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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
2. Januarheft
DOI Artikel:
Aus der Museums- und Sammlerwelt / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Die Kunstschätze New-Yorks / Schweizerische Kunstchronik / Aus dem Pariser Kunstleben / Staat und Kunstpflege / Künstlerische Zigarrenkisten / Ein Wettbewerbsdienst / Zur Entwickelung des Profanbaues im Mittelalter / Quellen und Anfänge der griechischen Malerei / Neuerscheinungen des Büchermarktes / Goyas Ruheort / Kleine Kunstnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0219

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den Auftrag, eine Wand mit einem Fresko zu schützen. Sein
fürstliches Honorar entgeht dem Steuerfiskus, der doch nicht gut
behaupten kann, daß hier eine Ware erzeugt sei. Der Besteller
eines Porträts kauft sich für 20 Mark eine Leinewand, die dem
Fiskus 20 oder 30 Pf. Umsatzsteuer bringt. Der Künstler malt
dem Besitzer der Leinwand für 10 000 Mark ein Porträt darauf.
Er zahlt keine Umsatzsteuer, da er keine Ware erzeugt hat; hätte
er selbst die Leinwand gekauft, so müßte er 100 bis 150 Mark
Umsatzsteuer zahlen. Die allerdings wenig zahlreichen Künstler,
die das Glück haben, an Kunsthändler zu verkaufen, brauchen
sich nur von diesen die Leinwand und ein paar Tuben Farbe
liefern zu lassen, sie sind dann, wie seinerzeit Friedrich Naumann
sagte, Heimarbeiter, sie erzeugen selber keine Ware, sondern
veredeln nur die ihnen gelieferte und entgehen der Umsatzsteuer.
Der Illustrator, der dem Verleger das Original überläßt, zahlt
Steuer, läßt er sich das Original zurückgeben, so zahlt er für
das überlassene Urheberrecht nichts, obwohl der Erlös in beiden
Fällen meist der gleiche sein wird. Zahllose Fälle der Praxis
müssen die ganze Auffassung des Steuergeheimrats ad absurdum
führen, man denke an Bildhauer und Architekten, die unmöglich
ihr Künstlerhonorar mit dem Materialumsatz zusammenwerfen
und versteuern können. Es muß dem Gesetzgeber klar gemacht
werden, daß die Leistungen aller Angehörigen freier Berufe gleichen
Grundcharakter haben. Daß mit gewissen künstlerischen Leistungen
Handel getrieben wird, ändert an dem Grundcharakter nichts.
Die Leistung des Sängers ist an sich keine steuerlich faßbare
Ware, sie kann es auch nicht werden, wenn die von ihm besungene
Grammophonplatte eine Ware darstellt. Ebenso wenig ist die
Leistung des Malers oder Bildhauers eine Ware, auch wenn die
von ihnen bearbeitete Leinwand und Bronze in den Handel kommt
Der Händler mag die Umsatzsteuer tragen, der Künstler ist weder
Händler noch Unternehmer.

Künstlerische Bigat’t’enkisten.

Aus Leipzig wird uns geschrieben: Das Städtische Kunst-
gewerbemuseum schreibt einen Wettbewerb für Ent-
würfe zu Packungen für Zigarrenkisten aus. Be-
sonderer Wert wird auf ein leicht faßliches Motiv gelegt, das sich
auch beim flüchtigen Hinsehen schnell einprägt. Die Entwürfe
sollen in flächiger Darstellung, schwarzweiß oder mehrfarbig, im
Format 9:16 cm oder 9:9 cm oder entsprechenden Größen aus-
geführt werden. Es sind folgende Preise ausgesetzt: ein erster
Preis Mk. 1000.—, zwei zweite Preise je Mk. 750.— und drei dritte
Preise je 300.—. Eine größere Anzahl Arbeiten werden zum An-
kauf vorgesehen. Preisrichter sind Prof. Dr. Richard Graul,
Direktor des Kunstgewerbemuseums, Prof. Walter T i e m a n n ,
Lehrer an der Akademie, die Kunstmaler Erich Grüner und
Wil Howard, sämtlich in Leipzig. Eine Ausstellung der
Arbeiten im Leipziger Kunstgewerbemuseum ist geplant.

6m U3ettbeu)ei’bsdten{L

Der Verein der Plakatfreunde E. V- hat für seine
Mitglieder einen Wettbewerbsdienst eingeführt, durch den die
Teilnehmer kostenlos von jedem Wettbewerb auf dem Gebiete
der angewandten Graphik sofort brieflich benachrichtigt werden.
Anmeldungen sind an die Geschäftsstelle Charlottenburg 2, Kant-
straße 158 zu richten. Bei der jetzigen Hochflut von Wettbewerben
und ihrer häufig sehr mangelhaften Bekanntmachung ist diese
Einrichtung im Interesse der Künstler, die von vielen Wettbewerben
niemals Kenntnis erhalten, aufs Wärmste zu begrüßen.

