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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Novemberheft
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Gemälde des Lucas von Leyden in Amerika
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Hoefner, Friedrich: Corrado Ricci und sein Nachfolger: zum Wechsel in der italienischen Generaldirektion der Altertümer und Schönen Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0123

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allgemein bekannt wurde und die Anbetung der Könige
im Besitz Herrn Ryerson’s in Chicago. Sind diese beiden
Bilder vollkommener in der Ausführung, feiner in der
Farbenzusammenstellung, so ist die Komposition in New-
York bedeutungsvoller für die Entwicklung des Künstlers.
Das Streben nach einer großartigen Raumwirkung, das
auf dem Leidener Werk so Bedeutendes erreichte, beob-
achten wir hier in den ersten Stadien. Zwei tiefe Höhlungen,
die noch etwas künstlich, von großen Dunkelheiten um-
rahmt sind, sind in die Bildfläche gebrochen: wie durch
ein Fenster sieht man unten die Auferstandenen den
Gräbern entsteigen; oben wölbt sich hinter Christus ein
herrlich leuchtender Raum in alle Tiefen, der von Pro-
pheten und Engelscharen weithin erfüllt ist.

Was auf dem Leidener Triptychon auf drei Teile
verteilt wurde, ist hier noch auf einer Tafel zusammen-
gedrängt. (Vermutlich waren Stifter auf den Flügeln dar-
gestellt.) Die Komposition erscheint daher vergleichsweise
überfüllt. Das spätere Werk leidet eher am gegenteiligen
Fehler, an einer allzugroßen Lockerheit des Aufbaues.
Beiden liegt dieselbe Schwäche des Künstlers zu Grunde:
eine Unfähigkeit, sich auf die großen Linien der Kom-
position zu konzentrieren, ln den Einzelheiten liegt daher
wie auch auf dem Leidener Triptychon die größte Schön-

heit. Mehrere Akte sind in Formung und Geste höchst
eindrucksvoll. Besonders fesselt die Gruppe gleich vorn
links, die von einem kunstvoll gestellten und gewandeten
Engel geführt wird Auch die den Gräbern Entsteigenden
sind vielfach ergreifend in der Bewegung. Seltsam
muten die geheimnisvollen Gestalten an, die in Trauer
ganz verhüllt, nach der Seite der Verdammnis
schleichen.

Man mag sich zuerst an mancher verrenkten Be-
wegung, manchem häßlichen Kopf stoßen. Die Propheten
sehen zwar noch nicht so verbittert und vergrämt drein
wie die auf dem Leidener Altarbild, die gestikulieren, als
wollten sie — hier scheint der Künstler selbst ein Wort
mitzureden — aus ihrer Unzufriedenheit mit der Schöpfung
Gott gegenüber kein Hehl machen; aber von himmlischer
Freude oder Seligkeit ist auch bei ihnen nichts zu spüren.
Die Ehrlichkeit des Künstlers, die sich in dieser ausdrucks-
vollen Häßlichkeit dokumentiert, ist gleichwohl nicht seine
schlechtere Seite. Aus den unschönen eckigen Stellungen
seiner Gestalten spricht ein rührendes Bemühen,
Innerlichkeit — die doch im Grunde so gar nicht seine
Sache war — um jeden Preis zu geben, sei es auch auf
Kosten des Natürlichen, sei es selbst durch Verdrehungen
und Grimassen,

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Von unserem Römischen Kunstreferenten

Ilom, 7. November.

||er italienische Ministerrat hat die von dem weit über
' die Grenzen seines Vaterlandes hinaus bekannten
Generaldirektor der Schönen Künste Comm. Corrado Ricci
überreichte Demission angenommen und ihn zum Präsi-
denten des neugegründeten italienischen Institutes für
Archäologie und Kunstgeschichte, welches im Palazzo
Venezia, dem Haus der ehemaligen österreichisch-un-
garischen Botschaft, seinen Sitz haben wird, ernannt.
An die Stelle Riccis tritt Dr. Arduino Colasanti.

Diese Nachricht wird in der deutschen Gelehrten-
und Künstlerwelt großes Interesse erwecken, da ein jeder
aus diesen Kreisen, wenn er zum Rompilger wurde, in
der einen oder anderen Weise mit Corrado Ricci in Be-
rührung kam, die ihm für seinen weiteren römischen
Aufenthalt sicher von großem Nutzen war; denn speziell
den Deutschen, deren wissenschaftliche und künstlerische
Betätigung er vollkommen einzuschätzen wußte, kam er
stets mit größter Zuvorkommenheit entgegen. So war
auch er es, der sich nach dem Kriege persönlich bei dem
Unterrichtsminister dafür einsetzte, daß den der Gelehrten-
oder Künstlerwelt angehörigen Exfeinden wieder der freie
Zutritt zu den Museen, Galerien und Grabungen des
Königreiches gewährt wurde.

Durch 13 Jahre hat Ricci die Leitung der General-
direktion der Schönen Künste innegehabt, die sich unter

ihm erst zu diesem Ansehen emporschwang, welches es
heute in ganz Italien genießt. Unter ihm, der auch als
Gelehrter bedeutenden Ruf genießt, kam fast die ganze
Gesetzgebung zustande, welche den Schutz der nationalen
Kunstdenkmäler bezweckte, vor allem auch jene, welche
besonders den ausländischen Antiquitätenhändlern ein
Dorn im Auge war, weil sie ein strenges Ausfuhrverbot
mit sich brachte. Corrado Ricci hat an der Zentralstelle
in Rom eine Schar treuer Mitarbeiter um sich zu sammeln
gewußt; in den Provinzen standen ihm erprobte Gelehrte
zur Seite, welche die Grabungen und die übrigen Auf-
gaben unter seiner Oberaufsicht ausführten. Überhaupt
herrschte unter seiner Ägide ein pulsierendes Leben in
der Generaldirektion, die das Interesse für Kunstfragen
im Publikum, in der Presse und auch im Parlamente
immer wachzuhalten verstand.

In seiner bisherigen Laufbahn hat er eine große An-
zahl von Aufgaben erfüllt, welche hier nur kurz gestreift
werden sollen. Er hat die Galerien von Parma und Mai-
land neugeordnet, die Neuordnung jener von Florenz
eingeleitet, die Restaurierung der Monumente von Ravenna
durchgeführt; in der Stellung als Generaldirektor sicherte
er dem Staate große Sammlungen. So wurde die Kol-
lektion Barberini dem Museum in der Villa Papa Giulio
zu Rom, die Sammlung Ciglioli und die Sammlung Ragusa
dem Museo Preistorico (Prähistorischem Museum) zu Rom

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