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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Septemberheft
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Schuchhardt, Carl: Die Keramilk von Susa: eine Tierornament-Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0009

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überzogen, zuweilen werden Dreiecke struktiv gereiht
oder Halbmonde und dergl. spielend in die freie Fläche
gesetzt.* Dieser Spieltrieb bemächtigt sich dann auch
des oberen Bandes und gestaltet seine senkrechten Mittel-
fäden langsam um. Erst bekommen sie oben einen
Haken, dann auch unten eine Umbiegung. Dann wird
der obere Haken zu einem Kopfe und die untere Um-
biegung zu einem kleinen Körper, an den zwei kurze
Beine gefügt werden (Abb. 2). Nur auf diesem Ent-
wicklungswege ist die langgestreckte Form und die dichte
Reihung der Tierchen zu verstehen. Wo die Kunst frei
ist von technischer Überlieferung, kommt man auf solche
Wunderlichkeiten nicht.

Bei den Schüsseln ist das Geflecht wohl am augen-
fälligsten. Den Mittelpunkt bildet, wie bei jedem
Panamahute, ein kleines Viereck, bald zum griechischen,
bald zum Malteserkreuze gestaltet. Um diesen Teil
schlingt sich gewöhnlich der erste Ring, auf halbem Wege
zum Rande folgt der zweite und am Rande selbst der
dritte. Diese stark betonten, breiten konzentrischen Ringe

Steinbock verwandelt. Die Schüssel 3c zeigt als eine
von vielen die alten festen Ringe aufgelöst. An ihre
Stelle ist ein Treppenornament getreten, dessen Stufen
erst der oberen, dann der unteren alten Ringlinie folgen.
An den Stellen, wo die Ringlinie frei bleibt, ist oben
das Kammuster, unten ein Steinbock eingesetzt. In dieser
ganzen Reihe schreitet die Entwicklung so folgerichtig
fort, daß man sie unmöglich umstoßen und etwa glauben
kann, aus dem Steinbock sei das völlig halbrunde und
noch gar nicht einmal Kammuster zu nennende Ornament-
stück von Schüssel 3 a hervorgegangen.

Ganz grotesk tritt die Verwandlungskunst auf in
der Reihe, die Abbildung 4 zusammenstellt. 4a zeigt
ein aus dem bekannten Schachbrettmuster hervorge-
gangenes etwas verlottertes Motiv von zusammenstoßenden
Vierecken. In 4c ist eine Reihe dieser schraffierten Vier-
ecke gewissermaßen als Brückenpfeiler hingestellt; über
jedem Intervall liegt eine giebelförmige Verbindung und
auf der Spitze jedes Giebels erhebt sich sozusagen ein
Schornstein mit einer zackigen Rauchfahne. Wir kommen

3. Schüsseln von Susa.

sind durch feine dichte Radialfäden miteinander ver-
bunden, eine höchst einfache und gar nicht anders als
auf Flechterei zu deutende Verzierung. Nun beginnt
aber das Leben: die Ringe werden an je zwei oderauch
vier Stellen geöffnet, offenbar in der Idee, daß hier
Bänder vom Mittelpunkte ganz bis zum Rande aufsteigen
sollen. An den Öffnungsstellen werden die äußersten
Fäden verstärkt und nach oben wird jedesmal ein feiner
Faden ausgelegt, als ob er die Ecke in der Wandung
des Gefäßes besonders befestigen müßte (Abb. 3a). Als-
bald werden diese Eckfäden auch hochgestellt und an
ihrem Ende umgeknickt. Bei der viergeteilten Schüssel 3 b
ist so einmal ein kammförmiges Gebilde entstanden,
dessen Eckkrönungen sich schon danach sehnen, Tier-
köpfe zu werden. Und richtig hat sich auf einer weiteren
Stufe dieser ganze gehörnte Kamm in einen vierbeinigen

*) Anm. Eine merkwürdige Parallele bietet Peru, wo ja die
Keramik auch ganz ausgesprochen auf Korbflechterei beruht: es
hat dieselben feinen Becher mit fast denselben Verzierungen und
auch derselben Neigung zur Tiergestaltung (Berliner Museum).

hier in die Gefühlswelt unseres Münchener Ornamentikers.
Die Darstellung erinnert an alles Mögliche und will doch
nichts von alledem sein, sondern nur ein phantastisch
Linienspiel. In 4c sind dann aber die Pfeiler zu Beinen
geworden, die Dächer zu einem dreieckigen Tierleibe
und die Schornsteine zu ausgereckten Hälsen mit
zackiger Mähne. In 4d hat sich die geschlossene Kette
in einzelne tierähnliche Gebilde aufgelöst, das Dach ist
aber in einem starken Buckel noch deutlich, auch sind
nur drei Beine vorhanden entsprechend den drei Vertikal-
linien des alten Pfeilers, und Hals und gabelförmiges
Geweih sind noch sehr wenig porträtähnlich. Aber in
4e tritt uns dann ein säuberlicher Steinbock mit vor-
schriftsmäßigen vier Beinen und gutem Kopf und Gehörn
entgegen. Auch bei dieser Entwicklungsreihe ist es
natürlich ganz unmöglich, sich aus dem Steinbock rück-
wärts den Schornsteingiebel und die Schachbrettvierecke
entstanden zu denken.

Schließlich kristallisieren sich auch ein paar Menschen-
figuren in dieser Keramik, und zwar aus Dreiecken mit

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