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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Januarheft
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Regling, Kurt: Italienische Renaissancemedaillen: Einführung für Sammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0207

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des erkaltenden Metalles gegenüber seinem Modell bekommt
und das durchschnittlich 1 x/2—2% beträgt, kann schon
zwischen unbezweifelbaren Originalen derselben Medaille
bestehen: man kann nämlich den Begriff Original nicht
auf die Stücke beschränken, die aus dem ersten, über dem
Modell selbst abgeformten Negativ stammen. Vielmehr
haben die Künstler zur Herstellung der Gebrauchsnegative
sich gewiß nicht des empfindlichen Originalmodelles
bedient, sondern eines Erstabgusses in Metall, meist wohl
Blei, sodaß dann die ersten wirklich die Werkstatt ver-
lassenden Exemplare aus einer sekundären Form stammen
und gegenüber dem Erstabguß Schwundmaß haben. Auch
in den zahlreichen Fällen, wo dieselbe Medaille nach
Jahren und Jahrzehnten gleichsam in veränderter Auflage
erscheint, z. B. mit anderer Titulatur, anderer Jahreszahl
oder Altersangabe, ist gewiß nicht das alte Modell, sondern
ein Exemplar der älteren Auflage der Medaille selbst als
neues Modell benutzt worden. So ist das Schwundmaß

Bartholomeo Oendaglia,

ebenso wie die Lochspur nur ein Verdachtsmoment, wie
es außerdem noch Unschärfe und Unsauberkeit des Gusses,
das Aussehen der Kante, Farbe und Patina des Metalles
verglichen mit echten Exemplaren sind. Natürlich wird
das Schwundmaß desto größer, durch je mehr Zwischen-
glieder das vorliegende Exemplar vom Erstguß getrennt
ist. Zur Feststellung des Schwundmaßes genügt übrigens
nicht der Vergleich des äußeren Durchmessers, da . dieser
durch Verbreiterung der Ränder der Form vergrößert
werden kann; vielmehr müssen Innenmaße genommen
werden, z. B. zwischen zwei bestimmten Teilen von Bild
oder Aufschrift, zwei Perlen des Perlkreises und dergl.
— Jene der Zeit des Künstlers oder des Dargestellten
nahestehenden Nachgüsse also, die doch in der alten
Technik, zum gleichen Zwecke und für das gleiche
Publikum wie das Original hergestellt sind, bezeichnet
man als „alte Güsse;‘, und der Sammler kann an ihnen
um so weniger vorübergehen, als die Zahl der Originale
zumal bei Privatmedaillen angesichts ihres beschränkten
Empfängerkreises meist eine sehr kleine gewesen sein

wird. Tatsächlich ist unter dem uns erhaltenen Material,
das die Auktionen durchläuft und in den Sammlungen,
auch den berühmtesten liegt, die Zahl dieser „alten Güsse“
die überwiegende. Natürlich aber wird der Sammler in
dem Preise einen erheblichen Unterschied machen, den
er für Original und alten Guß bewilligt, und in den
hernach zu erwähnenden Preisergebnissen der berühm-
testen Medaillenauktion Lanna, in deren Katalog ich wohl
zum ersten Mal grundsätzlich zwischen Original und altem
Guß geschieden habe, ist das deutlich zum Ausdruck
gekommen; innerhalb des Begriffes „alter Guß“ gibt es
dann noch sehr erhebliche Unterschiede der Güte, je
nachdem wie stark abgeleitet der Guß ist, wie nah oder
wie fern er dem Original ist.

Als Falsa betrachten muß man dagegen die später
zu S a m m e 1 zwecken hergestellten Stücke. Schon im
17. Jahrhundert gab es in Frankreich berufsmäßige mouleurs
de m£dailles, wohl meist französischer, deren einer seine

Medaille von Sperandio

Nachgüsse mitJG oderGJ gepunzt hat; im 18. Jahrhundert
goß in Florenz ein Lorenz Weber die alten Italiener
ziemlich unscharf nach, im 19. arbeitete in Paris der
Gießer Liard, dessen vorzügliche, nach guten Originalen
abgeformte Güsse sich dem Kenner oft nur durch ihre
schokoladene Farbe verraten. Für deutsche Medaillen
kommen außer den ungefährlichen Blei- und Zinnkopien,
die für die Sammler des 18. Jahrhunders z. B. von einem
gewissen Hertel hergestellt wurden, namentlich die sehr
scharfen Nachgüsse von Röckl, meist aus einer Blei-
legierung, in Betracht. Der hohe Preis guter Renaissance-
medaillen reizt gußgewandte Leute immer wieder zu neuen,
neuerdings besonders gefährlichen Nachgüssen. — Alte
Nachgüsse geprägter Medaillen begegnen auf italienischem
Gebiete selten, meist sind es Falsa; auf dem Gebiete der
deutschen sogenannten Miszellanmedaille des 16. Jahr-
hunderts z. T. Joachimstaler Herkunft sind sie dagegen
sehr häufig, oft mit leichten Veränderungen der Darstellung,
neuer Jahreszahl usw. Getährlich und oft garnicht als
solche erkennbar sind Neuabschläge aus den alten Stempeln,

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