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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Oktoberheft
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Kunstauktionen / Aus der Museumswelt / Kunstausstellungen / Dresden und seine Kunst / Vom Skandinavischen Museumsverband / Aus dem Pariser Kunstleben / Eine künstlerische Weltfriedensbriefmarke / Eine Dienststelle für Kunstschrift / Zur Münzkunde des Weltkrieges / Neuerscheinungen des Büchermarktes
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0066

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Dcesden und seine Kunft

Von unserm ständigen Kunstreferenten.

Dresden, Ende September.

Das äußere Antlitz der vielgeliebten kurfürstlich-königlichen
Hauptstadt an der Elbe, soweit die bildende Kunst seine Züge
ausgemeißelt hat und das Blut ln seinen Adern rollen läßt, wird
dem, der eine Jahresfrist zurückzudenken wagt, heute kaum sehr
verändert erscheinen. Die Sorge, es möchte der Galerie und den
Sammlungen im Zwinger, auf der Terrasse, im Schloß und im
Johanneum durch den Umsturz ein Schaden erwachsen sein, scheint
bald zerstreut. Aber der Chronist darf nicht nur das nennen und
zeichnen, was Bestand hatte, er darf auch das nicht verschweigen,
was an Entwicklungsmöglichkeiten zerstört wurde. Dahin gehört,
rein sachlich angesehen, auch der Bau der modernen Galerie, als
Ergänzung des alten Semperbaues, zwischen Zwingerteich und
Opernhaus. Die Planke, die den unfertigen Bauplatz umschloß,
zum Ärger der alten Dresdner, denen der Spaziergang auf dem
Zwingerwall eine, von der Tradition geheiligte Freude war, ist
endlich gefallen; an die Breschen in dem würdevollen Baumbestand,
die schon dem Neubau zuliebe gelegt waren, wird sich die eilfertig
lebende Gegenwart bald gewöhnen. Es ist richtig: die Neuordnung
der modernen Abteilung der Gemäldegalerie, die der langgestreckte
Bau von Kramer und Pusch annehmen sollte, ist nun wieder auf
Jahre hinaus gehemmt. Aber der Weitersehende wird dem Projekt
dennoch keine Träne nachweinen. Schon längst hatte sich gegen
den Bauplatz selbst lebhafter Widerspruch erhoben. Nicht nur
bedeutete die Wahl des Geländes zwischen Teich, Theaterplatz
und Stallstraße einen herben Einschnitt in das natürlich gewachsene
Idyll von Baum und Strauch, das den anmutigsten Rahmen des
Zwingers bildete, nicht nur eine ln ihrer Wirkung sehr bedenk-
liche architektonische Konkurrenz für den unvergleichlich edeln
Renaissancepalast, den Semper der Bildersammlung geschaffen.
Vor allem hatte man erkannt, daß ein Spezialgebäude für die
Malerei der Gegenwart dort nicht am Platze sei, wo es an einem
Museum der modernen Kunst, im weitesten Sinne gefaßt noch
mangelte. Abgesehen davon, daß die schon im Frieden nicht
allzu üppigen Finanzen des Königreiches in erster Linie der Neu-
organisation derjenigen Sammlungen dienen sollten, die räumlich
am stärksten beschränkt waren: d. h. den naturwissenschaftlichen,
vor allem dem zoologisch-antropologisch-ethnographischenMuseum,
das in den südöstlichen Galerien seine Schätze nur unvollkommen
ausbreiten kann. Der Plan eines naturwissenschaftlichen Zentral-
museums, in dem auch die mineralogisch-praehistorische Sammlung
Platz finden würde, den einst G.Bestelmeyer für den alten Herzogin-
Garten an der Ostraallee entworfen hat, ist durch größere stadt-
bauliche Maßnahmen leider schon überholt worden. Und es ist
auch müßig, heute dem Gedanken eines Museums der Kunst der
Gegenwart nachzugehen, das keineswegs in unmittelbarer Nach-
barschaft der Galerie liegen müßte, sondern weit glücklicher draußen
am großen Garten, etwa auf den freien Wiesen an der Albrecht-
straße sich als Heim aller Schöpfungen der jungdeutschen Kunst,
also auch derer der Skulptur und des Kunstgewerbes, und als
Ausstellungshaus, Bibliothek, Lesehalle, kurz als ein Volkshaus
für Kunst zu segensreichstem Wirken erheben könnte. Ein schöner
Traum —

Indessen ist man nicht müßig, die innere Umgestaltung der
Gemäldegalerie weiterzuführen, und scheut sich nicht, die alten
Bestände gründlich durchzusieben und nur das Beste in lockrem
Zusammenschluß, zur Schau zu stellen. So haben die Erdgeschoß-
räume jenseits der Durchfahrt, die dem 10. Jahrhundert gewidmet
sind, eine Auferstehung im Geiste Graffs, Canalettos, der Pastell-
maler und der Italiener und Franzosen des Rokoko und des
Klassizismus erfahren. Die Miniaturen sind verschwunden, die
betriebsame Rosalba Carriera bietet nur noch ein Dutzend ihrer
weiblich-koketten Köpfe, aber die beiden Canaletto, die Herzens-
freunde aller guten Dresdner, sind auf ihren beschaulichen
Wanderungen durch die Stadt August’s II, durch Pirna und ihre
oberitalienische Heimat aufs angenehmste zu begleiten. Im ersten
Stock wurde der nördliche Pavillon, der zuletzt die Sammlung

