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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Aprilheft
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Der Künstlerprotest / Kunstausstellungen / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Schweizerische Kunstchronik / Aus der Kunstwelt Italien / Aus dem Pariser Kunstleben / Vom Londoner Kunstmarkt / Neuerscheinungen des Büchermarktes / Dürer-Miniaturen? / Der 6. April 1520 / Radierungen von E. M. Lilien / Der Künstlerprotest / Kleine Kunstnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0303

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Dcc Kün{ilet?pt’ote{L

Tagung dev Kün{Het?ü<2t?bände in Beciin.

Am 22. April wird in Berlin die Protestkundgebung der
Künstlerverbände gegen jede Entrechtung der Kunst veranstaltet.
Alle Künstlerverbände sind zu dieser von der Allge-
meinen Deutschen Kunstgenossenschaft einbe-
rufenen Tagung eingeladen worden. Dem vorbereitenden Komite
gehören Hildegard Lehnert, Willy O. Dreßler und Wilhelm
Kuhnert an.

*

. . Bei dieser ungesunden Steuer würde die Kunst, anstatt
Gemeingut des Volkes, nur ein Genußmittel für die Reichen werden.
Doch nicht nur in unseren eigenen Grenzen schädigen wir uns,
wir setzen uns auch noch vollends dem Spott und der Verach-
tung unserer feindlichen Nachbarn aus. Ein Volk, das keinen
Unterschied zu machen weiß zwischen materiellen Werten und
idealen Kulturgütern, würde mit Recht den Namen der Barbaren
verdienen. Denn von jeher ist der Wert eines Volkes nach seinen
höchsten Kulturwerten, nach der Kunst beurteilt worden. . . .

Kuntfaus {fettungen.

Die Leipsiget? Kün(ilet?(cbaft gegen die
Umfatdteuce.

Die vier Leipziger Künstlervereinigungen:
Ortsverein Leipzig der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossen-
schaft, Vors. Bruno Heroux, Wirschaftlicher Verband bildender
Künstler Leipzigs, Vors. G Wustmann, Leipziger Künstlerverein,
Vors. G. Wünschmann und Verein Leipziger Jahresausstellung,
Vors. Max Klinger und Joh. Hartmann, haben an das Reichsfinanz-
ministerium eine Eingabe gerichtet, in der sie gegen das
neue Umsatzsteuer-Gesetz in schärfster Weise
Stellung nehmen. In der Eingabe, die bei uns im Wortlaute vor-
liegt und die für alle deutschen Künstler zweifellos von großem
Interesse ist, heißt es:

Das neue Umsatzsteuer-Gesetz vom 24. Dez. 1919 fordert
beim Verkauf von Originalwerken der Plastik, der Malerei und
der Graphik eine besondere Luxussteuer in der Höhe
von 15 vom Hundert des erzielten Erlöses, während andere
Leistungen von Gewerben und Berufen mit nur geringen Aus-
nahmen nur einer l1/., prozentigen Steuer belegt werden. Bei
Schaffung dieses Gesetzes hat man offenbar besonders günstige
Einzelfälle einer besonders günstigen Zeit im Auge gehabt, die
aber für den weitaus größten Teil der Künstlerschaft nicht in
Frage kommen.

Man hat damit den Künstler auf eine Stufe gestellt mit dem
Lieferanten von Luxuswaren. . . . Der Kaufmann arbeitet, um zu
verdienen, ihm ist der Verdienst das Ziel der Arbeit. Beim
Künstler dagegen ist der Verdienst nur Mittel zum Zweck. Er
muß zwar verdienen wie jeder andere Mensch auch, um zu leben,
weil er leben muß, um schaffen zu können. Bei ihm ist das
Schaffen also das Ziel der Arbeit, und er schafft Kulturwerte, die
über sein Leben hinaus ihren Wert behaupten, einen Wert, der
weit über den materiellen Verdienst hinausgeht, den er bei Leb-
zeiten aus seiner Arbeit erlöst hat. . . .

Den von jeher so schwer ringenden Künstler drückt das neue
Gesetz noch viel tiefer in seiner wirtschaftlichen Lage hinab.
Denn die Auffassung des Gesetzgebers, die Steuer werde nicht
vom Künstler, sondern vom Käufer getragen, ist ein schwacher
Trost, der nur in der Theorie zu Recht besteht, ln
Wirklichkeit wird der Künstler bei einem Verkauf den vom Staate
geforderten Steuerausgleich kaum je treffen können, ohne sich
selbst empfindlich zu schädigen. Entweder schreckt der Käufer,
wenn er weiß, daß die fünfzehnprozentige Luxussteuer zu dem
Kaufpreis noch hinzukommt, vom Kauf überhaupt zurück, oder
aber, entschließt er sich wirklich, so handelt er sicher mit Erfolg
einen beträchtlichen Teil vom Preise ab, wie bisher auch. Der
Künstler aber, der verkaufen muß, um zu leben, bleibt doch der
Leidtragende.

