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Diese Nummer der Kanstnachrichten ist 8 Seiten stark.

Auflage: 12600.

KUNSTNACHRICHTEN

BEIBLATT DER KUNSTWELT

Die »Kunstnachrichten« werden an
die Mitglieder der ange^ ry r t j e
sddossenen Kunstvereine O 1 o. l 1 o
abgegeben. Sonst jährlich 3 M., durch den
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BERLIN W. 62 • Kurfürstenstraße 131
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WEISE 'S) CO. ■ BERLIN W. 62.

L JAHRG. No. 13/14

15. April 1912

Die Sammeltätigkeit moderner öffentlicher Kunstsammlungen.

Kunstpolitische Fragen erfreuen sich im Gegen-
satz zu den ästhetischen, die jedermann, schon
ehe er Lessings Laokoon gelesen, diskutiert,
keiner großen Beliebtheit. Sie werden nur gelegent-
lich erörtert, und dann mit mehr Heftigkeit wie
Einsicht und werden selbst von denen, die sie
am meisten angehen, ziemlich verächtlich behan-
delt oder doch nicht mit der notwendigen Ge-
wissenhaftigkeit durchdacht. Wenigstens darf
man aus der Anlage und Verwaltung unserer
öffentlichen Sammlungen moderner Kunst auf
solche Unklarheiten schließen. Aber vielleicht
liegen hier die Dinge besonders schwierig, weil
die Erfahrungen noch gering sind. Haben sich
doch unsere Anschauungen über die ältere Kunst
und ihre Geschichte mehr geklärt wie über die
der modernen (d. h. der seit dem Ende des
18. Jahrh.). Sind sich doch selbst die gescheite-
sten Leute nicht einig in der Beurteilung der
Künstler des 19. Jahrhunderts (und Urteilssicher-
heit ist nun einmal notwendig, wenn man mit
Erfolg sammeln will).
Wir rühren damit an eine der schwierigsten
Fragen der Sammeltätigkeit überhaupt. Diese
aber ist aufs engste verknüpft mit der Persön-
lichkeit des Sammlers. Die meisten Sammlungen
alter Zeit waren fürstliche und der Fürst war un-
umschränkt im Sammeln, sein Museumsleiter
war nicht mehr als ein Oberaufseher und Kon-
servator. Im letzten Jahrhundert sind aber neben
den fürstlichen, die zum Teil staatliche wurden,
viele städtische oder provinziale entstanden und
deren Leiter sollen als selbständige Persönlich-
keiten selbst sammeln und haben ihre Sammel-
tätigkeit zu veranworten. Und zwar meist
gegenüber mehreren vorgesetzten Behörden und
der öffentlichen Meinung, die sich in so und so
viele Meinungen zersplittert (es gibt bekannt-
lich ebensoviel Parteien in ästhetischen Fragen,

wie in politischen). Es ist klar, daß jeder Ener-
gische und ohne Überhebung Selbstbewußte mög-
lichst diese Fesseln von sich abzuschütteln sucht
und eine ihm aufgedrungene „Beratung“ abzu-
lösen suchen muß, wie er ja andererseits im
festen Vertrauen auf seine Einsicht selbst die
wütendste Kritik nicht scheuen soll. Man sollte
einen Museumsleiter nicht anders stellen, und er
sich selbst nicht anders, wie einen verantwort-
lichen Minister. Er wird sich ja auch das Ver-
trauen seiner vorgesetzten Behörde und der Öffent-
lichkeit zu erwerben suchen, sein Amt aber
niederlegen, wenn ihm dies nicht gelingt. Wer
aber — und damit kommen wir auf eine sehr
wichtige Frage — ist nun berufen, Museums-
leiter zu sein? Es ist müßig zu erörtern, wel-
chen Bildungsgang der betreffende genossen
habe, ob er von der Kunstpraxis oder der Kunst-
wissenschaft herkommen solle, immer soll er eine
Persönlichkeit sein, ein Mann mit Geschmack
und Geist, mit Sammlerlust und Sammlererfah-
rung. Die Kenntnis der großen europäischen
Sammlungen, die Fühlung mit Sammlern und mit
Künstlern ist für ihn ebenso wichtig wie die
Kenntnis der Geschichte der Kunst, das Auf-
merken und innerliche Erfassen aller Kunstströ-
mungen und die philosophische Ergründung des
Wesens des Kunstwerkes und des Künstlers.
Ein Museumsleiter soll nicht nur mit seiner Zeit
mitgehen, sondern womöglich vorausahnend das
Kommende sehen oder gar die Zukunft mit be-
stimmen helfen. Das kann freilich nur, wer
selbst Künstler von Natur ist.
Unter dieser Voraussetzung kann die Frage,
was und wie zu sammeln ist, unmöglich in
einem allgemeinen Programme festgelegt werden.
Daß jeder Museumsleiter ein Programm haben
muß, versteht sich von selbst, nur ist es in jedem
Falle ein anderes, es richtet sich nach dem vor-
 
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