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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Februarheft
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Rosen, Georg von; Leinburg, Mathilde von [Übers.]: Künstlererinnerungen an Carl Plagemann, [1]: (Autorisierte Übersetzung aus dem Schwedischen von Mathilde Freiin v. Leinburg)
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0234

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Künfftet’et’tnnct’ungen an Cavl ptagemann

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(Aufotüfterto Überfettung aus dem Sct)medifct)en oon Mathilde pceün o. Leinburg)

A ls meine geliebten Eltern sich entschieden hatten,
meiner unbezwinglichen Lust und meiner immer
mehr hervortretenden Anlage zur bildenden Kunst nach-
zugeben, und, abweichend von unserer so gut wie aus-
schließlichen militärischen Familientradition, mir zu er-
lauben, die dornenbewachsene Laufbahn eines Malers
einzuschlagen, da war ihr erster Gedanke, mich daraufhin
durch eine hierfür erforderliche, möglichst sorgfältige Er-
ziehung vorzubereiten.

Infolgedessen wurde ich 1857 als Schüler in die
„Principsschule“ der Akademie für die Freien Künste,
wo die Hofmaler von Heideken, Wallgren,
Palm und R i n g d a h 1 regierten, eingeschrieben, und
als ich, das Jahr darauf, als wirklicher Akademieeleve
aufgenommen wurde und als solcher mein staatliches
Diplom bekam, etwas, worüber ich mich, selbstverständ-
lich, nicht wenig stolz fühlte, fand es mein Vater für
angebracht, mich bei irgend einem hervorragenden
Künstler in die ersten Grundlagen der Malerei einführen
zu lassen, damit, wenn ich später in die Malschule der
Akademie einträte, ich für die dort betriebenen Studien
schon vorbereitet sein sollte. — Zu diesem Zwecke
wandte er sich, wahrscheinlich im Einverständnis mit
dem damaligen Akademiedirektor, Professor Qvarn-
ström, an den erst kurz aus dem Ausland zurück-
gekommenen Historienmaler Plagemann, der als
Zeichenlehrer an der Kriegsschule zu Karlberg angestellt
war und sich annonziert hatte, auch Privatschüler anzu-
nehmen.

Carl Gustaf Plagemann war ein gründlich,
auch humanistisch gebildeter Künstler, der während eines
vieljährigen Aufenthalts in Italien und eines unablässigen
Studiums der Maler der Renaissance sich eine so ein-
gehende Kenntnis des ganzen Wesens, der Anschauungs-
weise und des Verfahrens dieser alten Meister angeeignet
hatte, daß ihn das sogar zu Irrfahrten auf dem aben-
teuerlichen Gebiete des Plagiats verleiten konnte. Sein
wertvollster Gewinn des Umgangs mit dem großen Alten
war nichtsdestoweniger eine besonders sichere und feste
Zeichnung, wohingegen die Farbe bei ihm bisweilen ein
wenig grell, etwas spröde und schlicht in der Behandlung
ist. Die meisten seiner Arbeiten sind wohl in verschiedenen
Ländern verstreut, aber einige vortreffliche Äußerungen
seiner Künstlerschaft besitzen wir doch auch in Schweden,
so z. B. in seinem relativ großen Gemälde in der Samm-
lung der Akademie „Judas wirft das Blutgeld vor den
Rat“ und in dem kleinen stimmungsvollen, intim studierten
Gemälde im Nationalmuseum „Klosterpartie im Mond-
schein von Subiaco“.

All dessen war ich jedoch unkundig an dem schönen
Frühlingsmorgen, als ich in Gesellschaft eines nagelneuen
Farbenkastens und einer aufgespannten Leinwand vor der

Türe der Wohnung im Hause Nr, 19 der damaligen
Waisenhausgartenstraße — der heutigen Tunnelstraße
stand, mit der Aussicht auf den schönen Park des Garten-
vereins, der in unseren Tagen, wie so viele andere private
Gärten in der Hauptstadt, leider dem Steinkoloß eines
mehr praktischen als naturliebenden Bauherrn weichen
mußte.

Also, ich läutete an — sicherlich mit Herzklopfen —,
die Tür wurde geöffnet und ich stand vor dem Gefürchteten:
ein freundlich lächelnder, stattlicher, schwarzbärtiger Mann,
der mich willkommen hieß und mich an der Hand ins
Atelier führte.

Kaum waren wir darin, als eine Seitentür aufflog,
und heraus rollte etwas, das sich dem Blicke als größerer
Wollbüschel darbot, sich aber bei näherem Hinsehen als
ein zwerghafter weißzottiger Bologneserhund erwies, der,
pflichtschuldigst bellend, auf den unbekannten Eindringling
losfuhr, jedoch mit gleichzeitigem Schweifwedeln, um da-
durch dem etwa möglichen Eindruck feindlicher Absichten
entgegenzuwirken. Dicht hinter ihm folgte eine kleine
schlanke junge Dame, südländischen Aussehens, die laut-
lachend in die Hände klatschte und den Bologneser an
sich lockte. Es war Plagemanns schöne Gattin, Frau
Maria, der ich regelrecht vorgestellt wurde, — ebenso
dem Wollbüschel, das endlich auf den Namen Buonito
folgte.

Diese wohlbedachte kleine Inszenesetzung benahm
dem Fünfzehnjährigen die Steifheit eines ersten Besuchs
und machte mich gleich von Anfang an heimisch in dieser
Wohnung, deren freundliche Besitzer mir von nun an
alle mögliche Artigkeit und alles mögliche Wohlwollen
erwiesen. Frau Maria nannte mich sofort Giorgio —
später sogar Giorgino, ja selbst Buonito witterte in
mir einen frühen Tierfreund und äußerte seine Erkennt-
lichkeit dafür dadurch, daß er mir, als ich mich gesetzt
hatte, aufs Knie sprang und sich rund zusammenrollte.

Aber „das Leben ist kurz“, erinnerte der Meister,
und deshalb schritten wir rasch ans Werk. Ich wurde
vor eine Staffelei plaziert und beauftragt, auf meiner mit-
gebrachten Leinwand, ohne weiteres, Plagemanns kürzlich
vollendetes Gemälde „Zwei Bacchanten zwingen einem
jungen Faun Wein auf“ zu kopieren. Das war für jemanden,
der nie einen Pinsel in der Hand gehalten hatte, gewiß
ein verblüffendes Unternehmen, und viel später sah ich
ein, daß Plagemann damals einen großen Mangel an
Erfahrung als Lehrer verriet, zum mindesten in der Malerei.
Diese Kopie wurde auch eine wahrhafte Penelopearbeit,
da ich mich nicht erinnern kann, während all dieser
Wochen, die ich im Atelier zubrachte, je mit etwas anderem
beschäftigt gewesen zu sein, und es erforderte sicherlich
all meine Hingebung und Ausdauer, daß sie mich in-
zwischen nicht so vollständig verdroß, daß ich dadurch

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