Ganz besonders schwer wird außerdem noch die vom Gesetz
dem Künstler auferlegte Steueraufsicht empfunden. Die
Führung eines Lagerbuches, in das jede Arbeit einzutragen ist,
eines geschäftlichen Rechnungsbuches, sind Dinge, die dem
künstlerischen Wesen durchaus fern liegen, es in lähmende nnd
drückende Fesseln schlagen würden. Auch hierin spricht sich
wieder die verfehlte Auffassung aus, die künstlerisches Schaffen
mit einem Geschäftsbetrieb gleichstellt. Mit dem vorliegenden
Gesetz aber trifft man nicht den Kunsthandel, sondern das künst-
lerische Schaffen selbst und die Verelendung des
Künstlerstandes wird unaufhaltsam fortschreiten.

Die Bildtaisausfteüung det? Bet?lmee Akademie.

Die Bildnisausstellung der Akademie der
Künste hat — trotz den Entschuldigungen Ludwig Manzels im
Vorwort zum Katalog — einen großen Fehler. Daß man „das
ausgehende 18. Jahrhundert“ als „untere Grenze“ festgelegt und
den „eigenen wenig bekannten Kunstbesitz der Akademie“ heran-
gezogen hat, ist zwar ein Ziel, ebenso wie das Bestreben, „in
der Hauptsache“ das 19. Jahrhundert mit Ausschluß der „noch“
Lebenden vorzuführen. Aber daß man sich deshalb, weil wegen
der „politischen Ereignisse“ an „eine das Programm erschöpfende,
historisch systematische Durchführung“ nicht zu denken war,
nicht bloß darauf beschränkte, die Berliner Bildniskunst von
jener „unteren Grenze“ an zu zeigen, das scheint uns der große
Fehler, den man begangen hat. Denn diesen Teil des „Programms“
hätte man trotz der „denkbar ungünstigen Zeit“ ohne weiteres
bewältigen können. So aber wurde diese Bildnisausstellung zu
einem seltsamen Gemisch von unvollständigen Berliner Bildnis-
serien und etlichen kargen Brocken aus nah und fern.

Natürlich sieht man hier auch viel schönes. Gegen die
Kunstwerke selbst richten sich ja unsere Bedenken nicht,
sondern einfach nur gegen das „System“, das man anzuwenden
beliebte. Denn daß man um das K r ü g e r - Kabinett, um die
Schadows und B 1 e c h e n s einen Amerling hängte oder
einen Canon, um sagen zu können, daß auch Wien seine Bild-
niskunst hatte, das ist doch ein zu oberflächliches Beginnen.
Bei Canon leistet man sich übrigens im Ausstellungskataloge den
Satz: „Stand unter dem Einflüsse Rahls und ahmte Ruben’s Mal-
weise nach“. Das aber nur nebenbei. Schließlich erfahren wir
noch auch aus dieser Ausstellung, daß B o e c k 1 i n Porträts gemalt
hat, L e n b a c h und Stauffer-Bern. Diese Meister zählen
eben zu jenen „Brocken“, die wir oben erwähnt haben. Und
Leibi? Und Trübner? Und .'. . ? Und . . . ? Ja, im
19. Jahrhundert haben noch sehr sehr viele deutsche Bildnismaler
gelebt.

Immerhin: es ist viel schönes in dieser Akademie-Ausstellung-
Namentlich in der Anton Gr aff-Reihe und dann in der Gruppe:
„Unbekannte Künstler“. Das „weibliche Bildnis“ aus dem
Besitz Bernt Grönvoids, der „Dr. Marckwald“ aus dem Besitz der
Frau Henriette Herz oder der „Carl Meder“ aus dem Besitze
Karl Meders sind Juwelen der Porträtierungskunst. Schließlich
verdienten es auch die nicht „unbekannten“ Berliner Johann
Christoph Frisch und Johann Heinrich Christian Francke,
daß man sich näher mit ihnen beschäftigte. Francke war, wie
im Katalog vermerkt wird, „Schüler der Anna Rosine Liszewska“.
Warum hat man denn nicht auch diese Künstlerin herangeholt?
Sowie hier überhaupt die Künstlerfamilie Liszewski etwas stief-
mütterlich behandelt ist. Und wie steht es mit jenem Maler
Mathieu, der auch zu dieser Familie gehörte?

Beim Thema „Plastik“ hielt man sich fast nur an
Berlin. Und das war gut. Schadow, Tieck und Rauch
führen hier. Wo aber blieben die Modernen, wo T u a i 1 1 o n
und Metznei? Gab es da auch „unüberwindliche Transport-
schwierigkeiten“? . , , , ^

6 Adolph Donath.

Im Salon Paul C a s s i r e r sind Aquarelle und Holzschnitte
von Christian R o h 1 f s ausgestellt. Ferner Gemälde, Aquarelle
und Zeichnungen des Budapesters B61a C z o b e 1.

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