war und nach dem
Beschauzeichen die schöne Arbeit in Leipzig herstellen ließ.
Das jüngste Stück von 1823, ein silbervergoldeter, bauchiger
Deckelbecher, zeigt in meisterhafter Ausführung feine Über-

gangsformen vom Empire- zum Biedermeierstil und ist eine
Schenkung des Juristen Joh. Gottfried Müller, des Seniors
der Polnischen Nation und derzeitigen Rektors der Uni-
versität. Beschauzeichen fehlt. Unter den drei anderen,
schlichteren Pokalen befinden sich zwei Leipziger Arbeiten
von 1646 und 1723 und ein kleiner achtseitiger Becher des
18. Jahrhunderts mit Augsburger Beschau und dem Meister-
zeichen C. P. — Außer den goldblitzenden, aufs beste er-
haltenen Pokalen umschloß die kleine Truhe noch ein
seltsames Erinnerungsstück, ein schlichtes, aus farbigem
Hanfleinen gewirktes gotisches Band, das nach einer bei-
liegenden Notiz des Rektors und bekannten Chemikers
O. L. Erdmann (1804 — 69) der Gürtel Ottos von Münster-
berg, des ersten, 1409 gewählten Rektors der Leipziger
Universität ist und der Polnischen Nation gehörte. Für
die Richtigkeit der Überlieferung spricht, daß das Gürtel-
band sehr den gotischen Bändern ähnelt, wie sie sich an
Bucheinbänden um die Mitte des 15. Jahrhunderts finden,
und daß Otto von Münsterberg als Schlesier zur »Polnischen
Nation« gehörte und ihr Senior war. Diese hat offenbar
im berechtigten Stolze auf ihren berühmten Angehörigen,
der schon in Prag 1395 Dekan der philosophischen Fakultät
gewesen war und fünf Jahre nach seinem Gründungs-
Rektorate die Leipziger Universität auf dem Konzil zu
Costnitz vertrat, den Gürtel als besonderes Erinnerungs-
stück pietätvoll aufbewahrt. Freilich sind im Laufe der
fünf Jahrhunderte die Schnallen verloren gegangen und nur
der Gurt allein erhalten, der in seiner Länge von 130 cm
auf einen nicht zu schlanken Leibesumfang schließen läßt!

VOM AMERIKANISCHEN KUNSTMARKT
Wie man in Amerika die Lage auf dem Kunstmarkt
beurteilt, geht aus einem Neujahrsartikel hervor, den die
»American Art News« veröffentlichen:
Der Schluß dieses ereignisreichen Jahres, so heißt es
da, läßt Gedanken auftreten, die gänzlich neuer Art sind.
Noch niemals, soweit selbst die berühmtesten »ältesten
Leute« unter den Künstlern, Sammlern und Händlern sich
erinnern können, hat em Jahr einen so völligen Umschwung
in allem, was die Kunst angeht, im Gefolge gehabt, wie
es jetzt der Fall ist. Trotz der Tatsache, daß Kunst ein
Luxus ist und daß der Künstler und der Händler, letzterer
ganz besonders, von den Veränderungen, die sich im wirt-
schaftlichen Leben vollziehen, abhängen, ist doch, wenig-
stens in Europa, in den letzten Jahren für Kunstdinge auch
in schweren finanziellen Zeiten immer nicht nur Interesse,
 
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