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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Dezemberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Altes Zinn
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0144

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Französische Arabesken Zinnkanne.

(Sammlung W. Clemens, Mönchen).

lautern oder im fürstlich Liechtensteinschen Schlosse
von Eisgrub antreffen; Zinntaufbecken, wie sie für die
gleiche Zeit für Böhmen oder Mähren charakteristisch
sind, gibt es auch anderwärts; ich erinnere hier nur an
den achtseitigen, gravierten Taufbrunnen von 1591') im
Museum von Schwäbisch Hall. — Aber auch die Schweizer
Flaschenform mit dem Deckelring und seitlichem Wappen
(Beding Abb. 93 und 141a) geht ins Mittelalter zurück;
sie läßt sich in der, im Gräflich Königseggschen Schlosse
verwahrten Bilderhandschrift über das Constanzer Conzil
von Ulrich von Richenthal (S. 232) zweifellos nachweisen.

Wenn ich solche kleine Zusätze mache, so geschieht
dies nicht, um unnötige Beckmessereien zu treiben oder
gar den Wert des Berling’schen Buches, das gewiß weitesten
Kreisen als das erste seiner Art sehr willkommen sein
wird, herabzusetzen. Nur über eines habe ich mich ge-
wundert, nämlich Otto von Falkes Arbeit (Amtliche Berichte
der Berliner Museen, Dez. 1910) weder unter den Literatur-
angaben noch im Buche selbst berücksichtigt zu finden,
obwohl doch gerade die Lyoner Gruppe um 1575 als
Vorstufe für die reichsten Briot-Arbeiten hier hätte er-
wähnt werden müssen; gerade die Gegenüberstellung des
Band-Arabesken-Dekors, der mit dem Buchornament des
dritten Viertels des 16. Jahrhunderts zusammenhängt, mit
dem spätem Rollwerk-Groteskendekor, wie die Zusammen-
stellung der Dianaschüssel mit dem Lyoner Holzschnitt
von 1558, hat uns in der kritischen Würdigung der
reichsten Renaissance-Zinnarbeiten ein gut Stück weiter-
gebracht. Allerdings beschränkt Berling von der Renais-
sance an seine Darstellung ausdrücklich auf das deutsche
Sprachgebiet, wodurch auch die uns bereits bekannten

') Auch die böhmischen Taufbecken gehören zum Teile erst
dem ausgehenden 16. Jahrhundert an, wie z. B. das von Briccius
von Zinnperg in Lichtenstein bei Kladrau erst dem Jahre 1596;
Abb. in der böhtn. Topographie. XXX S. 173.

englischen oder norwegischen Forschungen2) unberück-
sichtigt bleiben; vielleicht entschließt er sich aber doch,
derartiges in einer zweiten Auflage wenigstens in großen
Zügen hinzuzufügen.

Berling gliedert den reichen Stoff — so gut es der
geringe Raum eines Handbuches gestattet — einerseits
nach zeitlichen, anderseits nach örtlichen Gesichtspunkten
und behandelt zunächst die einzelnen Stilperioden, dann
die verschiedenen Gruppen in Süddeutschland, in West-
deutschland, in Norddeutschland (Hansastädte), in Sachsen,
Schlesien, Böhmen und Mähren, Tirol und in der Schweiz.
Die wesentlichsten Typen und Schmuckgruppen werden
dabei deutlich herausgehoben und die berühmtesten
Leistungen berücksichtigt. Vom kleinen Wallfahrtszeichen
bis zu den Zinnsärgen, alles wird herangezogen und auch
richtig ästhetisch gewürdigt.

Daß den Särgen in einem Sammlerhandbuch kein
allzubreiter Platz eingeräumt wire, ist begreiflich, denn
Särge sammelt meines Wissens noch niemand; Ab-
bildungen wären genug vorhanden gewesen (z B. Licht-
drucktafel 30 in Pazaurek: Graf Sporck und Kukus), da
die Grüfte noch genug derartige Objekte enthalten; aber
die gravierten Särge in Neuenstadt a. N., wie namentlich
der des württembergischen Herzogs Friedrich Karl (f 1693)
in der Stuttgarter Stiftskirche hätten vielleicht gestreift
werden können, zumal der Letztere die Signatur „J. D.
Daniel sculpsit“ trägt. Auch die Liste der sonstigen Zinn-
graveure hätte sich durch die Namen Matth. Leeblen in
Giengen 1721 (Haussegen im L.-Gew.-Museum in Stuttgart),
Math. Friedr. Aichele (Kruzifix im L.-Gew.-Museum in Stutt-
gart), Matthias Aichinger von Weiden in Regensburg, 1824
(Auktion Nestel 1916 Nr. 152) und andere bereichern lassen.

-) Vgl. Wilfred Joseph Cripps: Old English Plate (London 1899)
oder die Aufsätze in der Zeitschrift Connoisseur 1903 S. 92ff
125 233ff; 1909 S. 177 ff; 1911 S.33ff. etc. - Jahresbericht („Aarbog“)
des Museums von Bergen für 1905: Johan Boegh über norwegische
Zinn-Marken (aus Bergen); überall viele Abbildungen. — Bezüglich
der flandrischen Zinngießermarken (von Gent) sei auf den
Teller Nr. 340 der Auktion Minard (Gent 1883) hingewiesen. —
Schweizer Marken enthält das 61. Verkaufs-Verzeichnis von
Hugo Helbing „Altes Schweizer Zinn“.

Schweizer Zinnflasche von 1712.
(Spätmittelalterlicher Typus der Bodenseegegend).

Stuttgart, Landesgewerbemuseum.

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