But’ 6nturickelung des Pt’ofanbaues
tm jvftttelaltec.

Wie die neuen Forschungen ergeben haben, ist der städ-
tische Wohnhausbau im wesentlichen auf das Bauernhaus
zurückzuführen. Die ersten Städter waren ja Ackerbürger, die
allerdings ihre Wohnstätte den neuen Verhältnissen anpaßten,
Sehr früh kommen in den deutschen Städten sog. Wohntürme vor.

wie sie noch zahlreich in manchen Städten, wie Nürnberg,
Regensburg usw. vorhanden sind. Nun läßt sich freilich die Ent-
wicklung des Wohnhausbaues aus dem Bauernhaus infofern schwer
verfolgen, als von letzterem nur wenig aus alten Zeiten erhalten
ist, ja kaum findet sich ein nobles Haus, das über das 17. Jahr-
hundert hinaus nachweisbar wäre, ln dieser Hinsicht ist man
also auf die Literatur angewiesen, und auch diese ist sehr spärlich.

Für die Entwicklung des städtischen Wohnhauses sind neben
den Bauernhaustypen, von denen man in Deutschland zwischen
den sächsischen, fränkischen, friesischen, thüringischen, aleman-
nischen, steierischen und oberbayrischen unterschied, die ersteren
beiden von besonderer Bedeutung. Und es ist bemerkenswert,
daß es gerade das Bauernhaus derjenigen Stämme ist, die auch
für die geschichtliche Entwicklung Deutschlands so außerordent-
lich bedeutsam gewesen sind.

Bei dem sächsischen Bauernhaus gruppieren sich um einen
T-förmigen Raum die übrigen Räume unter einem großen Dache.
Auf der einen Seite der Diele, die des vorderen Teils des T-förmigen
Raumes, liegen die Kuh- und Schweineställe mit einer Mädchen-
kammer, auf der gegenüberliegenden Seite die Pferdeställe und
Knechtekammer. An der Rückwand des hinteren Querraumes
steht der Herd, und hinter der Herdmauer liegt die Stube und
eine oder mehrere Kammern. Im Aufriß zerfällt das Haus in zwei
Teile: unteres Geschoß mit Diele und der hohen Dachstube.

Bei dem fränkischen Bauernhaus dagegen liegt nicht alles
unter einem Dache. Hier besteht das Anwesen aus einem offenen
Hofe, an dem die verschiedenen Gebäude mit ihren verschiedenen
Zweckbestimmungen liegen: so liegen auf der einen Seite Wohn-
haus, gegenüber Scheune und Vorratshaus, zwischen beiden der
Viehstall. Das Wohnhaus zerfällt hier in drei Teile. Der Eingang
liegt, im Gegensatz zum sächsischen Haus, an der Längsseite und
führt vom Hofe aus in den mittleren Teil des Hauses (Flur), der
im weiteren Verlaufe der Entwicklung in einen vorderen Flur mit
Treppe, die ins erste Stockwerk führte, und in einen hinteren
Teil mit Küche zerfiel. Auf der einen Seite des Flurs lagen Vor-
ratskammern, ev. auch ein Stall, der alsdann von dem übrigen
Hause durch eine Wand getrennt war, auf der andern Seite lag
die Stube nebst Kammer. In dieser Anlage der Stube zeigt sich
ein äußerst charakteristischer Unterschied in der Veranlagung des
Oberdeutschen im Gegensatz zum Niederdeutschen. Der Sachse
tat alles unter einem Dache, seine Wohnstätte liegt fern vom
Eingang und sein Haus hat kein weiteres Stockwerk, der Franke
dagegen verlegt seine Wohnstätte nach vorn und setzte Geschosse
auf. Darin prägt sich auch der Volkscharakter vorzüglich aus:
der Sachse will nur sein Anwesen beherrschen und waltet in der
Tiefe seines Hauses, der Franke dagegen will die Nachbarschaft
sehen und kümmert sich mehr um die Außenwelt.

Bei der „Verlegung“ des Bauernhauses nach der Stadt mußte
es natürlich noch mancherlei Veränderung durchmachen. Bald
macht sich am sächsischen Bauernhaus der Stockwerkbau
bemerkbar, d. h. zunächst findet man über den Ställen zu beiden
Seiten der Diele niedrige Kammern, so daß das Dach nunmehr
mit den Dachbalken der Diele abschneidet, dann wurden die
Kammern höher. Die Diele wird allmählich bei dem Handwerker
zur Werkstatt, bei dem Kaufmann zum Verkaufsraum, bei dem

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