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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Novemberheft
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Glück, Gustav: Erwerbungen der Wiener Gemäldegalerie seit Kriegsbeginn
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0096

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Emanuel Witte, Die Alte Kirche zu Amsterdam.

Wien, Gemäldegalerie.

Staffage, vertreten gewesen war. Das neu eingeweihte
Bild, das Salomon Ruisdaels Monogramm mit dem Datum
1633 trägt, ist für seine Kunst sowohl dem Stil als auch
dem Vorwurf nach viel bezeichnender; es ist eine von
jenen holländischen Kanalansichten, die er so oft dar-
gestellt hat: einige von Bäumen und Sträuchern um-
gebene, verfallene Bauernhäuser am Ufer des stillen
Wassers, auf dem Fischerboote mit ihren Netze aus-
legenden Insassen sichtbar sind, mit weitem Fernblick,
vorzüglich sowohl in der feinen Spiegelung des klaren
Gewässers und der höchst wirksamen Perspektive, als
auch in der einheitlichen Färbung, in der ein goldähn-
liches Hellbraun vorherrscht.

Von dem großen holländischen Bauernmaler
Adriaen van Ostade, der bisher in der Galerie
ebenfalls nur durch ein unbedeutendes Jugendwerk ver-
treten gewesen war, wurde vor wenigen Monaten ein
mit dem Namen des Künstlers und der Jahreszahl 1647
bezeichnetes Gemälde aus seiner reifen Zeit erworben,
das sich früher in einer bekannten Wiener Privatsammlung,
der des verstorbenen Herrn Alexander Tritsch in Wien,*)
befunden hatte. Der Vorwurf ist, wie oft bei diesem
Künstler, höchst anspruchslos; eine Bauernfrau, die Wein
eingießt, und zwei Bauern, von denen der eine sein
Pfeifchen raucht, in einer mit altem Gerümpel angefüllten
Scheune. Überraschend ist es aber, wie dieser unschein-
bare Gegenstand durch das Helldunkel verschönt wird,
das kein Geringerer als Rembrandt in die holländische

*) Direktor Dr. j Gustav Glück hat den Katalog dieser
Sammlung bearbeitet. Die Redaktion.

Kunst eingeführt hat. In der Art, wie durch die Butzen-
scheiben des einen Fensters das warme Sonnenlicht
dringt, die drei wenig schönen Gestalten bescheint und
all das herumliegende Gerümpel durchleuchtet, so daß
auch im tiefsten Schatten kein völliges Dunkel erscheint
und Alles durchsichtig und klar bleibt, liegt ein ver-
klärender, poetischer Zauber, der aus dem kleinen Bild
ein Meisterwerk macht.

Ins Freie, vor die Tore einer holländischen Stadt,
führt uns das Gemälde eines anderen ausgezeichneten
Meisters des Sittenbildes, des humor- und geistvollen
J a n S t e e n. Es ist Feierabend. Ein paar Handwerker
belustigen sich mit dem Kegelspiel, andere sehen auf
dem Rasen lagernd zu. Daneben erblickt man Kinder,
die ihr Wesen treiben, eine Frau, die, mit ihrem Kindchen
auf dem Boden sitzend, von einem alten Hausierer Nüsse
kauft, im Hintergründe Spaziergänger, Reiter, Wanderer,
Bettler. Besonders reizvoll scheint uns hier ein lust-
wandelndes Paar: ein junger Gelehrter, der in die Lek-
türe einer Schrift so vertieft ist, daß er seiner neben ihm
schreitenden Gattin kaum achtet. Solche Einzelheiten sind
mit einem Humor erzählt, der fast an Molieresche Lust-
spielszenen erinnert. Das Schönste aber an dem Gemälde
ist die bei Steen höchst seltene Grundstimmung, die das
dämmrige Licht des Abends vollendet wiedergibt und die
fast verstreut erscheinenden Szenen zu einem einheitlichen
Bilde von größtem Reiz vereinigt. Merkwürdig ist die
fast flächenartige Art der Darstellung, die uns an den
großen Ahnherrn des niederländischen Sittenbildes er-
innert, an jenen Bauernbruegel, dessen köstlichste Werke
auch Besitz unserer Galerie sind.

Von Gerard Terborch, dem großen holländi-
schen Maler des sogenannten höheren Genres, des Sitten-
bildes aus den höheren Ständen, war in der Galerie ein
köstliches kleines Werk, die „Apfelschälerin“, vorhanden.
Hinzugekommen ist ebenso wie das oben erwähnte
Bild Steens aus ungarischem Privatbesitz stammend
ein vorzügliches Beispiel seiner schlichten und vornehmen
Porträtkunst, eines von seinen kleinen Bildnissen in
ganzer Figur: die Gestalt einer älteren Dame mit feinen,
aber nicht schönen Zügen, ganz in Schwarz gekleidet,
mit schwarzer Schnapphaube und schwarzem Gewände,

Antonio Canale, Die Riva degli Schiavoni.

Wien, Gemäldegalerie.

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