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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Januarheft
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Jakstein, Werner: Die Kunst der Spielkarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0209

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Die Kun(l det’ Spielkarten

oon

lÜetmet? lakffeln

Uber die Spielkarten und über die Kartenspiele ist
viel geschrieben worden. Eine große Literatur be-
steht darüber, über die wiederum ein Katalog, ein eng-
lischer, verfaßt worden ist. Die Abhandlungen und
Werke über die Spielkarten befassen sich aber alle nur
mit der Spieltechnik und mit der Geschichte der Spiel-
karten und mit letzterer fast nur zu dem einzigen
Zweck, den Ursprung
der Spielkarten zu er-
gründen. Was übrigens
restlos nie geglückt ist.

Über die Kunst der
Spielkarten sind nur Ab-
handlungen über einzelne
graphisch besonders wert-
volle Stücke und einige un-
bedeutende Gelegenheits-
äußerungen erschienen.

Es ist somit wohl er-
klärlich, daß die Öffent-
lichkeit über dieses kunst-
geschichtliche Sonderge-
biet völlig im Unklaren
lebt und daß die heutige
Massenherstellung von
schlechten Spielkarten so
widerstandslos geduldet
wird, wenn auch hier
und da einmal ein Kunst-
gelehrter sich dagegen
auflehnt.

Bis auf wenige Aus-
nahmezeiten ist die Kunst
der Spielkarte ein Stief-
kind der Graphik ge-
wesen. Will jemand ge-
legentlich einmal das
gewonnene Interesse an
den Karten nicht wieder
verlieren, dann darf er
sich nicht gleichzeitig
mit derjenigen Graphik
befassen, die lediglich
um der Kunst, nicht um
Gebrauchszwecke willen
gleichzeitig geschaffen wurde. Die Kontraste sind zu
groß. Wer aber das Wesen der Spielkarten richtig er-
kannt hat und nur um ihrer selbst willen sich mit ihnen
beschäftigt, der läßt sich bald nicht mehr von anderen
Dingen und Gesichtspunkten beeinflussen.

Das ist aber leider bei den wenigsten der Fall, von
den wenigen, die hier überhaupt in Frage kommen. Zu
diesen wenigen rechne ich z. B. D’Allemagne, die Lady
Schreiber, Merlin u. a. Ihnen ist die geringste, d. h.

künstlerisch wertloseste Spielkarte von ebenso hohem
Wert, als die kostbarste, wenn sie nur das ihrige zur
Geschichte dieser Kunst und zum Verständnis des Wesens
der Karte beiträgt! Wie anders dagegen das Verhalten
unserer Kupferstichkabinette, die nur kostbare Unika,
Meister wie E. S., den Meister der Spielkarten, die Be-
hams, Virgil Solis und andere sammeln und die un-
geheure, durch die
Jahrhunderte hindurch
das Menschengeschlecht
in Freud und Leid
begleitende Kartenfolge
gar nicht beachten! Ein
Gegenbeispiel sei erlaubt:
Vor kuzem wurde mir
für wenige Groschen ein
gänzlich unbedeutendes
Spiel des Verfalls der
50 er Jahre des vorigen
Jahrhunderts gebracht.
Auf dem Careau-König
las ich die Worte: 1. Kroy-
mann in Itzehoe.“ In
Verbindung mit anderen
Nachrichten hatte ich hier
den handgreiflichen Be-
weis, daß und in welcher
Art damals in fast allen
kleinen Städten Schles-
wig-Holstein Spielkarten-
fabriken bestanden hatten.
Außerdem ist diese wert-
lose Karte von den vielen
Tausenden, die vor ca.
70 Jahren noch hier oben
im Lande gedruckt wur-
den, vielleicht das ein-
zige noch existierende
Exemplar. Die Museen
besitzen jedenfalls nichts
ähnliches. Schießlich
steht auch diese degene-
rierte und durch Ab-

klatsch entstandene Karte
künstlerisch weit höher

)

als alles, was uns heute neu angeboten wird. Ein

wahrhaft klassischer Ernst liegt in den Gesichts-
zügen der Figuren, wenn wir die albernen Gesichter
der modernen Karten dagegen halten. Dieser Typ

hat gerade durch seine Verknöcherung außerdem
jenes nicht ursprüngliche künstlerische Moment in
deutscher Auffassung bewahrt, das die französische
Karte des 17. und 18. Jahrhunderts geschaffen hat: das
mystisch Wesenlose der Figuren, das uns als

Aus der Spielkarten-Sammlung Jakstein
Reihe 1. No. 2—3 Karten des Virgil Solis <1514—1552)

„ 2. „ 1 Tarrvechiner Karte des Mitelli, gezeichnet für die Familie

Bentivoglio um 1700

„ 3. „ 3 Phantasiekarte gez. J. K. um 1851

„ 4. „ lu.3 Karten des Verlages Cotta-Tübingen 1806

reproduziert nach A. Donaths „Psychologie des Kunstsammelns“. 3. Aufl.
(Verlag Richard Carl Schmidt & Co., Berlin)

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