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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Aprilheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Württembergische Glas- und Edelsteinschneider, [2]: eine Untersuchung
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0296

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Abb. 5a: Deckelpokal mit dem Monogramm und Wappen des
Herzogs Carl Eugen (1737—1793).

Halle a. S. — Stadt. Museum für Kunst und Kunstgewerbe.

in Württemberg sehr stark vorherrscht, während die eben-
falls archivalisch festgelegten Beziehungen zu dem weiter-
gelegenen Böhmen wenigstens in den Erzeugnissen des
18. Jahrhunderts so gut wie garnicht spürbar sind. —
Auf einem Deckelpokal des Stuttgarter Landes-Gewerbe-
museums (Inv.-Nr. 12,362) mit sechsseitig pseudofacet-
tiertem Schaft, den man nach unseren früheren Kennt-
nissen auch am liebsten nach Thüringen lokalisiert hätte,
zeigt der Schnitt neben einer Barock-Rundkartusche mit
einer Jagddarstellung rückwärts auch einen Obelisken,
wie auf dem bezeichneten Heß-Becher von 1732, nur mit
Lorbeer (statt Weinlaub) umwunden; aber diese Überein-
stimmung kann noch nicht allein ausreichen, um auch
diesen Pokal dem Glasschneider Hess mit unbedingter
Sicherheit zuzuteilen; württembergisch ist aber dieses,
aus Alt-Stuttgarter Privatbesitz erworbene Stück sicherlich.
Auch zahlreiche andere, meist ganz ungeschliffene, etwas
schwerfällig geschnittene Pokale und sonstige Gläser aus
der ersten Hälfte und Mitte des 18. Jahrhunderts, werden
wir nicht mehr als thüringisch ansprechen, sondern in
ihnen schon wegen der württembergischen
Wappen Erzeugnisse der obengenannten Glasschneider,
namentlich aus Stuttgart zu erblicken haben. So trägt
ein etwas derbes Stengelglas (mit einer Luftblase im
Stengel) der Stuttgarter Altertümersammlung (Abb. 3 links)

nebst dem Herzogswappen auch die gekrönten Initialen
E. L. des Herzogs Eberhard Ludwig (f 1733), wogegen
zwei Konfektschälchen mit Laub- und Bandelwerk in der
ehemals königlichen Porzellankammer des Stuttgarter
Alten Schlosses die Alliancewappen Württemberg und
Thurn und Taxis zeigen, somit auf Herzogin Marie
Augusta17), die Gemahlin Karl Alexanders (1733—37), zu-
rückgehen, deren Ehe in das Jahr 1727, deren Tod in
das Jahr 1756 fällt, zwischen diesen beiden Jahren sind
also diese beiden geschliffenen Schälchen gefertigt
worden. Derber ist der nur im Schaft und Knauf ge-
schliffene Deckelpokal der Stuttgarter Altertümersammlung,
der neben französischen Inschriften auf das Haus Württem-
berg dessen Wappen und die Initialen des Herzogs Carl
Eugen (1737—93) zeigt. — Facettiert geschliffen dagegen
ist der große Glaspokal des Kunstgewerbemuseums von
Dresden, der zwischen Laub- und Bandelwerk wiederum
Wappen und Namen „Carolus Dux“ aufweist, also auch
mit Herzog Carl Eugen zusammenhängt. Gerade die
Facettierung aber macht die württembergische Herkunft
dieses Stückes etwas fraglich, zumal auch der einzige
vorläufig in Stuttgart nachweisbare Glasschleifer,
nämlich Johann David Schwarz erst später (1796) auf-
taucht18), — im Gegensätze z. B. zu dem ungeschliffenen
Pokal, ebenfalls mit Wappen und Herzogsmonogramm
auf Schloß Lichtenstein oder dem Pokaldeckel mit dem
sechsseitig gerippten Knaufe und der Inschrift „Vive
l’illustre Maisson de Wurtemberg“ in der Liebiegsammlung
des Nordböhmischen Gewerbemuseums von Reichenberg
(J. 140; der Pokal gehört nicht dazu), die gewiß in
Schwaben entstanden sein werden. Jedenfalls darf man
auch den besonders schönen auf Karl Eugen bezüglichen
Deckelpokal mit einer gekrönten Allegorie als Wappen-
halterin im Städtischen Museum für Kunst und Kunst-
gewerbe in Halle a. S. (Abb. 5a und b) für Württemberg
reklamieren, obwohl er schon einigermaßen unter dem
Einflüsse des vorzüglichen fränkischen Glasschneiders
G. E. Kunckel steht; den Perlenreifen unter dem Lippen-
rand haben wir schon beim Heß-Glas von 1732 kennen
gelernt; dieses ursprünglich Potsdamer Motiv wiederholt
sich auch sonst. — Daß nicht alle geschnittenen
Gläser mit württembergischem Wappen auch aus Württem-
berg stammen, ist sicher. So trägt ein solcher Pokal in der
Stuttgarter Altertümersammlung111) nicht nur direkt die
Bezeichnung „Dreßen“, charakterisiert sich also schon
dadurch als sächsisches Produkt, sondern zeigt auch das
Wappen der schlesischen Seitenlinie Württemberg-Oels;
das Monogramm E. L. hat somit mit Eberhard Ludwig
nichts zu tun, gehört vielmehr der Luise Elisabeth von
Württemberg-Bernstadt (f 1736) an, die seit 1690 Witwe
des Herzogs Philipp von Sachsen-Merseburg war. Gerade

17) Es ist das dieselbe Fürstin, die die feinsinnige Schwester
Friedrichs des Großen, die Markgräfin Wilhelmine Friderike Sophie
von Bayreuth in ihren Denkwürdigkeiten (Ausgabe von Armbruster
S. 476) als Lais bezeichnet.

18) Vgl. Stuttgarter Beisitzerbuch von 1776 auf S. 33 o., wo
J. D. Schwarz zum 18. Januar 1796 mit seiner Braut auftritt.

10) Vorher in der Stuttgarter Sammlung Professor Seyffer;
Auktion 1887. I. Nr. 510.

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