Czartoryski barg, in einer architektonischen Individualität als kostbar
ausgestatteter Festsaal wiederhergestellt und den Franzosen der
großen Zeit eingeräumt. Poussin und Claude, Watteau und Laueret
würden sich in dem schwelgerischen Milieu, das Pöppelmann ge-
schaffen, gewiß ganz wohl fühlen, wenn nicht einesteils die
doppelte Fensterreihe die Wandflächen aufs äußerste beschränkte
und die Köstlichkeiten des Meisters von Valenciennes und seiner
Schüler auf kleine, ofenschirmartige Scherwände verbannte, andrer-
seits ein allzu modernkräftiges Gelb und Violett der Wandtönung
die zarten Valeurs unsanft verdunkelte. Dagegen hat man in den
Kabinetten der Niederländer mit viel Glück und Geschmack auf-
geräumt. Wouwermanns Kriegs- und Gesellschaftsszenen offenbaren
sich auf hellgrauem Grunde, in überraschend lockrer Pikanterie
liebevoll berechneter Farbigkeit, Metsu, Teniers, Ostade, Netscher
und Palamedes, Berckheyde und Dou, einst ein kaum zu über-
sehendes Meer malerischen Reichtums, sind nun in sorgfältig nach
den strengsten Gesetzen der Symmetrie abgewogenen Gruppen
als Einzelerscheinungen glänzend zu studieren.

Während das Kupferstichkabinet in einer wunderschönen
Ausstellung von Darstellungen des Todes im Spiegel der graphi-
schen Künste ein nicht nur historisch anziehendes, sondern
geradezu menschlich erschütterndes Kolossalgemälde tragischer
und ironischer, forschender und verklärender Imagination geschaffen
hat, ist man im Albertinum dabei, die ehemals vom Hauptstaats-
archiv benutzten Räume der Skulpturensammlung zu erschließen.
Nachdem der Plan eines Umbaues dieser ausgedehnten Säle, die
besonders im Erdgeschoß mit den gewaltigen säulengetragenen
Gewölben des ehemaligen Zeughauses ein dankbares Feld für den
Organisator der Abgüsse bieten, aus finanziellen Gründen ad
calendas graecas zurückgestellt werden mußte, sieht man diesem
Provisorium mit doppelter Spannung entgegen.

Auch im Johanneum hat man Ursache, verklungenem Zukunfts-
träumen nachzutrauern. Noch im Sommer 1918 konnte die ein-
greifende Umgestaltung der Rüstkammer, seil, des historischen
Museums mit der Einrichtung der neuen Vorhalle und des Saales
der Kunstkammer zu einem vorläufigen Abschluß gebracht worden.
Kurz vor dem Kriege war der Plan einer völligen, sachlichen und
räumlichen Reorganisation mit den Sälen der Ernestiner, der
Turniere und des Kurfürsten Moritz, sowie denen des Kurfürsten
August und Johann Georg I verheißungsvoll in Angriff genommen
worden. Ihnen folgte, trotz Krieg, Teubruch und Hemmungen
aller Art, 1917 und 1918 der Saal des 18. Jahrhunderts, der große
Kriegswaffensaal, eine imposante Säulenhalle mit dem nun endlich
aus seiner verstümmelten Gedrücktheit befreiten Türkenzelt, der
Pistolensaal und der, als Raumschöpfung überraschende orienta-
lische Saal. Für den Saal des Marstalls, den der Kostüme, und den
Rest der Kunstkammer, dann vor allem für den ehemaligen Prunk-
waffensaal, der dieZeitChristiansI. und II. vergegenwärtigt, lagen die
Pläne vor, waren die Mittel bereit — die letzteren, wie bei den vor-
angegangenen Arbeiten, durch die Hilfe privater Gönner beschafft.
Hier hat der 9. November mit der Monarchie auch die neue Form
des wettinischen Heeresmuseums — denn ein solches in seiner
Eigenart der Armeria Real und der Ambraser Sammlung nicht un-
ebenhärtig, verspricht die Sammlung zu werden — zertrümmert,
zum Mindesten in ihrem Werden schwer gehemmt. Man wird
nun versuchen, mit1 den bescheidnen noch vorhandenen Mitteln
die noch im alten, jetzt kaum mehr erträglichen Zustand befind-
lichen Säle in ein, der neuen Zeit nicht ganz unwürdiges Gewand
zu kleiden. Wenn die Zeitkritik sich jetzt anschickt, die bevor-
stehende Versteigerung von Doubletten der Sammlung, die ver-
bunden mit solchen aus der Porzellansammlung in Berlin statt-
finden wird, als eine Frucht des Zusammenbruches hinzustellen,
so geht sie damit völlig irr. Seit Jahren vorbereitet, war es im
Frühjahr 1918 endlich gelungen, die Bedenken der maßgebenden
Instanzen gegen ein solches, bei anderen Museen längst mit Vor-
teil geübtes Verfahren zu überwinden. Die Auswahl war ge-
troffen, und es handelte sich nicht um Doubletten im wörtlichen
Sinne, sondern um Stücke von typischer Form, wie sie z. B. zu
Dutzenden in den unermeßlich reichen Sammlungen aufgespeichert

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muiyeiuburiemti ♦ kostenlos. ♦ Dali, Wilhelmstraße 46/47.

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