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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Oktoberheft
DOI Artikel:
Bogeng, Gustav A. E.: Deutsche Einbandkunst der Gegenwart, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0059

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besonderen Eigentümlichkeiten nach auszugestalten ver-
suchten, dadurch eine Bereicherung der kunstgewerblichen
Buchbinderei herbeigeführt, die nicht unterschätzt werden
sollte. Indem sie dem Blinddruck, für den sich gerade
der Schweinslederband vortrefflich eignet, gelegentliche
Handvergoldungen und Lederauflagen hinzufügten, indem
sie die Stoffreize des Schweinslederbandes ähnlich wie beim
Ziegenlederbande zur Geltung kommen ließen, brachten
sie einen der besten Einbandüberzugsstoffe auch für den
Kunsteinband wieder zu den verdienten Ehren. Aber
auch die Bemächtigung des Erbes der Vergangenheit
scheint wieder zu gelingen, nachdem manche früheren
Versuche aus mannigfachen Gründen mißglückt waren.
Als Beispiel dafür sei auf den naturfarbenen Schweins-
ledereinband, den Karl Ebert, München für die Benz’sche
Legenda Haurea-Ausgabe fertigte, verwiesen. (Abbildung 1)
Die Anpassung an die Art des alten Binde- und Schmuck-
verfahrens ist hier vortrefflich geglückt, die Möglichkeit,
durch Blinddrucktönungen die Einbandzeichnung zu be-
leben, ausgenutzt.

Die Aneignung eines historischen Stils und seine
Anpassung an die Gegenwart aus der Tradition sind zwei
grundverschiedene Dinge. Aber gerade dem Buchbinder
wird wohl am meisten von allen auf kunstgewerblichen
Gebieten Tätigen die Aufgabe gestellt, eine Arbeit ganz
genau bestimmten Stiles zu liefern, wenn er ein altes
Buch im Geschmack seines Entstehungsortes und seiner
Entstehungszeit neu binden muß. Derartige Kopien, die
in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, in
der sich allerdings auch durch die für sie erforderliche
Arbeitsgenauigkeit die Arbeitstechnik vervollkommnete, als

Abb. 3. Einband der kunstgewewerblichen Abteilung der
Hofbuchbinderei Hübel & Denk-Leipzig.

Geglättetes schieferblaues Ziegenleder. Handvergoldung und Lederauflage.

Abb. 4. Spiegel des Einbandes Abbildung 3.

Himbeerfarbenes Kalbleder, Handvergoldung, Durchbrucharbeit,
bläuliche Seidenunterlage.

Einbandkunst schlechthin galten, werden bisweilen mit
alten, echten Stempeln, die sich erhalten haben, herge-
stellt. Und gerade die Benutzung dieser ursprünglichen
Werkzeuge leitet den Buchbinder weiter, er hält sich
dann nicht mehr an ein einzelnes Muster, sondern sucht
aus den Beispielen vieler alter Bände die geschichtliche
Richtigkeit des neuen Bandes zu finden. Die Buchkunst-
entwicklung der Gegenwart hat keineswegs lediglich
,Modernes“ schaffen wollen und können, aus dem sehr
einfachen Grunde, weil sie es durchaus nicht nur mit
Schöpfungen der Schriftsteller ihrer eigenen Zeit zu tun
hat, sondern auch mit alten Werken, deren Neudruck die
Buchform, nicht aber den Buchgeist frisch gestaltet. So
hat sie das historische Stilgefühl verfeinert, ein Umstand,
der, häufig übersehen, auch in der Entwicklung der
deutschen Einbandkunst mehr und mehr überall da zur
vollen Geltung gebracht wurde, wo es sich darum handelte,
altes und neues auszugleichen wie bei den Einbänden
für ein altes Werk, dessen Wiedergewinnung in neuer
Buchschönheit erstrebt worden war.

Es ist selbstverständlich, daß, ganz abgesehen von
der bereits durch die äußere Stilgeschichte bestimmten
Mannigfaltigkeit der Arbeiten dieser Art, auch ihre innere
Begründung so verschiedenartig war, daß erst eine lange
Reihe von Abbildungen die Leistungen der deutschen
Einbandkunst in dieser Richtung ihrer Entwicklung er-
läutern könnte. An dieser Stelle muß der allgemeine
Hinweis auf das ästhetische und historische, für die
Buchbinderei teilweise der abweichenden Bindeweisen

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