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Auflage: 13000

KUNSTNACHRICHTEN

BEIBLATT DER KUNSTWELT

Erscheint monatlich.
Abonnementspreis: Jährlich 3 Mark.
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[die Post bezogen.

III. JAHRG.__No. 1. 1913

Die Kunstnachrichten sind ständiges Nachrichtenorgan für folgende KUNST- UND KUNSTGEWERBE-VEREINE'Deutschlands, Oesterreichs,
der Schweiz und Rußlands: Aachen, Allenstein, Altenburg, Altona, Augsburg, Baden-Baden, Bayreuth, Bernburg, Biel, Bielefeld,
Braunschweig, Bremen, Breslau, Bromberg, Brünn, Chemnitz, Chur, Danzig, Darmstadt, Dessau, Dresden, Düsseldorf, Eisenach,
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Qlarus, Glauchau, Görlitz, Gotha, Göttingen, Graz, Halberstadt, Halle a. S., Hamburg, Hanau, Hannover, Heidelberg, Hildesheini,
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Ulm (Donau), Ülzen, Varel, Wiesbaden, Winterthur, Würzburg, Zürich, Zwickau.

Redaktion-jund Expedition:
BERLIN W. 62 - Kurfürstenstr. 131

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WEISE 'S) CO. • BERLIN W. 62.

Gedanken über bildende Kunst,

Ein Mahnruf an junge Künstler
von Prof. Mackensen, Direktor der Hochschule für bildende Kunst, Weimar.*)

Das Gebiet der Kunst im allgemeinen ist un-
endlich. Dem Menschen ist die Kunst ein Aus-
drucksmittel tiefster Geheimnisse des Geistes. Von
jeher hatte der Mensch das Bedürfnis, seine
Seele in irgend einer Form in ein Stück Wirklich-
keit zu verwandeln, so auch in der Kunst.

Die mystischste dieser Formen ist die Musik.
Sie verrauscht mit jedem Ton und es ist nicht
jedem gegeben, ein Ganzes aus diesen Tönen
nachzufühlen.

Die sinnfälligste ist die bildende Kunst. Sie
bleibt gegenwärtig, ist mit dem Blick völlig zu
fassen und zu empfinden. Aber auch sie ist
nicht minder schwer begreiflich.

Mjt der bildenden Kunst glauben die meisten
leicht fertig zu werden. Sie legen den Maß-
stab an, den sie sich selbst zurecht gemacht
haben und übersehen dabei, daß die wirkliche
Grundlage, die Erziehung zur Kunst fehlt, oder
daß es sich meistens gar nicht um eine eigene
Meinung handelt.

Will man ein Werk der bildenden Kunst wirk-
lich nachfühlen, muß man zur Kunst erzogen
werden, oder sich selbst dazu erziehen. Der
tiefsten Grundlage des Wesens der Kunst ist
nachzuforschen. Es ist zu versuchen, den nötigen
geistigen Abstand zu gewinnen, um die Seele,

*) Dieser Aufsatz, der bei Künstlern wie bei Laien die größte
. Beachtung verdient, wurde uns von Herrn Professor Mackensen
freundlichst zum Abdruck zur Verfügung gestellt.

Die Schriftleitung.

den eigentlichen Ursprung des [Kunstwerkes zu
erkennen und verstehen zu lernen.

Was wäre die Welt ohne die Seele des Men-
schen? — Sie wäre tot; sie wäre nicht empfunden,
sie wäre nicht gedacht! Alle Geheimnisse [des
Sehens, alle Erlebnisse des Hörens, alle Tiefen
des Denkens und Fühlens, sie wären nicht! Der
Geist des Menschen ist das Leben in der Natur.
Er schafft und wirkt, er umspannt die Welt mit
seinen Flügeln. Alle Urtiefen werden durch ihn
wach. Der Geist des Menschen ist das höchste
Produkt in der Natur.

Was wäre die sichtbare Welt ohne den Geist
des Menschen? Sie wäre tot, denn die sicht-
baren Wunder der Welt würden nicht empfunden!

Die bildende Kunst ist die sinnfälligste der
Künste, sie wirkt durch das Auge aufs Empfinden.
Wer sehen kann, vermag sie zu begreifen. Sie
ist innig verknüpft mit der Natur, sie kann sich
nicht loslösen von ihr. Sie scheint erst dann
edel und groß, wenn sie in ihrem Wesen der
Natur entspricht, wenn auch sie organisch ist
und dem Beschauer ein Gefühl pulsierenden
Lebens hinterläßt.

Bildende Kunst ist Spiegelung der Natur in
einer Menschenseele — wie die Seele, so die
Kunst. Die einfache Nachahmung der Natur
kann kein Kunstwerk sein. Das Kunstwerk
atmet ein Stück Wesen des Künstlers, zwingt zu
dessen Seele.
 
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