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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Dezemberheft
DOI Artikel:
Baum, Julius: Die Wertsteigerung mittelalterlicher Bildwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0162

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die damals hohe Summe von 35 000 Mk. nach Berlin
weiter verkauft. Für die ähnliche Gruppe im Hause
Nazareth in Sigmaringen wird heute angeblich ein Betrag
von etwa 100 000 Mk. geboten.

Aus einer kleinen steirischen Kirche war eine Ver-
kündigungsgruppe des 14. Jahrhunderts aus Kalkstein
verkauft worden. Der Engel gelangte in die Österreichische
Staatssammlung nach Wien, die Maria in eine kleine
österreichische Landessammlung. Dort wurde die unbe-
schreiblich schöne Figur für eine Fälschung gehalten
und dem Vorbesitzer zu dem — sehr niedrigen — An-
kaufspreise zürück gegeben. Damals erfuhr ein
Münchener Bildhauer, dem der Verfasser übrigens diese
Angaben verdankt, von ihr; sie soll bald darauf für
80 000 Mk. in Frankfurter Privatbesitz übergegangen sein.

Das ergreifende Vesperbild des Bonner Museums
(Kat. Roettgen Nr. 117; unsere Abb. 1 zeigt es noch vor
dem Nordportal des Mainzer Domes stehend) verkaufte
Haas in Mainz für einen kleinen Betrag. Auf der Auktion
Roettgen mußte das Bonner Museum schon 11 700 Mk.
zahlen. Für die noch ausdrucksvollere Pieta aus Östrich
(Abb. 2) hatte das Frankfurter Museum 1910 bereits
20 000 Mk. geben müssen. Als Preis für eine eng ver-
wandte, jedoch größere rheinische Pieta, die unlängst
auf der Frankfurter Messe zu sehen war (Abb. 3), wurden
250 000 Mk. oder „der volle Friedenspreis in Gold“ ge-

nannt; das bedeutet vom Standpunkte des Auslandes
betrachtet, nur wenig mehr, als für das Östricher Bildwerk
gezahlt wurde. Dabei handelte es sich nur sogar um
einen Ausnahmefall. Zieht man in Betracht, daß auf der
Örtelversteigerung für die Dangolsheimer Maria, ein Bild-
werk des späten 15. Jahrhunderts, schon 52 000 Mk., für
die kleine ulmische Magdalena der Sammlung Noll 1912
bereits 46 000 Mk. gezahlt wurden, so kann man von einem
allgemeinen neuerlichen Steigen der Plastikpreise über den
Stand von 1914 nicht sprechen. Tatsächlich ist auf dem
Inlandsmarkt die Valuta kaum spürbar. Für eine rheinische
Muttergottes um 1380 z. B. wurden auf der Auktion Noll
(Katalog Nr. 3) 10 000 Mk geboten, für eine ungefähr
gleichwertige Muttergottes der Sammlung Carl (Katalog
Nr. 27) 1919 9600 Mk. Hiergegen ist vom Standpunkte
des innerdeutschen Marktes aus nichts einzuwenden.
Sehr bedenklich wäre es jedoch, wenn in Deutschland
für 10000 Mk. erworbene Kunstwerke für 1000 Franken
über die Grenze wanderten. Das Streben des Kunst-
historikers, dem an der Erhaltung der Kunstwerke im
Inland liegt, wie des Kunsthändlers und Nationalöko-
nomen, denen beiden daran gelegen ist, die Kunstwerke
möglichst teuer zu verkaufen, muß daher auf ein Reichs-
gesetz gerichtet sein, das für in das Ausland wandernde
Kunstwerke eine volle Valutaausgleichung entweder bereits
beim.Verkauf oder spätestens an der Zollgrenze bewirkt.

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