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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Dezemberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Altes Zinn
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0145

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Daß Beding das von Demiani geprägte Wort „Edel-
zinn“ nicht liebt, vielmehr darauf aufmerksam macht, daß
es sich bei diesen reichsten Reliefarbeiten durchwegs um
Silber-Surrogate handelt, ist durchaus berechtigt, und man
muß ihm Dank dafür wissen, daß er sich durch die hohe
Marktschätzung den Blick für die ästhetische Würdigung
nicht trüben läßt. Ebenso recht hat er, wenn er die
lackbemalten Zinnobjekte, zu deren interessantesten der
Gustav Adolf-Teller im Nordböhmischen Gewerbemuseum
von Reichenberg (Mitteilungen d. N. B. G. Mus. 1900 S. 37)
oder der Kurfürstenteller der Würzburger Universitäts-
sammlung oder das Barock-Deckelkästchen des Darm-
städter Gewerbemuseums zählten, keineswegs lobt, weil die
kalte Bemalung bei Zinn, so sehr sie namentlich in der
Empirezeit verbreitet war, materialwidrig ist und höchstens
bei kleinem Spielzeug, wie Schachfiguren oder Zinn-
soldaten, die man — z. B. im Anschlüsse an die Aarauer
Zinnsoldaten-Ausstellung des Züricher Kunstgewerbe-
museums von 1916 — auch gerne berücksichtigt gesehen
hätte, statthaft sein könnte. — Auch die Möbel mit Zinn-
einlagen — z. B. im Leipziger Kunstgewerbemuseum oder
im Bayreuther Schloß — werden nur mit einem Worte
gestreift, obwohl man vielleicht gerne etwas darüber er-
fahren hätte; allerdings sehr erfreulich ist ja diese deutsche
Abart der Boulle-Möbel nicht gerade, namentlich wenn
sie technisch nicht einwandfrei gemacht wurde, wie etwa
bei den Hohenlohemöbeln (z. B. dem Wappentisch im
Schlosse von Weikersheim).

Von besonderem Interesse ist jenes Kapitel, in dem
sich Berling mit den Anregungen Peter Flötners auf die
sächsischen Zinngießer beschäftigt. Dies wird einmal zu
einer erschöpfenden, über Konrad Lange weit hinaus-
gehenden Behandlung führen müssen, wofür bisher nur
wenig Detailuntersuchungen (etwa in der Art von E. W.


Wertheimer gravierte Hostienbüchse von 1657.

(Museum in Wertheim).

Spätgotische Breslauer Schleifkanne.

(Kunstgewerbemuseum in Berlin).

Braun über Nürnberger Passionsplaketten des Dürerkreises
auf Zinn in „Kunst und Kunsthandwerk“ 1915“ S. 503)
vorliegen. Vielleicht ist es nicht uninteressant, dabei
daran zu erinnern, daß die Flötnerplaketten auch für kleine
Tonmodel als Vorbi'd dienten1), während dies bei den
in Süddeutschland und in der Schweiz nicht weniger
häufigen, meist allerdings schon dem ausgehenden 16. Jahr-
hundert angehörigen Zinn-Kuchenformen noch nicht nach-
gewiesen worden ist. Gerade solche Kleinzinnarbeiten der
Renaissance werden unsere Aufmerksamkeit in der nächsten
Zeit mehr in Anspruch zu nehmen haben, sowohl die
positiv-convexen, als auch die negativ-concaven, die man
bisher überall links liegen ließ. Auch aus späterer Zeit
wird man guten Zinnmedaillons, wie etwa denen des
Nürnberger J. W. Hilpert2) aus Coburg, z. B. im Heidel-
berger Museum, größere Beachtung schenken müssen. —
Für die chemisch ausgezeichneten Augsburger Arbeiten
der späteren Barockzeit ließe sich auch auf den 10. Brief
der bekannten „Neuesten Reisen“ von Joh. Georg Keyßler
aufmerksam machen, der 1729 den dortigen Meister Obrecht
wegen seines harten, klangreichen, silberartigen Zinns be-
sonders lobt, in dem aber unter einem ganzen Zentner
nicht ein einziges Lot Blei sein dürfe. Ein Pfund davon
koste einen halben Taler, ein ganzes Service hundert
Gulden, — Da es sich hier um ein „Handbuch“, also

’) Vgl. die Caritasplakette im Jahresbericht des Stuttgarter
Landesgewerbemuseums über 1906 S. 22.

2) Vgl. C. F. Gebert in den Mitteilungen des German. National-
museums 1914—15 S. 133ff (mit Abbildungen).

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