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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 12.1915

DOI issue:
Nr. 22 (26. Februar 1915)
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https://doi.org/10.11588/diglit.54674#0095
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DER KUNSTMARKT
XII. Jahrgang 1914/1915 Nr. 22. 26. Februar 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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NEW YORKER BRIEF

Wie nicht anderes zu erwarten war, brachte die
von der American Art Association unternomme Ver-
steigerung der Londoner Sammlung F. A. O. Hood
am 15. Januar in New York ein den höchst mäßigen,
ja mitunter recht zweifelhaften, englischen und hollän-
dischen Bildern entsprechendes geringes Ergebnis.
Die Kauflust des Publikums ist überhaupt nach wie
vor recht gering, um so mehr wird dann davon ge-
sprochen, wenn einer der großen Sammler hie und
da ein Bild oder eine Plastik kauft. Mr. H. C. Frick
erwarb unlängst, wie es heißt für 50000 Dollar, von
den Ehrich Galleries das schöne Brustbild des Grafen
Tepa von Goya, ein sehr sympathisches Werk aus der
reifen Zeit des Künstlers. Dieser Kauf ist deshalb
von einer gewissen Bedeutung, weil seit etwa zwei
Jahren die amerikanischen Sammler Goya fast gar
kein Interesse mehr entgegenbrachten, obwohl ver-
schiedene der bedeutendsten Händler eine ganze Reihe
hervorragender Werke des berühmten Spaniers auf den
Markt gebracht hatten. Zu diesen Händlern gehört
auch die Firma M. Knoedler & Co., die jetzt eine
Greco-Goya-Ausstellung in ihren Räumen in der Fifth
Avenue zum besten des amerikanischen Frauen-Hilfs-
fonds und des belgischen Hilfsfonds veranstaltet.
Diese Ausstellung darf man ruhig als eine der groß-
artigsten in ihrer Art bezeichnen, und man bedauert
nur, daß sie nicht in Europa gezeigt werden kann:
denn zu den Bildern aus dem Besitz des genannten
Händlers haben sich die schönsten Werke Grecos und
Goyas aus den Sammlungen Frick, Havemeyer, Widener
und Ph. Lehman gesellt. Vierzehn Grecos und fast
zwei Dutzend Goyas. Unter den Grecos ragen na-
türlich die Stücke aus den genannten Privatsammlungen
besonders hervor, vor allem die beiden weltberühmten
Stücke der Havemeyer-Sammlung, das große Porträt
des Inquisitors Nino de Guevara und »Toledo im
Gewitter«. Das eigenartige Porträt des D. Vicente
Anastagi aus der Sammlung Frick, von Greco kurz
vor seiner Übersiedelung nach Spanien gemalt, ist
hier zum erstenmal öffentlich ausgestellt. Unter den
noch Knoedler gehörenden Stücken verdient die kleine
»Hl. Katharina«, die wie ein frühmittelalterliches Juwel
wirkt, unstreitig den ersten Rang. Erwähnt sei auch
eine bisher unbekannte kleine Fassung des »Christus
am Ölberg«. Unter den Arbeiten Goyas erregt neben
den »Majas am Balkon« der Sammlung Havemeyer ein
anderes Bild mit lebensgroßen Figuren besondere Auf-
merksamkeit, die »Schmiede« genannt: drei Schmiede-
gesellen am Ambos arbeitend. Das bisher der Goya-
forschung entgangene Stück gehört sicher zu den
allergroßartigsten Arbeiten des alten Goya; Technik,
vor allem das gedämpfte Kolorit mit den schwärzlich-

grauen Schatten und die ganze Auffassung lassen es
als sicher erscheinen, daß dieses Bild wohl nicht vor
1815 entstanden ist. Von Interesse ist auch der
Teppichkarton »Kinder auf einem Esel reitend«. Irrt
sich der Schreiber nicht, so ist das das Gegenstück
zu den »Huckepack spielenden Kindern«, die aus der
Sammlung Nemes auf so sensationelle Weise in den
Prado zurückgelangt sind. Das jetzt in Amerika be-
findliche Bild ist also der noch vermißte, in den
sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aus
Madrid entführte Teppichkarton! —
Was man schon lange munkelte, hat sich nun
verwirklicht: Pierpont Morgans Sohn und Erbe hat
— sagen wir: »zunächst nur« — die berühmte Por-
zellansammlung verkauft, wie es heißt um den Preis
von 800000 <£. Das Testament des verstorbenen
großen Sammlers brachte seinerzeit alles andere als eine
freudige Überraschung: nicht nur daß sich der Prä-
sident des Metropolitan Museum of Art in New York
nicht bewogen gefunden hatte, die diesem Museum
zu seinen Lebzeiten leihweise überlassenen Kunst-
werke als Geschenk zu hinterlassen, sondern von
einer — eigentlich erwarteten — Schenkung seiner
ganzen Sammlung oder wenigstens eines Teiles, war
erst recht nicht die Rede. Welch ein Kontrast zu dem
großartigen Vermächtnis Altmanns! Wie bekannt,
kam nur eine Leihausstellung im Metropolitan Museum
zustande. Bald verbreitete sich denn auch das Ge-
rücht, daß Morgan jr. die Sammlung in großen
Stücken, also gewissermaßen jede Abteilung für sich,
zu verkaufen gedenke. Das nahm wenig wunder,
da man weiß, daß der Ehrgeiz des jungen Morgan
sich auf ganz anderen Bahnen als der des Vaters be-
wegt, daß es seine Absicht ist, gewissermaßen der Na-
poleon unter den amerikanischen Bankiers zu werden.
Es wäre also keine Überraschung, würde man dem-
nächst von dem Verkauf der Bronzen, Gobelins oder
der Möbel hören.
Mag auch die enorme Summe, die als Kaufpreis
für die Porzellansammlung genannt wird, übertrieben
sein, so besitzt sie doch mindestens einen Wert von
10—12 Millionen Mark. Der hohe Wert erklärt sich
vor allem dadurch, daß die Sammlung außerordentlich
kostbare Stücke chinesischen Porzellans enthält. In
dieser — wiederholt publizierten — Kollektion ost-
asiatischen Porzellans liegt das Schwergewicht dieses
Teils der Morganschen Sammlungen. In Amerika
sind die Preise für altes chinesisches Porzellan in
den letzten Jahren zu wirklich phantastischen Höhen
gestiegen, das Interesse der großen Sammler für diese
Kunstgattung ist beständig im Wachsen und findet
gerade jetzt neue Nahrung, wo die in ihrer Art viel-
 
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