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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Februarheft
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Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Flensburger Kunstbrief / Die Ausfuhr von Kunstwerken ins besetzte Gebiet / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Schweizerische Kunstchronik / Der Sammlermarkt in Schweden / Vom römischen Kunsthandel / Französische Kunst in Kopenhagen / Neues von den Londoner Galerien / Aus dem Pariser Kunstleben / Die Schönheitswerte der Postmarken / Der Kampf um das Staatliche Bauhaus in Weimar / Aus der Kunstschriftstellerwelt / Künstlertod / Neuerscheinungen des Büchermarktes / Neues vom Kunstantiquariat / Kleine Kunstnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0239

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zu steigern vermögen und alles, das Letzte, herausholen, wohin
den Künstler nur Schauen und Erfindung zusammen führen. Ich
muß es mir versagen, die einzelnen Bilder Oertels zu beschreiben.
Doch dünckt es mich zu genügen, wenn ich beispielsweise auf
die Gruppe seiner Hafenbilder hinweise, an denen der Beschauer
beinahe eine Entwicklung der Schiffahrt hinsichtlich den an sie
gestellten Anforderungen verfolgt, deren Endzweck aber immer
das Malerische ist und die — gleichfalls im Malerischen wie im
Maritimen — ihren höchsten künstlerischen Ausdruck in den in
die See hinausjagenden Segelschiffen besitzt. Der beständige
Wechsel des landschaftlichen Moments wird dabei keineswegs
als Erweiterung des bildmäßigen Ausschnitts, sondern als das,
was er wirklich ist, empfunden, als Umrahmung im reinsten Stil.
Fürs ausgesprochen Landschaftliche bei Oertel sind besonders
zwei Baumstudien bezeichnend Ich kann diese Bilder, die ganz
Naturseele und Stimmung sind, nicht beschreiben. Wohl aber
könnte ich sie, wäre hier der Platz dafür, dichterisch auswerten.
Und so will ich mich damit begnügen, zum Schluß auch der
Porträtkunst Oertels warm das Wort zu sprechen.

A. M a d e r n o.

jYtüncben.

Der Kunstverein ehrt das Andenken an Louis G u r 1 i 11
durch Veranstaltung einer Ausstellung von Landschaften des im
Jahre 1897 verstorbenen Meisters.

*

Zum Vorsitzenden des Künstlerbundes der Bild-
hauer Bayerns ist Hans Hemmerdorfer gewählt worden,
zum zweiten Vorsitzenden Karl Killer.

*

„Die Juryfreien“ stellen ostafrikanische Motive des
Malers M. von Pechmann, sowie Bilder der Malerin
L. G e b s e r aus.

Stuttgart.

Eine neue Ausstellung im Landesgewerbemuseum gibt zum
ersten Male Gelegenheit, dis Werk des bekannten in Berlin
schaffenden Deutschamerikaners Paul Scheurich im Zusammen-
hang kennen zu lernen; mit Plakaten und sonstigen Arbeiten des
Künstlers aus dem Gebiete der Gebrauchsgraphik sind die von
ihm erdachten Porzellane vereinigt, die die Berliner Manufaktur
und die Schwarzburger Werkstätten ausführten. — Auf Wunsch
der Möbelfabrik Erwin Behr in Wendlingen veranstaltet das
Landesgewerbemuseum ein allgemeines Preisausschreiben
zur Erlangung neuer Entwürfe für Schlaf-, Herren-, Speise- und
Empfangszimmer mittlerer Preislage. Insgesamt stehen M. 9000.—
zur Verfügung, die sich auf 4 Preise zu 10C0 M., 4 zu 750 M. und
und 4 zu 500 M. verteilen. Einlieferungsschluß 15. April 1920.

Dr. J.

flensbut’get’ Rundbrief.

Aus Flensburg schreibt uns ein Mitarbeiter: Die Öffnung
des vorläufig neutralisierten Abstimmungsgebietes nach Norden
hat eine Flut von dänischen Aufkäufern zu Schiff, per Bahn und
im Automobil nach Nordschleswig geführt. Sie nutzen die ihnen
günstige Valuta, die sie so billig leben und kaufen läßt, wie sie
in ihrer Heimat nirgend könnten. Wer Flensburg kennt, der
weiß, daß es hier zwar Sammler in großer Zahl gibl, daß jedes
vornehme Bürgerhaus seinen kleinen ererbten und durch Zukäufe
vermehrten Hausmuseumsbesitz hat, daß der alte Kulturboden
mit seinem eigenwüchsigen friesischen und niedersächsischen,
bäuerlichen und meisterlichen Kunstgewerbe jedem, der ihn liebt,
ein reiches Betätigungsfeld gewährt, aber der weiß auch, daß
Flensburg trotz dieser guten Vorbedingungen und trotz des
großen Reisendenverkehrs seines Hafens merkwürdigerweise
keinen einzigen zielbewußten Antiquitätenhändler hat.

Der Handel liegt hier noch in ganz altväterlicher Weise bei
einer kleinen Gilde, die scheinbar wahllos alles umsetzt, was die
Gelegenheit ihr bringt, einen wohlerhaltenen Gehrock neben einem

ausgedienten Schiffskompaß und neben beiden in einem wacke-
ligen Küchenspind zwischendurch, wenn es das Glück will, ein
Stück, bei dem das Herz des verwöhntesten Kenners hochgeht.
Über die Vor- und Nachteile zu reden, die dieser „Urzustand“
dem Sammler gewährt, hieße eine Kulturgeschichte des Antiqui-
tätenhandes schreiben. Der bekannteste unter diesen Althändlern
ist ein Original, den in seiner Höhle zu besuchen ein Erlebnis
ist. Man kommt durch einen dunklen Torweg, klettert über eine
verwitterte Holzstiege, und sieht im Halbdunkel einen weiß-
bärtigen Zyklopen in einem langen Bratenrock, mit einer noch
längeren wolkenspeienden Tabakspfeife, in riesigen aus Stroh
geflochtenen Pantinen daherschlurfen. Auf jede Frage: „haben
Sie?“ winkt er gleichmütig ab: „suchen Sie!“ Allmählich gewöhnt
sich das Auge an das Halbdunkel des riesigen Speicherraumes
und man wird gewahr, hier hat man — ganz abgesehen von den
tausend Dingen, die sich in den Ecken türmen, die auf Schritt
und Tritt wie Gebirge und Engpässe überwunden werden müssen,
die sich auf Möbeln stapeln und von Decke und Wänden hängen —
hier hat man im ganzen ein Stück Welt vor sich, das sonst
lange untergegangen ist: Den echten Hintergrund eines der
Altertümlerromane von Dickens oder Walter Scott, so unverfälscht
und großartig, wie ihn keines Theatermalers Pinsel auf die
Kulisse zaubern könnte. Und nun muß man sich diese Bühne
mit einem halben Dutzend eleganter hübscher Däninnen mit
farbigen Automobilschleiern um die Blondköpfchen belebt denken,
die begleitet von einigen gemächlichen Herren in sehr wohl-
habenden Pelzkragen quecksilberig durch den ehrwürdigen Staub
und Moder plaudern, kichern, trippeln und wühlen und sehr er-
schreckt aufquitschen, wenn irgendwo einer der babylonischen
Büchertürme einstürzt und es Scherben gibt. Der bärtige Zyklop
bleibt bei solchen Unfällen sehr gelassen. Er weiß schon, das
gehört zum Geschäft, und er weiß auch, die Scherben, die es
hier gibt, um die ist es nicht schade. Einst hat ihm ein wohl-
meinender Kunde geraten: Was könnten Sie für ein anständiges
Lager haben, wenn Sie den ganzen Schund hinauswürfen und die
guten Sachen ordentlich aufstellten! — Aber er fand keinen
Dank: „So? Lehren Sie mich, wie ich mein Geschäft mache.
Die Kunden, die zu mir kommen, wollen keine Ordnung, sondern
wollen selbst was entdecken. Irgendwo unter einem Stapel von
Schund, wo der dumme Verkäufer den Schatz, den er verkaufen
soll, selber nicht erkennt.“

Nun, jeder macht es auf seine Art. Die Dänen, die ich be-
obachtet habe, waren jedenfalls sehr glücklich in ihrer Entdecker-
rolle. Sie kauften fleißig und vielseitig . . . Ungeheuer beliebt
sind bei ihnen alte Schiffsbilder, wie sie vormals die „ölen
Kaptains“ zuweilen in der Winterruh mit schwerer Hand selbst
malten. Sie stellen Flensburger Segler dar, tragen daher deutsche
Unterschriften, fuhren aber zu ihrer Zeit unter dänischer Hoheit
mit dem Danebrog. So ist die politische Aktualität hergestellt,
die gewöhnlich bei den großen geruhigen Zeiträumen, in denen
der wahre Sammler denkt, auf die Dauer einen schlechten Wert-
messer darstellt, aber für den Augenblick hübsche und sogar er-
staunliche Preise rechtfertigt.

Ernstere Gedanken werden beim Durchschreiten des schönen
Museums wach, welches die Direktorendynastie der Sauermann
den Flensburgern nicht nur, sondern ganz Schleswig geschaffen
hat. Dieses Museum, wo als besondere Köstlichkeiten die ein-
heimischen Erzeugnisse der bäuerlichen Gobelinwirkerei, die
Spitzen, in denen die meerumschlungene Halbinsel einst mit
Brabant in Wettbewerb treten durfte, und die Überreste der
ehedem hier ebenfalls ausgeübten echten Smyrnateppichknüpferei
aufbewahrt werden. Viele der besten Stücke in der prähistorischen
und mittelalterlichen Abteilung des Museums stammen aus
Gegenden, die jetzt durch die Abstimmungsgeometrie zu Däne-
mark kommen werden und in dänischen Zeitungen ist bereits
der chauvinistische Plan aufgetaucht, die „Auslieferung“ dieser
Stücke zu verlangen. Eine Sorge, die sich auch auf das „schles-
wig-holsteinische Provinzialmuseum vaterländischer Altertümer“
in Kiel erstreckt, welches z. B. das berühmte Nydammer Wickinger-
schiff enthält. Wir wollen hoffen, daß die Dänen, die doch nach
der Abstimmung, die zur Verständigung, nicht zur Entfremdung

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